Hartmut Jatzke-Wigand
 

Hartmut Jatzke-Wigand

Die zehn wichtigsten Braun-Geräte einer renommierten Industriedesignsammlung


"Wir machen Geräte, die in erster Linie eine Funktion für den Menschen zu erfüllen haben und die ihren Sinn erst bekommen, wenn sie in unmittelbaren Bezug zu ihm und seiner Umwelt stehen. Wir stellten uns diese Menschen sympathisch vor, intelligent und natürlich, mit Gefühl für Echtheit und Qualität ... dementsprechend sollten unsere Geräte sein und aussehen". 1)

Dr. Fritz Eichler

 

Ab 1951 erweiterten Artur und Erwin Braun mit unternehmerischen Mut und hohem Risiko konsequent die Produktpalette der Braun oHG. Ihr Unternehmen produziert in der Folgezeit nicht nur technologisch hochwertige Elektrogeräte, sondern ab 1955 auch Geräte mit einem innovativen, richtungsweisenden Design. Die radikale Änderung des Erscheinungsbildes dieser Produkte erregte internationales Aufsehen: Braun Geräte avancierten in der Folgezeit zu einem in Museen präsentierten Kulturgut.

 

Die für diesen Beitrag ausgewählten zehn Braun Produkte charakterisieren im hohen Maße das Besondere, das Richtungsweisende des Braun-Designs, sie repräsentieren außerdem den zentralen Bestandteil einer renommierten Braun-Design Sammlung.

 

Die Radio- und Phonokombination 'SK 4'

Die von Hans Gugelot und Dieter Rams 1956 gestaltete Radio- und Phonokombination 'SK 4' gehört zu den großen Designentwürfen des 20. Jahrhunderts ( Abb. 1). Hans Gugelot wirkte als Dozent an der aufstrebenden Hochschule für Gestaltung in Ulm. Er vertrat die Theorie des Elementbaus, der harmonische Kombination gegebener Raum- und Flächenmaße zur Gestalt. Für ihn bestand das Gestaltungsproblem der Kombination darin, "das gehäuse mit möglichst einfachen mitteln aufzubauen. (...) ich bin allerdings auf die idee gekommen ein gewöhnliches blech u-förmig abzubiegen und die enden mit kleinen holzplatten zu schließen". 2) Nur die hölzernen Seitenwangen verweisen auf seine 1955 für die Braun oHG gestalteten und harmonisch aufeinanderbezogenen Komponenten eines Mediensystems: dem Plattenspieler 'G 12', dem Rundfunkgerät 'G 11' und dem Fernsehgerät 'FS-G . 3) Die Designer setzen bei dem 'SK 4' den Plattenspieler und die Bedienungselemente auf die Oberseite des Gerätes. Otl Aicher – ebenfalls Dozent an der HfG Ulm - entwirft die übersichtliche, vertikal und grafisch organisierte Skala mit Frequenzmarkierungen. Die von Dieter Rams entwickelte transparente Plexiglashaube deckt die Oberseite ab. Die formale Gestaltung des 'SK 4', u.a. seine harmonisch proportionierten Schlitzungen an der Gerätevorder- und Rückseite sind das Ergebnis sorgfältiger Proportionsstudien.
Der 'SK 4' verkörpert formal Prinzipien des feinmechanischen Gerätebaus, zugleich drei zentrale Axiome des Braun-Designs: die Ordnung, die Harmonie und die Sparsamkeit - wobei unter Sparsamkeit die "Schaffung einer harmonischen Form mit geringsten und einfachsten Mitteln" zu verstehen ist. 4)

 

Die Küchenmaschine 'KM 3'

Die Küchenmaschine 'KM 3' ersetzte den ab 1950 erfolgreich produzierten Multimix. Artur Braun leitete die umfangreichen Laborversuche zur Ermittlung der technologischen Grundkonzeption der 'KM 3' – dem Grundchassis mit starkem Motor und hoher Standfestigkeit, die zusätzlich zur Rührbewegung drehenden Rührschüssel und die durch eine rastende Verbindung leicht abnehmbaren Werkzeugträger (Abb. 2). 5) Ohne Schraubverbindungen und Nachjustierungen lassen sich sämtliche Zubehörteile schnell und einfach auf die Maschine setzen. Die glatten Flächen des weißen Duroplastgehäuses erleichtern Handhabung und Reinigung – die 'KM 3' besitzt einen sehr hohen Gebrauchswert.
Gerd A. Müller konzipierte 1957 in enger Zusammenarbeit mit den Technikern ihre plastisch wirkende Gestalt. Sie beeindruckt formalästhetisch durch Ausgewogenheit und den funktionsgerechten Detaillösungen. Eine überzeugende Harmonie zwischen dem Grundgerät und der Rührschüssel bewirken gleiche Radien und Bezugslinien sowie die Ordnung der einzelnen Elemente. So verläuft z.B. die Abschrägung an der Gehäuseinnenseite parallel zur Kannte der Rührschüssel, die Fugen und Kannten zwischen den horizontalen Flächen verlaufen parallel. 6) Die 'KM 3' verkörpert 1957 das zukunftsweisende Braun-Design für Elektrogeräte. Und – gutes Design ist langlebig – sie wird mit nur unwesentlichen Veränderungen über 30 Jahre lang produziert.

 

Das Fernsehgerät 'HF 1'

1958 staunte das Publikum über das im deutschen Pavillon der Weltausstellung in Brüssel gezeigte Fernsehgerät 'HF 1' von Herbert Hirche (Abb. 3). 7) Der Korpus des 'HF 1' ruht auf einem filigranen, schwarz eloxiertem Untergestell. In Kombination mit der hellgrau beschichteten Kunststoff-Vorderfront erhält das Gerät so eine visuelle Leichtigkeit. Herbert Hirche untersuchte systematisch den Bedienungsvorgang bei Fernsehgeräten. Deshalb setzte er die große Einschalttaste betont mittig in die Vorderfront, während sich die weiteren Bedienungselemente unter einer Klappe auf der Gehäuseoberseite befinden. Eine Anordnung, die für spätere Fernsehgenerationen richtungsweisend sein sollte. 8) Die auf der Vorderfront ausgeschnittenen dunklen Lautsprecherschlitze bilden jeweils ein harmonisch proportioniertes Rechteck – sie betonen das Grafische des Entwurfs. Der 'HF 1' zeigt 1958 mit seiner modernen, unaufdringlichen und bis in das letzte Detail konsequenten Gestaltung das neue, zukunftsweisende Image der Braun oHG. 9)

 

Die Phonokombination 'TP 2'

Die Ende der fünfziger Jahre innovative Transistortechnologie ermöglichte den Bau von Radioempfängern geringer Größe. Zwei Thermoplastschalen bilden den weißen, flachen Kubus der Taschenempfänger 'T 3/31'(1958), 'T 4' (1959) und 'T 41' (1962). 10) Die Lautsprecher dieser sorgfältig gestalteten Empfänger liegen hinter einem rechteckigen ('T 3/31') oder runden Lochfeld ('T 4/41'), das jeweils grafisch präzise und ausgewogen einen Gegenpol zur Skala bildet . 11) 1958 gestaltet Dieter Rams den miniaturisierten Plattenspieler P 1 als erstes Gerät eines aufeinander abgestimmten Kleingeräteprogramms. Die Schallplatte lässt sich auf dem runden Halter arretieren, der hinter einem verschiebbareren Fenster verborgene Tonkopf tastet die Platte von unten ab. Eine Halterung fasste den Plattenspieler 'P 1' zu den mobilen Phonokombination 'TP 1' (P 1 und T 3) oder TP 2 (P 1 und T 4) zusammen (Abb. 4). 1959 zeigt bei diesen Kombinationen Dieter Rams sein subtiles Gespür für die spannungsvolle Organisation von Elementen auf Flächen, die dem Gerät einen hohen ästhetischen Reiz verleihen.

 

Der Weltempfänger T 1000 CD

Dieter Rams konzipierte 1962/63 den Universalempänger Station T 1000 und 1968 den Nachfolger T 1000 CD als Empfangsgerät für Rundfunk- und Telegraphieempfang (Abb. 5). 12) Der T 1000 CD ist ein Gerät mit unverwechselbarem Design, "das eine deutliche Faszination ausstrahlt, zugleich von der Grundform bis zum kleinsten Detail konsequent daraufhin gestaltet war, seinen Zweck optimal zu erfüllen. " 13) Die gelochte Lautsprecherabdeckung oder die funktionale und zugleich elegante Gestaltung des Schaltknebels für den 12-Bereichs-Trommeltuner betonen die edle Anmutung des Gerätes. Die präzise Konstruktion des abnehmbaren Schutzdeckels für das Bedienfeld und sein auf das Wesentliche reduzierte Design unterstreichen das Professionelle. Zusätzlich nimmt das Innenfach des Deckels Sendetabellen oder die Bedienungsanleitung auf – ein Beispiel für eine am täglichen Gebrauch orientierte Gestaltung. 14) Deshalb befinden sich auch sämtliche Anschlüsse für Zusatzlautsprecher, Kopfhörer, Antennen u.s.w. an der Frontplatte. Die extrem große und übersichtliche Skala mit klarer Produktgrafik betont den Allwellenempfänger, erleichtert die Sendereinstellung. Farbgebende Akzente wie die rote FM-Drucktaste, der rote Punkt am Drehknopf der Sendereinstellung und die rote Skala für FM verweisen auf die Einstellung für den UKW Empfang. Dieses Design ist an der Bedienung orientiert und besitzt – typisch für Dieter Rams – eine Selbsterklärungsfunktion.

 

Das Steuergerät 'audio 1'

Das 1962 von Dieter Rams gestaltete erste vollkommen transistorisierte Steuergerät mit Plattenspieler und Stereoempfang stellt hinsichtlich seiner formalen Ausprägung und technologischen Realisierung einen Markstein innerhalb der Entwicklung von HiFi-Geräten dar (Abb. 6). 15) Das robuste Stahlblechgehäuse des 'audio 1' ist weiß beschichtet, die transparente Plexiglashaube schützt das Gerät. Für die Deckplatte wählte Dieter Rams eloxiertes, silberfarbenes Aluminium. Er ordnete sämtliche Elemente des 'audio 1' – von der Skala bis hin zu den Befestigungsschrauben – nach einem klaren Raster. Die hell- oder dunkelgrauen Bedienungselemente sind griffgünstig platziert. Der diskrete Farbakzent des grünen Netzschalters dient zur Selbsterklärung seiner Funktion. Die zurückhaltende Typografie des 'audio 1', seine leicht verständliche Produktgrafik, pointieren das Wesentliche. 16) Mit der konsequenten Detailgestaltung des 'audio 1' drückt Dieter Rams ästhetisch eine Wertigkeit aus, die als visuelle Entsprechung für die ausgezeichneten technologischen Qualitäten des Gerätes dient.

 

Der Elektrorasierer 'Sixtant'

Weltweit galt in den sechziger Jahren der Elektrorasierer Braun 'Sixtant' als der konstruktiv beste und formal edelste Elektrorasierer (Abb. 7). Sein Markterfolg bildete die sehr wichtige ökonomische Basis für die Braun AG. 17) Technologisch gegenüber dem Vorgängermodell 'SM 3' vor allem durch das galvanoplastisch hergestellte Sechskant-Scherblatt verbessert, gab Hans Gugelot 1961 dem 'SM 3' Gehäuse durch leicht veränderte Radien eine etwas weichere Form. 18) Zentral bei der Gestaltung des 'Sixtant' ist die Erweiterung seiner Wertigkeit durch die Wirkung von Schwarz und Silber – zusätzlich gesteigert durch die haptisch und optisch eindrucksvolle Oberflächenbearbeitung des Chromstahls sowie des Kunststoffgehäuses. 19) Die feine Strichmattierung veredelt die Materialien, die noble Kassette des 'Sixtant' unterstreicht diesen Eindruck. Die Kombination von Schwarz und Silber wird seit 1961 zu einem Teil der Cooperative Identity der Braun AG. Der Braun 'Sixtant' setzte durch Farbgebung und Materialbearbeitung einen wegweisenden Standard für die Kamera, Radio- und Phonoindustrie.

 

Das Tischfeuerzeug 'cylindric T 2'

"Kein Gebrauchswert kann funktional gestaltet werden, ohne die vielen und komplexen Gebrauchsanforderungen genau zu kennen und wirklich verstanden zu haben" – so kennzeichnete Dieter Rams die Arbeitsweise der von ihm geleiteten Abteilung der Produktgestaltung der Braun AG. 20) Er wählte nach einer systematischen Gebrauchsanalyse für das von ihm 1968 gestaltete Feuerzeug 'clindric T 2' eine zylindrische Grundform – sie gewährt eine hohe Standfestigkeit und besitzt die gewünschte angenehme Haptik. Den Zündfunken erzeugt die Betätigung der Taste mit dem Daumen. Deshalb ordnete Dieter Rams die in die Zylinderwand geschnittene große Tastenfläche genau dort an, wo der Daumen beim Halten des Feuerzeuges den kräftigsten Druck ausüben kann. 21) Die asymmetrisch gesetzte runde Vertiefung auf der Zylinderoberfläche akzentuiert den Austritt der Flamme. Das funktionale Feuerzeug 'cylindric T 2' arbeitet wie ein präzises Werkzeug, sein zurückhaltendes Design erhält die Wertigkeit durch Oberflächenbearbeitung und Sorgfalt der Gestaltung.

 

Der Kaffeeautomat Aromaster 'KF 20'

Grundsätzlich bieten Kaffeeautomaten Spielräume für den Aufbau einer sinnvollen Grundgestalt. 22) Florian Seiffert entwickelte 1972 die Grundform der 'KF 20' - eine schlanke, fast geschlossene Säule – nach dem Ablauf der Kaffeezubereitung (Abb. 9). Oberhalb befindet sich der Wassertank, dann folgt der Filtersatz für das Kaffeepulver und schließlich die Kanne mit der Warmhalteplatte. Die 'KF 20' ist sehr ausgewogen gestaltet. Reizvoll wirken Kontraste zwischen dem weißen Kunststoff, dem Glas der Kanne, dem schwarzen Kannendeckel oder der Bodenplatte . 23) Die zurückhaltende Eleganz dieser Maschine unterstreichen die beiden matt eloxierten Metallrohre, die Grundplatte und Geräteoberteil verbinden. Details, wie z.B. die Übergänge der ineinander führenden Rundungen und Befestigungen dieser Rohre, sind von Florian Seiffert exakt durchgestaltet. Die 'KF 20' fügt sich mit ihrem klaren, unaufdringlichen Design in jedes Ambiente. Sie verkörpert eindrucksvoll eine wichtige Designthese von Dieter Rams: die ästhetische Qualität eines Produkts ist ein integraler Aspekt seiner Brauchbarkeit. 24)

 

Die Digitaluhr 'functional'

Die Designer der Abteilung Produktgestaltung der Braun AG begreifen Uhren als Messgeräte - deshalb konzentrieren sie sich bei ihrer Gestaltung auf wesentliche Funktionen: die genaue Vermittlung der Zeit und eine einfache, möglichst intuitive Bedienbarkeit. 25) Dietrich Lubs entwirft 1975 die vollelektronische Digitaluhr 'functional' (Abb. 10). Ihre Anzeigefläche ist zum besseren Ablesen schräg geneigt. Die großen Segmentziffern des LED-Displays sind von verschiedenen Blickwinkeln aus sehr gut zu erkennen. Die hervorgehobenen Bedienungselemente platziert Dietrich Lubs als Kippschalter auf die Oberseite, die Einstellelemente auf die Unterseite des Gehäuses. 26) Die Gestalt der 'functional' überzeugt mit exakt aufeinander abgestimmten Radien. Sie wirkt mit ihrer eleganten Linienführung wie eine spannungsvoll gestaltete Kleinskulptur.

 

 

Quelle:
Jatzke-Wigand, H.: Die zehn wichtigsten Braun-Geräte einer renommierten Industriedesignsammlung. In: Design+Design 69/70, Hamburg 2004/2005, 6-15

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