Hartmut Jatzke-Wigand
 
SK 4 Gugelot, Rams

Jo Klatt

Die Radio-Phono-Kombinationen von Braun. SK 4 bis SK 55.


Über den Beginn der Design-Entwicklung des ersten Gerätes dieser Gruppe, den SK 4, Dr. Fritz Eichler, hatte Dr. Fritz Eichler, der erste  Leiter der Braun Produktgestaltung, einem Nachruf auf Hans Gugelot 1965 unter anderem geschrieben:

 

"Ich erinnere mich an die Geburt des SK4 – an das Gerät, das vielleicht am meisten zum Begriff für das Braun-Design wurde. Es war eine schwierige Geburt. Rams und ich hatten uns verrannt. Die obere Anordnung von Plattenspieler und Bedienungselementen war klar. Sie hatte bereits das Gesicht, das sie auch heute noch hat. Aber mit dem entscheidenden Teil – der Gehäusekonstruktion – wurden wir nicht fertig. Wir bastelten an einem Holzgehäuse in diversen Variationen herum. Wir kamen einfach nicht weiter. Ich reiste zu Dir nach Ulm. Du machtest Dein melancholisch nachdenkliches Gesicht und versprachst, Dir die Sache zu überlegen."

 

Schon nach ein paar Tagen kamst Du mit einem fertigen Modell an: ein weißes, U-förmig gebogenes Blechgehäuse zwischen zwei Holzwangen gespannt - eine so selbstverständlich einfache Lösung, daß man neidisch werden konnte. Keiner hatte es bisher gewagt, ein Radiogehäuse aus Blech zu machen. Die Techniker stöhnten – aber sie sahen die Notwendigkeit ein. Später kam der Plexiglasdeckel hinzu. Schneewittchen war geboren.

 

Über Hans Gugelot schrieb Herbert Lindinger in dem Buch 'System-Design Bahnbrecher Hans Gugelot 1920-1965' folgendes: In seiner selbstironisierenden Weise bezeichnete er die Radiogeräte G 11, PK-G und FS-G, die er für Braun gestaltet hat, noch immer als 'Tonmöbel', womit zumindest für einen 'Ulmer' das schlimmste gemeint sein könnte: Die bürgerliche Vorliebe, im Wohnbereich technische Geräte in Möbeln zu verstecken.

 

Erst mit dem Radiogerät SK 4 war sich Gugelot sicher, diesen Schritt überzeugend getan zu haben. Für ihn war die Konstruktionsidee: zwei senkrecht stehende, tragende Holzteile, zwischen die das Blech gespannt werden sollte. Seit seinem Möbelsystem 'M 125' und den frühen Holzradios zieht sich diese Konstruktion wie eine 'Idee fixe' durch seine Entwürfe: Eine Art visueller Dramatisierung von tragenden und nicht tragenden Funktionen. Typisch waren auch wieder die horizontalen Längsschlitze für die Lautsprecher in der gleichen Art wie im Holzradio PK-G von 1955.

 

Mit dem Blech meinte er, endlich den bisherigen Möbelcharakter der Radios überwunden und gleichzeitig eine derart preiswerte Konstruktion gefunden zu haben, daß es ein Standardgerät auch für die weniger Betuchten werden konnte. Ein alter Wunschtraum. Wie der Leiter der Metallwerkstatt, Josef  Schlecker, sich heute noch erinnert, machte es größte Schwierigkeiten, in der unzulänglich eingerichteten Werkstatt ein Blech dieser Länge mit exakten Radien zu biegen. Paul Hildinger baute die Holzseitenteile. An der (weißen) Farbgebung und der spärlichen Grafik für die Bedienungsteile und Skalen durfte ich mich versuchen. Zu wenig, um als Miturheber zu gelten.

 

Wie war es nun mit dem Plexiglasdeckel?

Dieter Rams erinnert sich: "Hans Gugelot entwickelte das Gerät mit dieser genialen Lösung. Zwei Seitenwände aus Holz und der umlaufende Metallmantel, der das Chassis aufnehmen soll. Dieser Metallmantel wurde oben optisch als Deckel weitergeführt. Wir von Braun fanden die Abdeckung nicht so gut. Es erinnerte an eine Brotbüchse. Deshalb wurden einige Geräte erstmal ohne Deckel produziert und auch für den Prospekt fotografiert. Doch die Serie lief nur mit dem Plexiglasdeckel, denn in der Zwischenzeit kamen wir auf die 'Schneewittchen'- ldee, den Deckel durchsichtig zu machen.

Dies wurde beispielgebend für die ganze Phonobranche."

 

Der SK 4 war auch technisch ein Novum. Er wurde nicht mit dem typischen U-Blechchassis, sondern mit einem für das Gehäuse speziell zugeschnittenen Chassis ausgerüstet. Die Anordnung der Regler und Drucktasten folgten den vorher festgesetzten Positionen. Sie ergab sich aus funktionalen und ästhetischen Überlegungen, es entstand eine Bedienungsanordnung auf der rechten Oberseite, die in ähnlicher Form bereits beim Braun-Phono Super 6740 W in den 30er Jahren realisiert wurde.

 

Die großen Marken der damaligen Rundfunkindustrie gaben der neuen Formgestaltung von Braun keine Chance, sie waren der Meinung, dass es für ein derart avangardistisches Gerät keinen Markt gäbe. Im Handel kursierten bald ironisierende Spitznamen wie 'Schneewittchensarg' – in Schönheit sterben – oder Kaninchenstall' (damit war das Radio G 11 von Hans Gugelot gemeint) und weitere. Trotzdem konnten diese sogenannten Meinungsbilder nichts dagegen tun, daß auf der Berliner Interbau 1957/58 die großen Architekten und ihre Innenarchitekten, Braun Rundfunkgeräte der neuen Linie, besonders den SK 4, in ihre Musterwohnungen einbezogen. So half die Interbau, die neue Linie von Braun, beim Handel und dadurch beim Publikum durchzusetzen.

 

Bei durchgestalteten Produkten wie dem SK 4 sind alle sichtbaren Teile, zum Beispiel auch einfache Dinge wie die Scharniere des Plexiglasdeckels, die Knöpfe und Tasten nicht aus dem Sortiment eines Zubehör-Lieferanten gekauft worden, sondern nach Vorgaben des Designers speziell entwickelt und gefertigt.

 

Braun erarbeitete deshalb ein weiterentwickeltes modernes Plattenspielerchassis für seine Phonogeräte, unter anderem den SK 4, welches in der Technik den damaligen Anforderungen und in der Gestaltung der neuen Formgebung entsprach. Hier ist es interessant zu vermerken, daß Braun schon vor dem Kriege einer der größten Phonochassis-Hersteller war.

 

Anscheinend maß man bei Braun dieser Entwicklung, dem Plattenspieler PC 3, eine besondere Bedeutung bei. Eine ganze Reihe von Designern arbeitete daran. Prof. Pfänder erinnert sich: 'Ich war damals bei Wilhelm Wagenfeld als Bürochef, heute würde man Chefdesigner sagen, tätig. Wir bekamen von Braun den Auftrag, das Plattenspieler-Chassis für den SK 4 zu entwickeln. Ralph Michel, als Modelleur tätig, arbeitete an dem Tonarm, und ich entwarf die Drei-Punktauflage für den Plattenteller, was sich leider im Gebrauch als ungünstig herausstellte. Deshalb empfahlen wir später für den Plattenteller die Fünf-Punktauflage. Der Tonarm war eine modifizierte Form aus dem Plattenspieler des Koffergerätes 'Combi'. Dies und der Dreizackstern des Plattentellers war eine Arbeit von Ralph Michel, natürlich alles unter der Leitung von Wilhelm Wagenfeld.'

 

Des weiteren waren auch Dieter Rams und Gerd A. Müller an dem Entwurf beteiligt.

 

Auch die Radio-Phono-Kombination SK 4 erhielt breite nationale und internationale Anerkennung durch Fachleute, aber auch vor allem vom Publikum 'per Abstimmung durch Kauf'! Gerade der letzte Umstand war in der Frühphase wichtig für das Unternehmen, für einige skeptische Kaufleute im Hause und nicht zuletzt für den Handel.

 

Funktional gut gestaltete Geräte gibt es heute, dank des Braun Design-Wagnisses und Erfolges von 1955/58, in großer Zahl. Diese sind nun kein kaufmännisches Risiko mehr, das Publikum erwartet sie, verlangt sie.

 

Braun hat also Schule gemacht, sogar sehr erfolgreich! Immer noch läßt sich sagen: So überzeugend wie Braun, so konsequent und frei von Marketing Effekthascherei, hat noch kein Unternehmen das neue, auf den Menschen abgestimmte funktionale Design aufgebaut und dargestellt. Ist es vermessen, an dieser Stelle den vorausschauenden Initiatoren, den  Unternehmerbrüdern Erwin und Artur Braun, einmal zu danken?

 

Der berühmte SK 4 wurde 1956 vorgestellt. Die Technik stammt vom SK 2/2, nur mit einem anderen Chassisaufbau, der dem neuen Design entgegenkam. Es folgten, dem SK 4 mit leichten technischen Veränderungen, der SK 4/1 und dann, mit getrennten Höhen- und Tiefenreglern der Plattenspieler mit fünf Gumminoppen statt drei, der SK 4/2. Der Preis für das Gerät betrug DM 295,--.

 

Im Rahmen der Artikelpflege und weiterer Entwicklungen wurden, bei Erhalt des typischen SK 4-Gesichts, folgende Geräte auf den Markt gebracht:

 

SK 5 (1958). Änderungen beim Plattenspieler PC 3 SV, vier Touren statt  drei Touren, sowie für Stereowiedergabe vorbereitet. Der Preis betrug DM 325,--.

 

SK 5 C die Exportausführung des SK 5 für Canada und USA besitzt anstelle des LW-Bereichs einen KW-Bereich, einen erweiterten UKW Bereich und ein Netzteil für 110 V/60 Hz.

 

SK 6 (1960). Er wurde mit dem neuen Plattenspieler PC 4, der die stereophone Wiedergabe von Schallplatten erlaubte, gebaut. Dabei erhielt der Tonarm eine strengere Form, und der Plattenteller bekam statt der Gumminoppen einen Ring aus Gummi. Er kostete DM 448,--.

 

SK 61 (1961). Er kam mit geänderter Röhrenbestückung und leistungsmäßig weiterentwickelt auf den Markt. Der Preis war auf DM 495,-- festgelegt.

 

SK 61 C (1962). Die Exportausführung des SK 61 für Canada und USA besitzt anstelle des LW- einen KW-Bereich, einen erweiterten UKW-Bereich und ein Netzteil für 115 V/60 Hz.

 

SK 55 (1963). Er ist das letzte Gerät dieser 'SK 4'-Bauform. Er war das monophone Gegenstück zu dem Stereo-Phonosuper SK 61. Das Gerät hatte das Plattenspielerchassis P 2 mit einem Leichttonarm aus Alurohr und einen Plattenteller mit einer großen Gummiplatte in anthrazit. Auch die Einstellknöpfe waren in anthrazit gehalten, nur der Sendeknopf war weiß mit einem roten Punkt. Eine weitere Änderung betraf die Unterteilung der Lautsprecherschlitze an der Vorderseite. Die Holzseitenteile wurden nicht mehr in Rüster, sondern in Esche hergestellt. Sein Preis betrug DM 438,--.

 

Auszeichnungen

Stellvertretend für die großen Jahre der internationalen Auszeichnungen stehen die Internationale Bauausstellung, Interbau Berlin, 'Gran Premio' für das Gesamtprogramm auf der Triennale 1957 in Mailand und die Aufnahme in die ständige Sammlung im Museum of Modern Art in New York 1958.

 

Hinweis für Sammler

Ein Gerät aus dieser Serie SK 4 bis SK 55 gehört in jede Sammlung. Überragend ist der SK 4 mit seiner an den Ursprungsgedanken 'des Weglassens' erinnernden zeitlosen Gestaltung. Der SK 4 wird als das 'Braun-typische' Rundfunkgerät der 50er und 60er Jahre angesehen. Dies hat dazu geführt, daß er in seinem Wert viel zu hoch eingeschätzt wird. Gute Geräte sind schon für DM 150,-- bis DM 200,-- zu bekommen.

 

Text: Jo Klatt

Fotos: Jo Klatt und Braun AG

 

Wir danken besonders C.C. Cobarg und Herbert Lindinger, die uns bei der Ausarbeitung dieses Beitrages mit Informationen unterstützt haben.

 

Anmerkung zur Technikhistorie: Im Sommer 1939 brachte Max Braun den Phonosuper 6740 W heraus, der im Werkbundbrief 11/1986 so beschrieben wurde: 'Es war die Weltpremiere für die Radiogeräte mit Plattenspieler und Bedienung (Skala, Knöpfe) unter einem Deckel.' Das Bild verdeutlicht dies. Durch den im September 1939 begonnenen Krieg war dem Gerät jede Marktchance genommen, nur wenige Exemplare konnten gefertigt werden. Deshalb ist es eine Rarität. Bei der Konzeption des SK 4 war dieser Phonosuper weder Hans Gugelot noch Dieter Rams bekannt, im kriegsgeschädigten Archiv gab es keinen 6740 W, und Prospektunterlagen sind erst viel später von außerhalb erneut ins Archiv gelangt.

 

 

Quelle:
Klatt,J. : Die Radio-Phono-Kombinationen von Braun. SK 4 bis SK 55. In: Braun+Design 15, Hamburg Dezember-Januar 1989/1990, 4-12

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