Die letzten von Braun gefertigten und über 10 Jahre verkauften HiFi Anlagen waren das Ende der Produktlinie, die 1921 bei Braun begann und mit einer weltweit aufsehenerregenden neuen Formgestaltung im Jahre 1955 die Gehäuseformen der Rundfunkbranche stark beeinflußte und zu einem Umdenken zwang.
Die Geräte der atelier Serie sollten ursprünglich gegenüber den hochwertigen 'slimline' Geräten preiswerter sein. In knapp 11 Monaten wurde die Serie entwickelt, in Japan gefertigt und vor Weihnachten 1980 zum Verkauf in den Braun HiFi studios angeboten.
Unter Dieter Rams als Leiter der Produktgestaltung hat Peter Hartwein das Design für das gesamte atelier Programm gestaltet.
In diese Zeit fiel auch eine entscheidende firmenpolitische Veränderung. 1981 wurde der Produktbereich Braun HiFi an Dr. Günther mit a/d/s/ Analog und Digital Systeme übertragen. Die damalige Braun AG wollte sich von dem wohl imagestarken, aber finanziell schwachen Produktbereich - mit einer vorsichtigen Übergangslösung aus dem HiFi-Markt lösen. Es gab hierbei erfolglose Versuche, die Geräte mit einem anderen Label, also a/d/s/, in den Handel zu bringen. Die Braun Studio Händler wehrten sich massiv gegen dieses Vorhaben, da die auf die Marke Braun eingeschworene Kundschaft sehr irritiert war.
Die zunächst preiswerte erste Anlage der atelier Serie mit A 1, T1, C 1 und P1, sowie das Steuergerät R1, lag in der vorgegebenen Preislage von unter 2000 Mark und wurde weiter ausgebaut. Dr. Günther, Dipl. Physiker, war in der Weltraumforschung unter Wernher Frhr. v. Braun in den 40er und 50er Jahren mit beteiligt, entwickelte weitere zukunftsweisende HiFi Techniken, die in das ideale atelier Gehäusekonzept von Peter Hartwein paßten. Leider konnte nur ein Teil der Ideen verwirklicht werden.
In den 90er Jahren versuchten einige Techniker auf eigene Faust die eine und andere Technologie unter No name Marken in dem atelier Gehäuse unterzubringen und an Interessenten zu verkaufen. Auffallend waren fast immer die schlecht gestalteten Frontseiten der Geräte und die teilweise sinnlosen Gerätefunktionen, wie eine pompös ausgestattete Weltzeituhr für eine HiFi Anlage.
Die atelier Gestaltung
Die atelier Anlage wurde als ein System von horizontal und vertikal frei kombinierbaren Bausteinen konzipiert. Alle Geräte - mit Ausnahme des Plattenspielers und des Videorekorders - haben gleiche Abmessungen. So paßt jeder Baustein zum anderen. Ein Gerät der ersten Serie von 1980 ist optisch und technisch mit Geräten der 'Letzten Edition' von 1998 problemlos zusammenstellbar und verknüpfbar. Die atelier 1 Anlage konnte zum Beispiel mit dem neuen CD-Spieler ausgebaut und dadurch aufgewertet werden. Oder die atelier 2 konnte mit TV3 und Videorecorder VC4 (auch als Tonbandmaschine) ergänzt werden.
Die Anordnung der Bedienelemente, Anzeigen und Anschlüsse spiegelte die Logik und Präzision des technischen Inneren wieder, seine Funktionsaufgaben waren selbsterklärend ersichtlich für die Bediener. So z.B. erhielten die schmalen und die runden Tasten ihre jeweilige Funktionsart zugewiesen.
Die Geräte erhielten 3 Funktionsebenen: 1. wichtige Funktionstasten - außen sichtbar. 2. Klangveränderungstasten (Geschmackstasten) und Wahltasten - hinter Klappen und Schubladen. 3. seltene Bedienfunktionen, zum Beispiel für Tester - 2 verschiedene Tasten drücken, dies war nur mit Hilfe der Bedienanleitung möglich.
Beim Zusammenstellen der Geräte enstand eine übergreifende Struktur, die alle Teile eines neuen Gerätes mit einbezog. Die 45° Schrägen an den Front- und Rückseiten der Geräte gaben der atelier Serie einen typischen Eindruck und ließen diese schlanker erscheinen.
Die gleiche Sorgfalt bei der Gestaltung der Frontpartien erhielten auch die Rückseiten der Geräte. Die für die Kombinierbarkeit der Bausteine unumgänglichen Verbindungskabel wurden durch Klappen abgedeckt, die jeweils die Typenbezeichnungen trugen. Daraus ergab sich eine für HiFi Anlagen freie Aufstellungsmöglichkeit im Hörraum. Alle nicht ständig veränderbaren Einstellungen am Gerät wurden auch an der Frontseite mit einer Klappe abgedeckt um ein 'ruhigeres Bild' der Frontseite zu bekommen.
Die Gehäuse waren rundum als geschlossener Körper gestaltet, also ohne überstehende Ränder. Nur schmale Fugen markierten als präziese Einschnitte in sonst glatte Flächen das Zusammenstoßen der Seiten. Die Verschraubung wurde stark reduziert, nur vier mal oben sichtbar. Die Geräte erhielten eine glatte Flächigkeit - Buchsenränder wölbten sich nicht und die Dioden standen ebenso nicht wie Pickel auf der glatten Gesichtshaut der Geräte. Auch die Digitalziffern erschienen (bis auf die Schutzglasdicke) bündig in der Fläche.
Die atelier Technik
Das technische Leistungsvermögen wurde dem Design gleichgestellt und sollte auch durch die Gestaltung der einzelnen Komponenten visuell transportiert werden. Die schon recht ordentliche Leistung der ersten Geräte wurde durch die späteren verändert - der 'Letzten Edition' . Es waren hochwertige und äußerst leistungsfähige HiFi Bausteine der jeweiligen Geräteklasse, wie der Receiver R4 oder der Empfänger/Vorverstärker CC4 mit der Endstufe PA4. Jedes einzelne Gerät wurde im Vergleichstest der Fachzeitschriften, wie audio getestet und bekamen fast immer die Bewertungsnote sehr gut oder gut.
Jetzt, nach der über 10jährigen Vergangenheit stehen die eben genannten Geräte inklusive Plattenspieler P4 und der hochgradige CD- Spieler CD5 durchaus aktuellen Entwicklungen 'standhaft' im Vergleich gegenüber. Obwohl die altersschwach gewordene Fernbedienung RC1 mit mechanischer Maskeneinstellung neben aktuellen Techniken, wie dem Bose PMC in Screendesign mit Fingerdruckfunktion, weit abgeschlagen ist.
Die atelier Anlage war zunächst ein reines Audio-System, aber es beinhaltete schon die Schritte in weitere Kommunikationsmedien. So kam 1986 der Fernseher TV3 dazu. Dieser war so gestaltet, daß er optisch und technisch wieder nahtlos in das atelier System paßte, wie auch der 1988 nachfolgende Videorekorder VC4, allerdings mit einer veränderten Gehäusehöhe.
Die atelier Schränke und Lautsprecher
Passend zu der atelier Anlage wurden Geräteschränke in verschiedenen Ausführungen und Farben wie schwarz, kristallgrau und weiss angeboten. Die mit einer Rolljalousie zu schliessenden Geräteschränke waren geeignet für das Unterbringen von MCs und CDs in speziellen Einsteckschub
laden, sowie auch mit normalen Einlageböden. Ausserdem gab es eine runde Säule als Standsäule (AF 1) für die Anlage, frei im Raum aufstellbar. Ein Kunststoffschlauch, ähnlich dem eines Staubsaugers, nahm die Kabelzuführungen der Anlage auf.
Da der TV3 über die HiFi Anlage mit optimalem Stereoton betrieben werden sollte, hatte er keinen eigenen Lautsprecher. Dafür gab es einen flachen, extra für den TV3 zugeschnittenen Sockel als Lautsprecher (LTV). Und damit der TV3 auf dem Fussboden auf Wunsch in jede Position gerollt werden konnte, stellte a/d/s/ noch zum Schluss ein Rollbord (RB 1) her. Ein weiterer Service bot die Multiroom Anlage. Über die RC1 Fernbedienung war es möglich, mit dem Infrarot-Auge (RR1) die atelier Anlage aus sämtlichen Räumen der Wohnung fern zu bedienen, beziehungsweise selektiv zu steuern.
Das von a/d/s/ angebotene Lautsprecherprogramm war in den 80er Jahren sehr umfangreich in unterschiedlichsten Leistungen im Angebot, die ausnahmslos in Kronberg gefertigt wurden. Dem Buch 'Braun+Design Collection' können Sie alle Lautsprechertypen der 80er Jahre entnehmen.
Die weiteren geplanten atelier Geräte
Von Peter Hartwein erfuhren wir, dass ein kleiner Farbfernseher, TV2 mobil (55cmBildröhre) und eine kleinere atelier Anlage mit R30 und CD30 in der Planung waren. Außerdem Fernseher TV5 mit Rauchglasabdeckung vor der Bildröhre und atelier 50 für höchste Ansprüche, mit einer durchgehenden Glasabdeckung für das Anzeigenpaneel.
Beide Geräte wurden unter anderem auf der Ausstellung '40 Jahre Braun Design', 1995 im Braun Firmen Foyer in Kronberg gezeigt.
Sammler Hinweise
Die atelier Geräte werden zur Zeit noch ausschliesslich als HiFi Musikanlage bei den Sammlern verwendet und gelten nicht direkt als Sammlerstücke. Spekulativ gesehen ist die kleine R2 mit CD2/3 und C2/3 Anlage in kristallgrau durchaus prädestiniert, eine besondere Wertigkeit in dieser Richtung zu bekommen. Ebenso die grosse Anlage mit CC4, PA4 und CD5 in kristallgrau. Dagegen sprechen allerdings auch die relativ hohen Stückzahlen.
Text: Jo Klatt
Fotos: Braun GmbH und Jo Klatt
Wir danken Peter Hartwein, Rainer Hebermehl, Reinhold Brum, Bernhard Scharf und weiteren für ihre freundliche Unterstützung bei der Zusammenstellung von Fakten und Daten.
Quelle:
Klatt, J.: atelier HIFI Bausteine – die letzten HIFI Geräte von Braun. In: Design+Design 55, Hamburg März-Mai 2001, 4-10