Hartmut Jatzke-Wigand
 

Jo Klatt

Das 'Gesicht' der Lautsprecher


Die Frontseiten der Braun Lautsprechereinheiten

 

Das neue Braun Gestaltungskonzept, 1955 auf der Düsseldorfer Rundfunk-, Fernseh- und Phono-Ausstellung vorgestellt, befaßte sich nicht nur mit der Frage, wie sollte das Gehäuse eines Rundfunkgerätes im Kontext der Möbel im 'Internationalen Stil' aussehen? Die meisten dort zum ersten mal gezeigten Geräte wurden von der HfG Ulm unter Hans Gugelot gestaltet - es gingen mehr Überlegungen um das 'Sachgemäße' voraus.

 

Ein Gerät sollte leicht und verständlich zu bedienen sein. Es sollte in der Form nicht verheimlichen, daß es ein technisches Gerät ist. So erhielt das Rundfunkgerät G 11 eine Lautsprecher-Schlitzabdeckung aus hellem Ahornholz. Ein weiteres Gerät, das TS-G besaß für die Lautsprecherabdeckung aufwendige, nach unten weisende Holzlamellen. Sie deckten außerdem die seitlichen Lautsprecher, sowie die Belüftung auf der Rückseite ab.

 

Beide Lösungen und die der Phono-Kombination PK-G waren zu den Geräten der damaligen Konkurrenten ein gewaltiger Kontrast. Denn die typische Lautsprecherabdeckung der 50er Jahre war ein dicker, mit Goldfäden durchgewebter Baumwollstoff.

 

Zugegebenerweise sind beide Lösungen nicht sehr vorteilhaft für eine gute Lautsprecherabstrahlung. Hier muß man die damaligen technischen Erkenntnisse der Industrie und die Qualitätsansprüche der Käufer berücksichtigen.

 

Die Schlitzabdeckung setzte sich, in den von Braun zum erstenmal in den separat aufzustellenden Lautsprechereinheiten fort. Der L 1 (1957) war der erste in seiner Bauart, konnte für die Radio-Phono-Kombination atelier 1 verwendet werden und später mit zwei Boxen als Stereogerät ergänzt werden. Der 'Schneewittchensarg' SK 4 (1956) erhielt ebenfalls als Lautsprecherabdeckung waagerechte Schlitze.

 

Nur einige Braun Musikschränke und Radios erhielten die 'vom Markt' verlangte Lautsprecherabdeckung aus Stoff. Allerdings in einer schlichten Ausführung.

 

Bei dem Taschenempfänger (T 3, 1958) setze sich eine Lochabdeckung durch und beim Kofferempfänger (transistor 1, 1959) mehr die bekannte Schlitzabdeckung. Der kleine Kofferempfänger exporter 1 (1954) zeigte schon die ersten Ansätze. Eine besonders schöne Variante erhielt das RT 20 (1961).

 

Bevor das erfolgreich verwendet , leicht gewalzte Aluminiumgeflecht als Abdeckung eingesetzt wurde, verwendete man zum Beispiel für die kleine Box L 01 (1958) und die elektrostatischen Lautsprecher LE 1 (1958), schwarz lackiertes Lochblech. Diese Lochabdeckung fand später (1972/73) bei den Kunststoffboxen L 260 und L 308 eine neue Anwendung.

 

Die große Zeit der Lautsprechereinheiten begann mit der L 40, L 20, L 50, L 60 und die flache L 45/46 (1961-1964). Sie alle erhielten als Abdeckung zum ersten Mal das bekannte Aluminiumgeflecht. Durch das leicht angewalzte Metall entstand eine besondere Reflexion, die die klare und durchsichtige Musikwiedergabe optisch unterstützte. In der Branche verwendete man gern dafür den Begriff 'Taunussound '.

 

Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre entstanden neue Lautsprechereinheiten mit deutlich stärkeren Radien und gleichzeitig neuen Frontseiten mit gelochtem, eloxiertem Aluminiumblech wie die Einheit L 710 und L 810. Die Lautsprecherform paßte sehr gut zu den Braun HiFi-Anlagen der studio 1000, 500 und 250, sowie die Steuergeräte der damaligen Zeit.

 

Eine weitere wesentliche 'Gesichtsveränderung' der Braun Lautsprechereinheiten ergab sich bei der Einführung der L 830, L 630, L 530 mit der passepartout ähnlichen und gewölbten Frontseite aus Lochblech. Eine weitere Variante waren die L 200 und output compact mit zusätzlich stark nach vorn gewölbten Frontseiten.

 

Anfang der 80er Jahre entstanden bei Braun verschiedene Lautsprechern für unterschiedliche Anwendungen und Aufstellungen. Fast alle zeichneten sich durch eine nach vorn gewölbte Lochblende aus. Die Krönung dieser Gestaltungsanwendung ist unumstritten die Studiomaster SM 2150. Die erste Braun Standlautsprechereinheit in Säulenform mit 2 Tief-, 2 Mittel- und 2 Hochtöner mit den charakteristischen Abdeckkörben aus Metall. Die Säulenform wurde später von fast allen Herstellern übernommen.

 

Das gestanzte Lochblech blieb bis zuletzt (M 9, 1990) das uneingeschränkte Abdeckmaterial der Lautsprecher mit einigen Veränderungen. So erhielten die LS Lautsprecher (1982) eine Frontseitenform, die der atelier Serie entsprach.

 

Eine besondere Serie von Lautsprechern stellten die Braun Auto-Lautsprecher (1982) dar. Teils als runde Form mit nach vorn gewölbtem Gittergewebe. Eine damalige neue Einbauform, die bald auch von einigen Firmen übernommen wurde.

 

Die Frontseiten der Lautsprecher - hier sind nicht alle erwähnt - auch als das 'Gesicht' bezeichnet, wurden von den Designern jeweils sehr intensiv gestaltet und spiegelten die der Zeit zugehörigen Steuergeräte in ihrer Bauform wieder.

 

Die technische Leistung und Qualität ist der damaligen Zeit zuzuordnen und zu bewerten. Es ist müßig, sie mit den heutigen Lautsprechern zu vergleichen, die überwiegend ihre hervorragende Wiedergabequalität durch die Power der starken Leistungsverstärker erhalten, die früher nicht vorhanden war.

 

Es gibt allerdings Fans, die den L 1000 mit 13 Lautsprechern und 80 Watt Belastung den fast letzten bei Braun produzierten Studiomonitor LS 200 mit 4 Lautsprechern und 300 Watt Musikbelastung ohne zu zögern vorziehen. Ich kann das gut verstehen.

 

Laut Auskunft der Servicewerkstätten sind noch fast alle Lautsprecher zu reparieren.

 

Text: Jo Klatt

Fotos: Braun AG, Jo Klatt

 

 

Quelle:
Klatt, J.: Das Gesicht der Lautsprecher. In: Design+Design 42, Hamburg Dezember 1997, 5-14

powered by webEdition CMS