Hartmut Jatzke-Wigand
 

Jo Klatt

Die LE 1 erlebt einen 'zweiten Frühling'


Der elektrostatische Lautsprecher von Braun wird in Lizenz wieder hergestellt

 

Ausgelöst durch eine große Liebhabernachfrage nach dem elektrostatischen Lautsprecher LE 1 entschloß sich die Deutsche Ouad-Vertretung in Koblenz, den für Braun entworfenen Lautsprecher mit Ouad-lnnenleben wieder originalgetreu neu aufzulegen.

 

Mit Einverständnis von Dieter Rams wird der LE 1 wieder mit Original Ouad Flächenmembranen und verbesserter Elektronik in kleinen Stückzahlen per Handarbeit in Koblenz gefertigt. Dabei wurde von Dieter Rams bei der Lizenzvergabe großer Wert auf identische Nachbildung sowie der Verarbeitung und Qualität gelegt.

 

Die Neuauflage - für Braun HiFi-Produkte bisher einmalig - ist durchaus berechtigt, da die flächige Tonabstrahlung von Elektrostaten dem natürlichen Klangeindruck sehr entgegenkommt.

 

Der technische Vorläufer des LE 1 war der von Peter Walker für Ouad 1957 gestaltete und produzierte ESL 57, das Original. Der englische Elektrostat machte bei Unwissenden durch seine Form, Material und Farbe den Eindruck, es handele sich um 'so etwas wie eine Heizung'. Doch der Klang bekehrte diese Unwissenden schnell zu Wissenden und zu Liebhabern dieser Lautsprechertechnologie, die sich bis heute uneingeschränkt erhalten hat. Viele neuentwickelten Lautsprecher mußten dort im Test mit ihm schritthalten, wo er als Referenzlautsprecher verwendet wurde. Für kommerzielle Einsätze in Studios der Produktionsfirmen sehr wichtig.

 

Der 1981 eingeführte Nachfolgetyp, ESL 63 brachte eine erheblich größere 'Höriläche', für die Vermittlung des optimalen Raumeindruckes mit. Dadurch ist das optimale Mithören einer Aufzeichnung von mehreren Personen möglich. Diese Verbesserung erreichte Peter Walker, der von 1963 bis 1981 die Entwicklungsarbeit bei Ouad leitete.

 

Die Musikproduktion Tritonus, Stuttgart schrieb uns folgendes: 'Bestechend an diesen elektrostatischen Systemen sind vor allem die Impulstreue, der verfärbungsfreie Klang und der niedrige Klirrfaktor. Eine präzise Ortbarkeit der Instrumente und Stimmen erleichtert sehr die Klangbalance. Besonders hervorzuheben ist das gegenüber dynamischen Systemen ermüdungsfreiere Arbeiten mit diesen Lautsprechern, vor allem beim Digitalschnitt. Hier verwenden wir zusätzlich die Gradient Subwoofer zur Entlastung des Tieftonbereiches.'

 

Braun war Ende der 50er Jahre von der klaren und transparenten Wiedergabequalität des ESL 57 sehr angetan. Der Wunsch entstand, einen derartigen Lautsprecher zu der neu entwickelten studio 2 HiFi Anlage vorzusehen. Der Endverstärker erhielt spezielle Ausgänge mit je zusätzlich 220 V Wechelstrom, die für den Betrieb des eletrostatischen Systems erforderlich waren.

 

Über den EL 1 schrieb Dieter Rams in seinem Buch "Weniger, aber besser": 'Bei dem elektrostatischen Lautsprecher LE 1 von 1960 wurde eine großflächige, leichte Membran auf ihrer gesamten Fläche angetrieben. Die Wiedergabequalität war eindrucksvoll klar und transparent. Sie entsprach dem Charakter der Musik, die wir in diesen Jahren besonders schätzten wie Jazz, aber auch die Musik des Barock.'

 

Für Braun war es klar, daß das Design nicht wie ein 'Rückenpolster von Omas Sofa' sein sollte, was in England durchaus angenommen wurde. Es mußte zu der von Braun neu entwickelten, klaren und strengen Gestaltung der Geräte passen.

 

Dieter Rams gab der vorhandenen Technik einen rechtwinkligen Gehäusekörper, welcher auf zwei dünnen Metallbeinen stand und gleichzeitig die Abstrahlschräge des LE 1 vorgab. Die 3 Hochton- und 2 Tieftonabstrahlflächen der Wandlerelemente, samt der Elektronik der Kaskadenschaltung für die Hochspannung brachte Dieter Rams ganz exzellent hinter einer leicht von unten nach oben gewölbten dunkelgrauen Lochgitterabdeckung unter. Obwohl der Körper des Lautsprechers sehr groß war, wirkte er durch seine schwarz/ lichtgraue Aufteilung und die geschickte Aufstellung trotzdem leicht. Braun fertigte damals nur ca. 500 Paar des LE 1 .

 

Die außergewöhnliche Form für einen Lautsprecher und der sehr hohe Preis schreckte viele Musikliebhaber vom Kauf ab. Obwohl damals sehr wenige verkauft wurden, tauchen heute ab und zu einige auf und werden zum Verkauf angeboten in unterschiedlichem Zustand und z.T. mit vagen Preisvorstellungen.

Technisch können gebrauchte Elektrostaten immer noch mit den Original Wandlersystemen von Ouad repariert werden, sowie mit einer neuen Schutzschaltung gegen hohe Leistungsschübe geschützt werden. Die Firma Ouad Musikwiedergabe GmbH in Koblenz beschäftigt sich mit derartigen Reparaturen schon seit längerer Zeit. Durch die deutlich steigende Nachfrage nach gut erhaltenen Braun EL 1 reifte der Gedanke, eine Neuproduktion des Lautsprechers aufzunehmen. Die Ouad Musikwiedergabe GmbH verhandelte daraufhin mit dem Designer Dieter Rams, dieser stimmte zu. So stand der erneuten Fertigung nichts mehr im Wege.

 

Es war durchaus vorstellbar, daß nur kleine Stückzahlen an Liebhaber der Technik und des Designs verkauft werden können. Daraus resultierte auch die sinnvolle Einzelfertigung per Hand, der Preis ist durchaus gerechtfertigt.

 

Äußerlich entspricht die Neuproduktion dem alten Original von 1960 bis auf das Typenschild und dem Vermerk, daß der Lautsprecher in Lizenz von Dieter Rams hergestellt wurde. Preis per Stück DM 3.490,--.

 

Text: Jo Klatt

Fotos: Ouad Musikwiedergabe GmbH, Tritonus Musikproduktion GmbH,

 

 

Quelle:
Klatt, J.: Die LE 1 erlebt einen 'zweiten Frühling'. In: Design+Design 50,
Dezember-März 2000, 4-7

powered by webEdition CMS