Hartmut Jatzke-Wigand
 

Günter Staeffler

Braun Design by Reinhold Weiss, Teil 1


Anläßlich des 65.Geburtstages von Reinhold Weiss stellen wir eine Auswahl seiner Arbeiten in einem mehrteiligen Beitrag vor.

 

Reinhold Weiss, geboren am 10. Mai 1934 in Stuttgart, besuchte die Freie Walldorfschule Stuttgart der Rudolf-Steiner-Schule und lernte Tischler bei der Möbelfabrik Erwin Behr (heute Behr International). Beim Architekturbüro Steim+Mühleisen in Stuttgart absolvierte er ein zweijähriges Architektur-Praktikum. Von 1955 bis 1959 studierte er an der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm bei Hans Gugelot und schloß mit dem Diplom der HfG Ulm ab. Von1959 bis 1967 war er als erster von insgesamt nur zwei 'Ulmer' Absolventen in der Braun Design-Abteilung tätig (1960 kam von der HfG Ulm noch Richard Fischer hinzu). Von 1962 bis zu seinem Ausscheiden bei Braun war Reinhold Weiss stellvertretender Abteilungsleiter.

 

1967 ging er in die USA als Executive-Designer zu Unimark International, eine der damals größten Design-Firmen weltweit. Dort war Reinhold Weiss als Vice President der Abteilung Produkt-Design bis 1970 tätig. Anschließend gründete er sein eigenes Design-Studio in Chicago. Zusätzlich war er 1989 für zwei Jahre Vice President für Design und Corporate Identity bei der Proton Corporation in Los Angeles und Taipei. Reinhold Weiss lebt und arbeitet in Evanston /Illinois, USA.

 

An der HfG Ulm war Reinhold Weiss unter anderem an der Weiterentwicklung des Möbel- Systems

'M 125' von Hans Gugelot beteiligt, entwickelte einen Staubsauger und ein Abfalleimer-Konzept. Seine Diplomarbeit in Ulm war die Entwicklung eines elektrischen Haushaltsbügelgerätes, das von Braun erworben, aber nicht realisiert wurde, da es inzwischen bereits die ersten Dampfbügeleisen gab.

 

Zu Beginn der Tätigkeit von Reinhold Weiss bei Braun bestanden für den Haushaltssektor noch keine spezifischen, dem späteren Braun Design charakteristischen Form-Leitbilder. Durch ihn wurden unmittelbar Methoden und Gestaltungsvorstellungen der HfG in die Braun Design-Abteilung integriert und mit ergänzenden formalen Ideen durchsetzt. Er gestaltete vornehmlich im Haushaltsgerätebereich unter der Direktion des Vorstandsmitgliedes Hagen Gross eine ganze Reihe von Braun Klassikern höchsten Anspruches. Wie kein anderer verstand er in Zusammenarbeit mit Technikern die Werkstoffe Metall und Kunststoff zu fast skulpturalen und funktionalen Gebrauchsgegenständen zu formen. Sehr konsequent kombinierte er dabei in klaren Form- und Farbstellungen die unterschiedlichen Werkstoffe. Typisch für seine Arbeiten waren Metall chrom glänzend, Aluminium matt eloxiert, Kunststoff schwarz, weiß und sehr sparsam auch hellgrau. Immer ein Zusammenspiel von hell und dunkel um damit den Kontrast der Formen zur Wirkung zu bringen. Auch kleinste Details waren konsequent gestaltet.

 

Für viele Braun Geräte, wie den Tischlüfter, den Kombinationsgrill und die Haartrockner gab es keine Vorbilder auf dem Markt. Seine Arbeiten sind sowohl in konzeptioneller Hinsicht als auch im Design innovative Pionierbeiträge.

 

In diesem mehrteiligen Beitrag wird eine Auswahl der Geräte, die unverkennbar seine Handschrift tragen vorgestellt. Keines dieser Braun Erzeugnisse sollte in einer Design- Sammlung fehlen. In ihrem formalen Anspruch haben sie ihre Gültigkeit über Jahrzehnte behalten, wenn auch die Entwicklung zwischenzeitlich andere technische Lösungen ermöglicht. Es ist gleichzeitig eine späte Würdigung von Reinhold Weiss, der wesentlichen Anteil an der frühen Design-Entwicklung und -Kultur bei Braun hatte. Seine Arbeit beeinflußte die gesamte Stilentwicklung, gab wichtige Impulse und bereicherte das Braun Programm um einige Design-Ikonen.

 

Seine damalige Tätigkeit bei Braun, vorwiegend im Bereich Haushaltsgeräte, beschreibt Reinhold Weiss wie folgt: „Da ich beachtlichen Anteil meiner Dienstzeit bei Braun mit Grundsatzuntersuchungen und langfristig projizierten Entwicklungen ausfüllte, ist die Anzahl derjenigen Entwürfe, die mir möglich blieb bis zur Marktreife durchzuziehen, relativ klein. Diese wenigen jedoch waren in ihrer charakteristischen Substanz Standard für die Evolution der Produktgestaltung bei Braun geworden und haben in ihrer wegweisenden Eigentlichkeit einen fundamentalen Anteil am Rufe des Braun Design. Dieser Einfluß wird auch dadurch sichtbar, daß viele Ergebnisse aus der Zeit nach meinem Ausscheiden deutlich ihre Denkanstöße aus meinen verwirklichten und unverwirklichten Entwürfen erkennen lassen und bis heute innovative Elemente meiner Gestaltungslösungen von vor rund 35 Jahren adoptieren. Daß die durch sie manifestierte Richtung richtig war ist dadurch bestätigt, daß einige von ihnen zu denjenigen Braun Produkten zählen, die über Jahrzehnte produziert wurden. Sie werden selbst nach zeitgenössischen Maßstäben in ihrer Formgebung mit allen integrierten Designaspekten noch heute als gültig erachtet. Die Kaffeemühle KMM 1 war zum Beispiel in ihrer Grundform rund 35 Jahre auf dem Markt."

 

Tangential-Tischlüfter Multiwind HL 1, 1961

 

(Entwurf 1960)

Material Kunststoff und Metall.

Höhe 13 cm, Breite 14 cm, Tiefe 7 cm.

Gewicht 0,8 kg.

Preise HL1 DM 49,--, HL11 DM 64,--.

 

Der H 1 war ein ausgesprochen elegantes, zu seiner Zeit bahnbrechendes Gerät, ausgestattet mit einer neuartigen Lüfterform, einem Tangentialgebläse mit Lüfterwalze. Angetrieben wurde der H 1 von einem 220-Volt-Motor. Für dieses Lüfterkonzept gab es kein Vorbild.

 

Der höchst zweckmäßig gestaltete Tischlüfter folgte im Aufbau einfachsten geometrischen Gesetzen. Die klare Trennung von statischen und beweglichen Teilen war dennoch in einer Gesamtform zusammengezogen. Der zylindrische Ventilator folgte der Bauform des Motors mit dessen kreisrunden Stator. Mit der in der Bodenplatte angebrachten Halterung konnte man den HL 1 auch an die Wand hängen. Die Aufhängung des Motorgehäuses mit der Tangentialwalze und der Acrylglasabdeckung an dem dazwischen montierten Ständer ermöglichte die Richtungsverstellung des Luftstromes. Der HL 1 war besonders laufruhig und hatte einen hohen Wirkungsgrad. Hans Wichmann bezeichnete in einer Veröffentlichung den HL 1 „als eine Design-Pretiose von kleinplastischer Durcharbeitung". Es gab die Ausführungen Tischlüfter HL 1 hellgrau, HL 11 graphit, Autolüfter HL 2/23 dunkelgrau und braun.

 

Toaster HT 1, 1961

 

(Entwurf 1960) Material schwarzer Kunststoff und verchromtes Metall poliert.

Höhe 14,3 cm, Breite 29,7 cm, Tiefe 6 cm.

Gewicht 1,6 kg.

Preis DM 46,50.

 

Der HT 1, die Urform aller Langschlitztoaster, machte auch das Rösten großer Brotscheiben möglich, eine Eigenschaft durch die sich der Braun Toaster damals von anderen Geräten unterschied. Der HT 1 war noch nicht mit einer automatischen Abschaltung ausgestattet. Die Bedienung erfolgte über einen obenseitigen Netzschalter auf dem breiteren Geräteteil. Mit einer seitlichen Aushebetaste mußte die Toastscheibe auf ihren Bräunungsgrad kontrolliert und rechtzeitig entnommen werden.

 

Revolutionär war die lange und schmale, nur 6 cm tiefe rechteckige Form des HT 1. Die gute Zusammenarbeit von Reinhold Weiss mit C. C. Cobarg, der damals von Artur Braun mit dem Aufbau der Entwicklungsabteilung für Wärmegeräte beauftragt war, begann mit dem Toastgeräten HT 1/HT 2. Hierfür entwickelte C. C. Cobarg ein technisches und formelles Konzept, das Reinhold Weiss weitgehend übernehmen konnte.

 

Reinhold Weiss hatte den HT 1 auf die 'Nichtfarben' Schwarz und Chrom reduziert. Durch die breite, seitlich und unten schwarz gerahmte, hochglänzende Metallfläche wirkte der HT 1 besonders streng und elegant. Diese Eigenschaften machten ihn bis heute zu einem Lieblingsgerät von Design-Sammlern. In der Ausgabe 23 von 'Design+Design' schrieb Peter Ziegler in einem ausführlichen Beitrag unter dem Titel 'Braun Toaster': „Diese ganzheitlich gekonnte Form ist nie wieder, auch von anderen Herstellern nicht, erreicht worden. Das Wort Ästhetik wird hier als greifendes Design-Beispiel demonstriert. Formale Einflüsse auf das 1966 vorgestellte erste Tischfeuerzeug von Braun sind unverkennbar".

 

Aufgrund seiner vorbildlichen Gestaltung wurde der Toaster HT 1 in die Sammlung des 'Museum of Modern Art', New York unter die schönsten Gebrauchsgeräte des Jahrhunderts aufgenommen.

 

Wir danken Reinhold Weiss für seine umfassende Unterstützung bei der Ausarbeitung der Beitragsreihe. Der 2. Teil erscheint in der nächsten Ausgabe von 'Design+Design'.

 

Die Arbeiten von Reinhold Weiss erhielten zahlreiche Auszeichnungen: 1962 waren der Tischlüfter HL 1, Toaster HT 1, Kombinationsgrill HG 1 und Expreßkocher HE 1 am 'Compasso d'Oro' für die Gesamtproduktion der Braun AG beteiligt. 1965 wurde Reinhold Weiss als Mitarbeiter des Braun Design- Teams der 'Berliner Kunstpreis der jungen Generation' verliehen. 1966 erhielt der Haartrockner HLD 2 den 'AID International Design Award' durch das Amerikanische Institut für Innenarchitekten. Die Chicago Houseware Show verlieh ihren 'International Design Award' 1966 für den Toaster HT 2 und 1968 für den Tischlüfter HL 1, die Kaffeemühle KSM 1, die Zitruspresse MPZ 1 (mit Robert Oberheim) und das Tischfeuerzeug TFG 1. Von 1968 bis 1982 waren Braun Produkte von Reinhold Weiss unter den ausgwählten Designs der 'Deutsche Jahresauswahl' des Design Center Stuttgart und in vier Jahren zwischen 1970 und 1977 erhielten seine Arbeiten den Design-Preis 'Gute Industrie Form' der Messe Hannover, 1967 Ehrenanerkennungen für den HT 2 und die KMM 1 sowie 1984 für die KMM 20 (mit Hartwig Kahlcke) bei der Biennale für Design in Ljubljana. Der Tischlüfter HL 1 und der Handrührer Multiquirl M140 wurden 1970 mit dem Bundespreis 'Gute Form' ausgezeichnet. 1982 erhielt Reinhold Weiss eine Goldmedaille der Industriemesse Brünn.

 

Als freischaffender Designer in den USA erhielt Reinhold Weiss 1971 für einen Feuer-Detektor, der bis heute auf dem Markt ist, und für ein HiFi-System den 'Annual Design Award' des Industrial Design Magazins. 1972 den 'AIGA-Award of Excellence' des Amerikanischen Instituts für Graphic Designers für Verpackungsdesign. 1972 war er als interdisziplinärer Team-Partner am 'AIA-Honor-Award', dem höchsten Preis des Amerikanischen Instituts für Architekten, für das Design eines Tankstellen-Modul- Systems beteiligt. Von 1978 bis 1990 erhielt er insgesamt 13 mal die 'CES Plaque', eine Auszeichnung für Innovation in Technik und Design der Consumer Electronics Show, Chicago und Las Vegas für HiFiund Videogeräte. 1979, 1980 und 1982 den 'HiFi Grand Prix Award' des Audio-Video Magazins und 1982, 1983 und 1990 den 'Taiwan Design Excellence Award' des CETDC (Entwicklungs- Rat für Chinesischen Außenhandel) für HiFi-Systeme und Fernsehgeräte.

 

Von Reinhold Weiss gestaltete Geräte sind unter anderem Bestandteil der ständigen Sammlung im 'Museum of Modern Art', NewYork, in der 'Neuen Sammlung', München, im 'Museum für Angewandte Kunst', Köln, im 'Museum für Gestaltung', Zürich, im 'Centre Georges Pompidou', Paris, im 'Design Museum', London und vieler weiterer permanenter Ausstellungen und Sammlungen.

 

 

Quelle:
Staeffler, G.: Braun Design by Reinhold Weiss Teil 1. In: Design+Design 48, Hamburg Juni-August 1999, 11-15

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