In zwei Beiträgen werden die audio-Geräte (lat. audio = hören) vorgestellt. Der erste Abschnitt behandelt die "Klassiker" in der markanten Rechteckform von audio 1 bis audio 310. Im zweiten Teil folgen die. Geräte von cockpit 250 bis audio-system P 4000.
Braun hat mit dem 1962 vorgestellten audio 1 eine revolutionäre Entwicklung bei den HiFi-Geräten eingeleitet. Die entscheidende Voraussetzung für die neue Geräteform in Kompaktbauweise war der inzwischen erreichte Entwicklungsstand der Transistortechnik, die es erstmals erlaubte, leistungsstarke Geräte in kleinen Abmessungen und in Flachbauweise herzustellen. Braun entwickelte eine Geräteform, die richtungsweisend für den gesamten HiFi- Bereich wurde. Das Konzept basierte auf Vorentwicklungen und Studien der HfG Ulm.
Der Systemgedanke der HfG Ulm
In den Jahren 1957 bis 1959 beschäftigte sich an der Ulmer Schule die Entwicklungsgruppe Gugelot für Braun mit einem HiFiBaukasten-System. Das System war zugleich die Diplomarbeit von Herbert Lindinger im Jahre 1958. Der vollständige Titel der Arbeit lautete: "Ein Baukastensystem für Apparate der akustischen und visuellen Informationsspeicherung und -übermittlung im Wohnbereich".
Im Frühjahr 1958 wurden die Ergebnisse Braun vorgetragen. Braun hat daraufhin die Realisierung übernommen. Verwirklicht wurden diese innovativen, der allgemeinen Entwicklung weit vorauseilenden Entwürfe erst 1962 durch Dieter Rams mit der Kompaktanlage audio 1 und dem Tonbandgerät TG 60.
Hans Gugelot beschrieb die Arbeit in seinem Vortrag "Der Designer in der heutigen Gesellschaft" im Mai 1963 in Stockholm wie folgt:
" ... eine für uns sehr interessante entwicklung, die ich ihnen nicht vorenthalten möchte, ist eine untersuchung, die wir im jahre 1958 auf dem gebiet der korrmunikationsgeräte durchführen konnten. es war das erste mal, dass wir für eine firma eine umfassende planungsarbeit durchführen konnten. zu dieser gerätegruppe gehören die hochfrequenzgeräte für den radioempfang, das telefon, die speichergeräte bandspieler und schallplattenspie!er, diktiergerät - dieses für akustische
information. für den visuellen bereich als speichergeräte die fotokamera, die film-
kamera, und als wiedergabe-geräte die diversen projektoren, und zusammenhängend visuell und akustisch das fernsehen, der tonfilm. in dieser arbeit war es beabsichtigt, mass-koordinationen vorzunehmen, gemeinsame gesichtspunkte für die aufstellung der geräte zu erarbeiten sowie die normierung der bedienungsmittel und skalen. selbstverständlich mussten die werkstoffe der gehäuse aufeinander abgestimmt werden. es mußte ausserdem abgestimmt werden, welche geräte zusammen funktionieren können und dazu archiv-systeme für schallplatten, tonbänder, für diapositive und filme. was ich ihnen hier zeige, ist ein teilergebnis aus der ganzen arbeit, es handelt sich um verstärkerbausteine, hochfrequenzbausteine und bausteine für die speicherung von akustischen informationen. für diese arbeit haben wir viele messungen vorgenonrnen, in welcher höhe man bedienungsmittel mit vertikaler und in welcher höhe mit horizontaler achse, in stehender oder auch in sitzender position bedienen kann. hier handelt es sich um den greifbereich. für den visuellen bereich liefen ähnliche untersuchungen für vertikale, horizontale und geneigte skalen, ebenso über die grösse von schriften in sinnvollen distanzen. wir sind auf interessante konklusionen gekonrnen, indem wir von bestehenden konventionen ausgingen, wie z.b. das lesen von links nach rechts und das drehen im uhrzeigersinn bei anzeigemechanismen mit stehenden skalen - also beweglichen zeigern - und beweglichen skalen und stehenden zeigern (index). einer der gewichtigsten gesichtspunkte, die dabei auftreten, ist, dass nur in seltensten fällen eine optimalisierung möglich ist.
wir haben feststellen können, wann die bedienungsmittel sich zu einer gruppe formieren und wann eine ordnung schwer abzulesen war. schon damals war uns bewußt, daß eine der wichtigsten aufgaben auf dem design-gebiet das ordnen ist, wir haben gelernt, dass wir bei der anwendung von wenig formalen mitteln zu den besten ergebnissen konrnen ... ".
Braun hatte diese Überlegungen in voller Konsequenz aufgenommen und weiterverfolgt. Dieter Rams gestaltete ein komplettes System von Bausteinen, die sich je nach Bedarf in verschiedenen Gruppierungen kombinieren lassen. Leider wurden nicht alle geplanten Geräte realisiert.
Produziert wurden in der ersten Serie: audio 1 Steuergerät mit integriertem Plattenspieler
TS 40/45 Steuergerät als Stand- und Wandgerät
PS 400 Plattenspieler
TG 60 Tonbandgerät als Stand- und Wandgerät
L 45, L 50, L 60 und L 450 Lautsprecherboxen
Wir stellen in diesem Beitrag davon das audio 1 und den TS 40/45 sowie die späteren audio-Geräte vor.
Überlegungen
Es gab eine enge konzepionelle Verbindung zwischen den audio-Anlagen und dem Vitsoe Wandregal system 260. Dieter Rams hatte für Vitsoe 1960 dieses Regalsystem entwickelt und dann später - 1962 - das audio 1 in das Formatraster mit einbezogen. Breiten und Höhen und Tiefen waren identisch. Ein spezielles Einhängeblech für das audio 1 und für die Lautsprecher L 45, L 46 wurden von Vitsoe als Zubehör geliefert. Braun und Vitsoe haben sich somit in ihren Entwicklungen ergänzt. Der Systemgedanke der HfG Ulm wurde hier in überzeugender Form weiterentwickelt.
Das Ordnungssystem der audio-Geräte am Beispiel des audio 300.
Im grafischen Bild der Beschriftungen und Skalen manifestiert sich in gleicher Weise Ordnung, Klarheit und Deutlichkeit, wie in der Formgestaltung der Geräte.
Form
Alle Geräte sind betont rechteckig, ohne weiche Kanten und Übergänge. Lediglich die Plexiglasabdeckungen sind an den Längskanten gerundet. Die Ordnung im Design der Aufsichtsseiten ist auffallend streng. Alle Elemente sind in ein Ordnungs-System einbezogen und bilden stumme Bezugslinien. Die Bedienungselemente sind auf einer Ebene griffgünstig angeordnet und setzen sich in der Positionierung auch beim Tonbandgerät fort. Die Klangregler (Lautstärke, Balance, Höhen, Tiefen) sind als Gruppe zusammengefaßt, die Wellenbereichstasten und Abstimm-Drehknöpfe den jeweiligen Skalen zugeordnet. Dadurch entsteht ein "technisch präzises" Aussehen, das durch die zurückhaltende Typographie unterstützt wird.
Farbe
Die Gehäuse aus Stahlblech haben eine weiße oder graphitfarbene Beschichtung. Die Abdeckplatten sind aus eloxiertem Alumunium silberfarbig. Der Grauton der Bedienungsknöpfe harmoniert mit den Gehäusefarben und den Abdeckplatten. Dezente Farbakzente werden beim audio 2 und bei späteren Geräten durch einzelne Tasten (ein/aus, UKW) gesetzt.
Abmessungen
Die Grundmaße für die audio sind: Breite 65 cm, Tiefe 28 cm und Höhe 11 cm. Mit Abdeckung Höhe 16 cm (audio 1) und danach 17 cm.
Auf die Tiefe und Höhe sind das Tonbandgerät TG 60 , der Plattenspieler PS 400 (zum TS 40/45) und die Lautsprechereinheiten L 45 und L 46 (später L 450) abgestimmt. Die Lautsprechereinheiten L 50 und L 60 (später L 60-4, L 61) haben die Breite und Tiefe der audio Geräte. Das Gerät kann daraufgestellt werden.
audio 1 (TS 40)
Stereo-Steuergerät mit Plattenspieler PC 45
Erstes volltransistoriertes Netzgerät für UKW, KW, LW und MW mit großer Ausgangsleistung. Audio 1 wurde als UKW-Stereo-Gerät entwickelt und in der Exportausführung auch mit eingebautem Stereodekoder geliefert. Bei der Inlandsausführung wurde bis zur Aufnahme von Stereo-Sendungen der vorgesehene Einbauplatz freigelassen. Das Nachrüsten mit dem Dekoder TD 401 ist durch Steckverbindungen besonders einfach. Audio 1 war ohne Einschränkungen "zukunftssicher". In der damaligen Zeit ein Rundfunkgerät für höchste Ansprüche. Gehäuse Stahlblech weiß oder graphit , Abdeckplatte Aluminium eloxiert, Deckel aus Plexiglas. Alle Bedienungselemente sind übersichtlich und in klarer formaler Gliederung angeordnet.
Die Zeitschrift HiFi Stereophonie schrieb 1962 zu dem Gerät: "In ihm zeigen sich Entwicklungslinien ab, die den Gerätebau der Zukunft entscheidend bestimmen werden." Diese Voraussage ist uneingeschränkt eingetroffen.
Der Plattenspieler ist formal abgegrenzt in die Gehäuseoberseite eingelassen und mit Kristall-Tonabnehmer bestückt. Eine halbautomatische Absenkeinrichtung erleichterte das Aufsetzen des Tonarms. Empfohlene Lautsprechereinheiten waren L 50 mit Metallkufen als Standlautsprecher oder L 45 und L 46 zur Wandaufhängung. Das audio ist durch seine ansehnliche Rückseitengestaltung frei im Raum aufstellbar. Die Abmessungen 65 cm breit, 28 cm tief und 16 cm hoch (mit Plexihaube) Preis: DM 1.090,-- (Dekodereinbau DM 200, - -)
Das audio 2 wurde mit zwei Rückseitenvarianten gefertigt. Bei der späteren Serie lagen die Anschlüsse an der Geräteunterseite.
audio 1 M
Stereo-Steuergerät mit Plattenspieler PC 45
Ausführung wie audio 1, jedoch mit magnetischem Tonabnehmersystem Shure M77 und eingebautem Stereo-Entzerrer-Vorverstärker (VM 1) . Preis: DM 1.250,--
TS 40 Stereo-Steuergerät
Ausstattung wie audio 1, jedoch ohne Plattenspieler und nur in weiß. Das Besondere des TS 40 ist, daß es wie ein Bild an die Wand gehängt werden kann. Das äußerliche Unterscheidungsmerkmal zwischen TS 40 und TS 45 ist der Netzschaltknopf. Das TS 40 hatte einen schwarzen Kippschalter, das TS 45 eine grüne Drucktaste. Die Abmessungen: 48 cm breit, 28 cm tief und 11 cm hoch.
audio 2 (TC 45)
Hi Fi-Stereo-Steuergerät mit Plattenspieler PS 400
Ein volltransistoriertes Gerät für UKW, KW, LW und MW und wirklicher HiFi-Wiedergabe mit 2 x 20 Watt Musikleistung und 2 x 12 Watt Sinusleistung. Empfangsbereit für Stereo-Rundfunksendungen. Eine grüne Kontrollampe leuchtete auf, sobald stereophonische Sendungen empfangen wurden. Der Plattenspieler PS 400 war im Gegensatz zum audio 1 in eine ganzflächige Aluminiumplatte integriert und hatte einen größeren Auflageteller. Die obere Abdeckung des Plattenspielers war identisch mit dem des Einzelplattenspielers PS 400. Während der Produktionszeit wurde die Anordnung der zuerst rückseitigen Anschlüsse (wie audio 1) geändert in verdeckte Anschlüsse an der Unterseite des Gerätes (wie TS 45). Erstmals waren die Anschlüsse bei einem Kompaktgerät im Boden versenkt untergebracht.
Sehr instruktiv und übersichtlich mit vielen Detailaufnahmen ist der Prospekt zum audio 2 gestaltet. Es ist einer der schönsten HiFi-Prospekte von Braun.
Die Ausführungen und Abmessungen sind wie beim audio 1. Das Gerät ist, bedingt durch
den geänderten Plattenspieler mit Plexiglashaube, 1 cm höher. Preis: DM 1.590,--
TS 45
Stereo-Steuergerät
Ausstattung wie audio 2 (mit Drucktaste als Netzschalter), jedoch ohne Plattenspieler. Es gab das TS 45 in zwei Leistungsstärken zur Auswahl. 2 x 12 Watt Sinusleistung mit 2 x 20 Watt Musikleistung und 2 x 15 Watt Sinusleistung mit 2 x 25 Musikleistung. Das Gerät konnte wie das TS 40 flach an die Wand gehängt werden. Dafür wurden Aufhängeösen angebracht und die Anschlußbuchsen versenkt auf der Unterseite angeordnet, so daß die Stecker nicht überstehen. Die Maße: 40 cm breit, 28 cm tief und 11 cm hoch. Preis: DM 1.145,--
In Technik und Form zum TS 45 passend sind der Plattenspieler PS 400 und das Tonbandgerät TG 60 sowie die Lautsprecher L 450. Bei der Wandbefestigung der Lautsprecher, des TS 45 und TG 60 nebeneinander, entsteht ein technisch bildhafter Phonofries.
TC 20
Stereo-Steuergerät mit Plattenspieler PS 2
Das TC 20 war eine leistungsschwächere und preisgünstigere Variante des audio 1. Ein volltransistoriertes Gerät für UKW, MW und LW. Nach Einbau des Dekoders TD 20 konnten auch Stereo-Rundfunksendungen stereophon wiedergegeben werden. Ausgangsleistung 2 x 4,5 W Sinusleistung. Empfohlene Boxen L 20 und L 25.
Gehäuse Stahlblech und Kunststoff hellgrau oder graphit . Abdeckplatte weiß lackiert und bei der graphitfarbenen Ausführung graphitfarben lackiert. Das Gerät ist konsequent durchgestaltet, wirkt jedoch leicht und ist in Ausführungsdetails (z.B. Plexiglashaubenhalterung) einfach gehalten. Abmessungen: 52,2 cm breit, 24,5 cm tief und mit Plexiglasabdeckung 14,5 cm hoch. Preis: DM 795,--
audio 2/3
HiFi-Stereo-Steuergerät mit Plattenspieler PS 410
Die gesamte Ausführung war wie beim audio 2, lediglich die Leistungsdaten sind geändert in 2 x 15 Watt Sinusleistung und 2 x 25 Watt Musikleistung und der Plattenspielertyp. Die Lackierung war weiß oder in anthrazitgrauem Kräusellack. Preis: DM 1.590 ,--
audio 250
HiFi-Stereo-Steuergerät mit Plattenspieler PS 410
Das audio 250 war optisch fast mit dem audio 2/3 gleich, hatte jedoch ein geändertes Innenleben beim Rundfunkempfangsteil. Äußerlich war dies erkennbar an der Zusatztaste "ferrit" und der Skalenbedruckung. Die Lackierung war weiß oder anthrazitgrauer Kräusellack. Die Plexiglashaube ist seitlich geschlossen. Dies nahm dem Gerät etwas von seiner Eleganz. Preis: DM 1. 780, --
Reizvoll sind die neuen, zum Gerät passenden runden Lautsprecher L 460.
audio 300
HiFi-Stereo-Kompaktanlage mit Plattenspieler PS 420
Das audio 300 von 1969 war eine in den Leistungsdaten weiterentwickelte Version des audio 250. Das Gerät hatte 2 x 20 Watt Sinusleistung und 2 x 30 Watt Musikleistung. Bei der Gestaltung und Anordnung der Bedienungselemente wurden einige Veränderungen vorgenommen. Die vergrößerte Feldstärke-Anzeige sitzt zwischen den beiden Sendereinstellknöpfen, und die Reglerknöpfe haben als Zugschalter Zusatzfunktionen. Die UKW-Sendertaste ist rot. Die Bezeichnung audio 300 ist auf der Gehäuseoberseite aufgedruckt. Die Lackierung ist weiß oder anthrazitgrauer Kräusellack. Der Preis: DM 1.895,-- Die Zeitschrift fono form schrieb zum audio 300 im Jahre 1970: "Seit nahezu einem Jahrzehnt in unveränderter äußerer Konzeption, aber in ständig verbesserter Technik. Audio von Braun: VW-Käfer der deutschen HiFi-Industrie".
audio 310
Stereo-Kompaktanlage mit Plattenspieler PS 430
Das audio 310 unterschied sich vom Vorgängermodell nur durch die Kopfhöreranschlußbuchse unter die Sendereinstellknöpfen, den Anschluß für zwei Lautsprecherpaare und den geänderten Plattenspieler. Es war das letzte Gerät in der klassischen audio-Form und -Ausstattung. Bis 1973 wurde es produziert. Der Preis: DM 1.895,--
Fußgestelle
Als Zubehör für die audio und die Kombinationen mit Tonbandgeräten und die später hinzugekommenen TV-Geräte hat Braun ein Fußgestellsystem (Känguruh-Füße) entwikkelt. Es war nach dem Anbauprinzip konstruiert und sowohl als Einzelelement als auch zusammenhängend aufstellbar. Teil des Systems war ein Ablagefach für Schallplatten und Tonbänder.
Die Prospekte für die audio waren im Gestaltungsraster der HfG Ulm ausgeführt und für die damalige Zeit ungewöhnlich sachlich und übersichtlich.
Die audio-Geräte erhielten unzählige internationale Auszeichnungen. Es gab kein Gerät ohne Prädikat. Das Spektrum reichte vom Museum of Modern Art New York über Gute Industrieform bis zur Goldmedaille Triennale Mailand.
Hinweise für Sammler:
Für Sammler ist das erste Gerät der audio Serie, das audio 1 mit den Standlautsprechern L 50, besonders interessant. Eine Ergänzung sind das audio 2 oder 250 mit dem flächig einbezogenen Plattenspieler. Das Stereo-Steuergerät TS 40/45 gehört in seiner zeitlos nüchternen Ästhetik in jede Braun-Sammlung und ist deshalb ein gesuchtes Objekt.
Wir danken allen, die uns bei der Ausarbeitung des Beitrages unterstützt haben.
Günter Staeffler
Fotos: Braun AG und form 49, März 1970
Quelle:
Staeffler, G.: Die Braun audio Teil 1. In: Braun+Design 12, Hamburg Dezember-Januar 1988-89, 4-19