Hartmut Jatzke-Wigand
 

Günter Staeffler

Braun Trockenrasierer. Die ersten 20 Jahre.


Begonnen hat die Braun Rasierer-Geschichte bereits 1942. Damals entschied sich der Firmengründer Max Braun, angeregt durch die Trockenrasierer von Philips und Sunbeam, für die Entwicklung eines eigenen Gerätes. Nach seiner konstruktiven Idee wurden 1945 erste Handmuster gefertigt. Die äußere Form entstand auf dem Reißbrett nach Zeichnungen der Braun Mitarbeiter Eugen Engert und Erwin Herborn und nach einem Holzmodell von Artur Braun, der seinen Vater bei der Entwicklung und Produktion des S 50 unterstützte.

 

'S 50' 1950

 

Anläßlich der Frankfurter Frühjahrsmesse 1950 war es soweit. Braun präsentierte seinen ersten Trockenrasierer, den S 50 mit Scherblatt-System und Schwingankermotor. Das anfangs nur in schwarz produzierte Gerät lag mit Netzkabel, kleiner Putzbürste und Bedienungsanleitung in einer Kunststoffbox mit durchsichtigem Deckel. Die Version in hellem Elfenbein kam erst kurze Zeit später auf den Markt, ebenso die Ausführung mit Spannungsumschalter von 220 auf 110 Volt.

 

Als Zubehör gab es ein Scherblatt in Langloch-Ausführung, eine Wandhalterung, ein Reise-Etui aus Leder und Netzschnüre bis zu 5 m Länge. Der S 50 kostete damals in der Standardausführung DM 39,50 und mit Spannungsumschalter DM 44,50.

 

Wohl die wichtigste und weltweit bekannteste Produktlinie der Braun AG ist das Rasierer-Programm. Kein anderes Unternehmen hat die Entwicklung und Formgebung von Trockenrasiergeräten so nachhaltig beeinflußt.

 

'300 de Luxe' 1953

 

Als zweiter Rasierer erschien zur Frankfurter Frühjahrsmesse 1953 der 300 de Luxe. Er hatte bereits die Grundform der späteren Braun Rasierer. Zusammen mit einem grünen Lederetui kostete er DM 69, -. Der 300 de Luxe war Grundlage eines Vertrages für den Vertrieb und die Lizenzfertigung von Braun Rasierern in den USA mit der Firma Ronson, dem bekannten amerikanischen Hersteller von Feuerzeugen. Mit einem Volumen von 10 Mio. Dollar (Wert des Dollar DM 4,- 1954) war dies 1954 das größte Konsumgütergeschäft nach dem Kriege.

 

'300 Special DL 3' 1955

 

Als 300 Special/ DL 3 bekam der 300 de Luxe ein weißes Gehäuse und ein großes Braun Typenschild mit dem von Wolfgang Schmittel überarbeiteten Firmenzeichen, das bis heute unverändert beibehalten wurde. Der Scherblattrahmen war anfangs aus hellbraunem Kunststoff und später aus verchromtem Metall. Es gab die Varianten Scherkopf hellbraun mit rotem Braun Typenschild und Scherkopf verchromt mit rotem und braunem Typenschild. Für die Netzschnur entwickelte Artur Braun einen neugestalteten Stecker. Formale Anregungen dazu erhielt er von Prof. Wilhelm Wagenfeld. Der 300 Special kostete DM 68,-. Es gab ihn in einer weißen Kunststoffbox oder im grünen, später auch im braunen Lederetui.

 

Mit dem Erfolg des combi nahm Braun weiteren erheblichen Einfluß auf die Veränderung der Rasiergewohnheiten in Deutschland. Immer mehr Männer stiegen von der bis dahin immer noch dominierenden Naßrasur auf die Trockenrasur um.

 

'combi DL 5' 1957

 

Der combi war der erste Braun Rasierer mit Langhaarschneider und 3-Jahres-Garantie. Das kombinierte Schersystem mit Langhaarschneider wurde typisch für alle weiteren Rasierer-Entwicklungen. Die Form lehnte sich an die beiden Vorgängermodelle an. Die Gehäuseteile erhielten eine gleichmäßige Riefenstruktur. Das Braun Logo wurde als eingeklebtes graues Schild mit roter Schrift wohlproportioniert angeordnet. Mit dem praktischen Kunststoffetui kostete der combi DM 62,-. Das Etui war eine Entwicklung von Ronson, die Braun übernommen und formal überarbeitet hatte. Der combi ist Bestandteil der Designsammlung des Museum of Modern Art, New York. Für die Formgestaltung waren, unter der Leitung von Dr. Fritz Eichler, Gerd Alfred Müller und Dieter Rams verantwortlich.

 

'S 60 und S 61 Standard' 1959/60

 

Der S 60 Standard 1 war als Nachfolger für den S 50 gedacht. Es war ein einfacher kleiner schlanker Rasierer. Das weiße Gehäuse hatte einen eingefrästen schwarz ausgelegten Braun Schriftzug. Der verchromte Scherkopf war ohne Langhaarschneider. Ab 1960 gab es zusätzlich den S 61 Standard 2 mit weißem Gehäuse, schwarzem Schriftzug und verchromten Scherkopf mit Langhaarschneider. Das Design der eleganten Rasierer, die insbesondere wegen ihrer Handlichkeit auch für den japanischen Markt gefertigt wurden, stammte von Gerd Alfred Müller.

 

'SM 3' 1959

 

Ein richtungsweisendes Rasiergerät war der SM 3. Gerd Alfred Müller überarbeitete das noch etwas dickbauchige Gehäuse des combi. Es entstand der Vorläufer des berühmten sixtant. Das Scherblatt hatte Sichelschlitze und war noch nicht ausknöpfbar am Scherkopf mit Schrauben befestigt. Innerhalb der mehrjährigen Produktionszeit gab es zwei Varianten des glattweisen Gehäuses. Eine mit eingefrästem und grau ausgelegtem Logo und eine weitere mit eingeklebtem rechteckigem Braun Typenschild. In einer Lederkassette mit Rasierspiegel kostete der SM 3 DM 89,-. Als Zubehör gab es eine Wandhalterung aus verchromten Metall. In zahlreichen Warentests erhielt der SM 3 Auszeichnungen.

 

'sixtant SM 31 ' 1962

 

Hans Gugelot entwickelte an der HfG Ulm 1961 ein Rasierermuster mit strichmattiertem schwarzem Kunststoff unter Beibehaltung der Grundform des von Gerd Alfred Müller gestalteten SM 3. Er entsprach auf Anhieb den Vorstellungen von Erwin Braun und Dr. Fritz Eichler. Beide wollten den zukünftigen Rasierergeräten eine höherwertige Anmutung vermitteln. Gugelot hatte dem SM 3-Gehäuse durch leicht veränderte Radien eine noch etwas weichere Form gegeben und den Präsentationswert mit der Farbkombination schwarz und silber gesteigert. Beim sixtant wirkten jedoch nicht Form und Farben alleine, sondern die haptisch und optisch eindrucksvolle Oberflächenbearbeitung. Durch das Bürsten erschienen die einfachen Materialien Kunststoff und Chrommetall edel und wertvoll.

 

Eine komplette Übersicht aller Braun Rasierer enthält die in 2. Auflage erschienene Dokumentation 'Braun+Design Collection', die für DM 148, - zuzüglich DM 5,- Versand bei B+D Collection Vertrieb, 37619 Kirchbrak bestellt werden kann.

 

Bei den ersten Serien wurde die Oberflächenbehandlung noch manuell ausgeführt, da es dafür keine Maschinen gab. Bei älteren Geräten ist dies an den unterschiedlichen Strukturen im Material zu erkennen. In Anlehnung an die neuentwickelten Scherfolien mit vielen kleinen Sechskantlöchern hatte der Rasierer den einprägsamen Namen 'sixtant' erhalten. Diese im Scherkopf erstmals einknöpfbaren Scherfolien wurden galvanoplastisch hergestellt und mit einer hautfreundlichen Platinschicht überzogen. Damit war der bekannteste Braun Rasierer geboren. Von 1962 bis 1973 wurden über 8 Mio. Exemplare produziert. Dieser spätere Klassiker wurde damals als der weltweit konstruktiv beste und formal edelste Netz-Trockenrasierer bezeichnet und kostete in Kassette mit Spiegel anfangs DM 94, - , später DM 81,-.

 

'S 62 und S 63 Standard' 1962/1965

 

Der S 62 Standard war ein ebenso handlicher kleiner Rasierer wie die beiden Modelle S 60 und S 61. Er hatte ein weißes Gehäuse mit rotem Braun Schriftzug. Der Scherkopfrahmen mit Langhaarschneider war aus Kunstststoff in dunkeloliv. Als weitere Variante wurde ab 1965 der S 63 Standard in lichtgrau und Kunststoff-Scherkopfrahmen mit Langhaarschneider in steingrau angeboten. Er hatte ein ausknöpfbares Scherblatt und ein eingeklebtes rechteckiges Braun Typenschild. Eine Variante der Standard-R asierer gab es im Export als Lady Shaver.

 

'commander SM 5' 1963

 

Anfang der 60er Jahre setzte die Nachfrage nach schnurlosen, netzunabhängigen Rasierern ein. Auf der Kölner Hausratsmesse 1963 präsentierte Braun mit dem commander den ersten Rasierer mit aufladbaren Akkus und wahlweisen Netzbetrieb. Nach dem gleichen Prinzip arbeiten heute auch die Spitzenmodelle der flex integral Serie. Für 1963 war der commander eine außergewöhnliche technische Entwicklung. Aufgrund der Platz beanspruchenden Nickel-Cadmium-Zellen war der Rasierer groß und schwer und bis zur letzten Lücke mit den noch recht komplizierten Antriebs- und Schaltmechanikteilen ausgefüllt. Der von Richard Fischer gestaltete Rasierer hatte olivfarbene Griff-Flächen und einen seitlichen Metallrahmen. Das Netzteil gab es in graphit und grau und als Zubehör ein Anschlußkabel für den Zigarettenanzünder im Auto.

 

Im Einführungsprospekt für den Fachhandel schrieb Braun  'An wen können Sie den commander verkaufen? An Männer die viel auf Reisen sind, die ein Motor- oder Segelboot besitzen, die im Wohnwagen auf Fahrt gehen und die für ihren Rasierer 148 ,- Mark ausgeben können'.

 

'combi 2 SM 22, special SM 2' 1963

 

Mit dem combi 2 entwickelte Braun eine Rasierer- Serie, die in der Größe zwischen den kleinen Standard-Modellen und dem sixtant lag. Es gab eine Reihe von Varianten mit unterschiedlichen Typenbezeichnungen und Farbkombinationen. Der combi 2 hatte ein weißes Gehäuse mit Schalter und einen Scherkopfrahmen in dunkeloliv. Der special zum Preis von DM 52,- hatte ein lichtgraues Gehäuse ohne Schalter und einen grauen Scherkopfrahmen. Design Richard Fischer.

 

'parat SM und parat BT' 1966

 

Der parat hatte als Netzgerät die gleichen Abmessungen wie der combi 2 und die Typenbezeichnung SM 24. Das Gehäuse war oliv, der Scherkopf mit Langhaarschneider in Metall strichpoliert. Äußerlich identisch war der parat BT SM 53 als Rasierer für den Betrieb mit 6, 12 oder 24 Volt. Er konnte mit einer Batterie box (4 x 1 ,5 Volt Baby-Zellen), mit Netzteil für die Spannungen 6 , 12 und 24 Volt oder über den Zigarettenanzünd er im Auto betrieben werden. Der parat BT ist relativ selten, es wurden nur ca. 10.000 Exemplare produziert. Design Dieter Rams und Richard Fischer.

 

'Rasierstab B 1, B 2 und B 3' 65/68

 

Mit den Rasierstäben entwickelte Braun Rasierer mit Rundkopf-Schersystem und rotierenden Messern als sogenannte Zweitgeräte. Der B 1 in den Farben oliv und lichtgrau hatte keinen Langhaarschneider, der B 2 in weiß, rot, blau und gelb war mit einem zuschaltbaren Langhaarschneider ausgestattet. Der eleganteste Stabrasierer war der B 3 mit leicht strukturiertem Leichtmetallgehäuse. Er kostete 1968 DM 38, -. Braun bezeichnete die Stabrasierer in einem Prospekt als 'leistungsfrohe Nothelfer'. Mehr waren sie auch nicht. Das formal überzeugende Design stammt von Richard Fischer.

 

'sixtant S, NC und BN' 1968

 

Der sixtant S war der erste Rasierer mit zuschaltbarem Langhaarschneider. Bei allen früheren Modellen mußte zur Benutzung des Langhaarschneiders der Scherkopf umgesteckt werden. Die geriffelten Griff-Flächen lockerten die große schwarze Fläche elegant auf, waren aber schwer sauber zu halten. Mit Kassette kostete der sixtant S DM 92,-.

 

Weitere Geräte der Serie mit etwas verlängertem Gehäuse waren der sixtant NC als reines Akkugerät und der sixtant BN als Akku-Netzgerät. Für die damalige Zeit waren beide Rasierer Spitzenprodukte. Die technischen Probleme des sixtant NC konnten erst beim sixtant BN zufriedenstellend gelöst werden. Design Richard Fischer.

 

'Rasierstab B 11' 1966

 

Ein weiterer von Richard Fischer sehr ansprechend gestalteter Stabrasierer mit RundkopfSchersystem war der B 11 . Er war ebenso aus Leichtmetall und wurde mit einer 1,5 Volt Baby-Zelle betrieben. In den 60er Jahren war der B 11 ein beliebtes Werbegeschenk. Verpackt mit schwarzem Kunststoffbeutel in einer attraktiven Faltschachtel kostete er DM 28, -.

 

'sixtant S automatic BN 2' 1969

 

Der sixtant NC und BN wurde durch dieses verbesserte, äußerlich identische Nachfolgemodell mit Dauerladeteil als Wandhalter abgelöst. Von der sixtant BN-Baureihe wurde nur eine relativ geringe Stückzahl produziert. Dadurch sind diese Rasierer heute recht selten. Der BN 2 war ein reines Akku-Gerät und kostete DM 138,-.

 

'sixtant 6006' 1970

 

Die erste entscheidende Weiterentwicklung nach dem sixtant von 1962 war der sixtant 6006 mit dem neuen Synchron-Schersystem, eine Schlitz-Waben-Kombination. Die Optik des Rasierers wurde nun von großen glatten Flächen mit kreisrunden Griffmulden, die im Schwerpunkt des Gerätes lagen, bestimmt. Der von Richard Fischer gestaltete Rasierer wurde 1970 mit dem Bundespreis für 'Gute Form' ausgezeichnet. Er kostete mit Spiegelkassette DM 100,-.

 

'cassett' 1970

 

Der mobile Zweitrasierer cassett bildet den Abschluß der ersten 20 Jahre Braun Rasierer-Geschichte. Der Designer dieses sehr klar gestalteten, leistungsstarken Batterie Rasierers für unterwegs  war Florian Seiffert. Den cassett gab es in schwarz, rot und gelb mit dem jeweils dazu passenden Kunststoff Stecketui mit Rundbürstchen. Er kostete im Geschenkkarton DM 52,-.

 

Hinweise für Sammler

 

Eigentlich müßte man von allen Grundtypen der ersten 20 Jahre ein Exemplar in die Sammlung aufnehmen. Wem das zuviel ist, der sollte zumindest den S 50, combi, sixtant, S 60 , einen Rasiers tab, sixtant S und sixtant 6006 auswählen.

 

Rasierer sind keine raren, aber großteils formal sehr schöne Gebrauchsgeräte, die fast durchweg in großen Stückzahlen produziert wurden. Durch frühere Aktionen 'Alt gegen Neu' sind die Rasierer der 50er und 60er Jahre jedoch nicht mehr so häufig in gut erhaltenem Zustand aus erster H and zu bekommen.

 

Text: Günter Staeffler

Fotos: Braun AG und Jo Klatt

 

 

Quelle:
Staeffler, G.: Die Braun Trockenrasierer. Die ersten 20 Jahre. In: Design+Design 40, Juni 1997, 4-15

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