Hartmut Jatzke-Wigand
 

Günter Staeffler

Die Taschenrechner von Braun. Das gesamte Programm von 1975 bis 2004.


Die Entwicklung der Taschenrechner ist eine Domäne der Amerikaner und Japaner. Die US-Firma Texas Instruments entwickelte 1967 den ersten elektronischen Taschenrechner. So bezeichnet wurden Rechner, die in eine kleine Aktentasche passten. Dieser Prototyp lief schon mit Batterien und wog 1,5 kg.

 

Erste kommerziell vertriebene Taschenrechner wurden ab 1970 von den japanischen Firmen Compucorp, Sanyo, Sharp und Canon hergestellt. Mit diesen Rechnern, die zwischen 200 und 400 DM kosteten, konnten allerdings nicht viel mehr als die vier Grundrechenarten ausgeführt werden. Der erste technisch-wissenschaftliche Taschenrechner kam 1972 von Hewlett-Packard heraus und kostete damals über 2000 DM.

 

Es dauerte bis Ende der 1970er Jahre, bis die Taschenrechner kleiner, leichter und so preisgünstig wurden, dass sie auch allgemein für Verbraucher erschwinglich waren.

 

Zur Verblüffung der Branche und zur Freude von Design-Liebhabern brachte Braun 1976 Taschenrechner auf den Markt. Die Preise gingen nach unten und Produkte aus Fernost waren schon für etwa 20 DM zu bekommen, während die Rechner von Braun teuer waren.

 

In einem Beitrag im 'Spiegel' vom November 1976 verstanden die Experten führender Rechneranbieter die Rechnerwelt nicht mehr, gaben dem Braun Taschenrechner kaum Erfolgschancen und bezeichneten ihn als einen 'primitiven Rechner in schöner Hülle'. So können sich Experten täuschen.

 

Braun control ET 11, 1975

 

Bereits 1975 hatte Braun den control ET 11, einen Rechner von Omron, als Test ins Programm aufgenommen. Der Einfachrechner mit Trageschlaufe und Etui hatte außer einer abgerundeten Form und der dezenten Beschriftung nichts Besonderes zu bieten. Die Oberflächen der Bedienungstasten waren schüsselförmig nach innen gewölbt (konkav) und die Funktionen entsprachen dem Minimalstandard. Im Unterschied zu den gleichzeitig von Omron verkauften Rechnern in den Farben orange-schwarz war das Kunststoffgehäuse des Braun Rechners ganz in schwarz. Er war 133 x 78 x 24 mm groß und kostete DM 76.

 

Braun control ET 22, 1976 und ET 23, 1977

 

Die Technik des dann folgenden ET 22 stammte ebenfalls vom japanischen Hersteller Omron, aber das Design von Dieter Rams und Dietrich Lubs machte den Unterschied.

 

Die Oberflächen der Tasten sind nun linsenförmig nach außen gewölbt (konvex). Versuche hatten gezeigt, dass so sicherer und auch angenehmer 'gerechnet' werden konnte. Die Abstände der Tasten sind so gewählt, dass ein versehentliches Berühren von Nebentasten vermieden wird. Die Übersichtlichkeit des Tastenfeldes auf schwarzem Untergrund wird durch dezente Farbgebung unterstützt. Die Bereiche für Grund- und Zusatzfunktionen sind getrennt angeordnet. Das seitlich geriffelte Gehäuse mit griffgünstiger Abrundung liegt gut in der Hand. Zwei auf der Unterseite angebrachte Gumminoppen sichern einen festen Stand des Rechners auf glatten Tischflächen.

 

Diese Besonderheiten und Vorteile wurden produkttypische Merkmale die alle Braun Rechner auszeichnen und inzwischen von vielen Taschenrechner-Herstellern übernommen worden sind.

 

Der control ET 22 wird mit zwei 1,5 Volt Mignon- Trockenbatterien betrieben. Der optisch baugleiche ET 23 unterscheidet sich äußerlich nur durch die Aufschrift ET 23, ist jedoch mit Ni-Cd-Akkus (2 x 1,2 Volt) bestückt. Der ET 22 kostete DM 76. Er kann auch mit einem Netzadapter betrieben werden. Beim ET 23, der DM 98,50 kostete, wurde das erforderliche Ladegerät für die Ni-Cd-Akkus mitgeliefert.

 

Die achtstellige grüne Fluoreszenzanzeige ist blendfrei, die Ziffernanzeige im Sichtfeld erfolgt von links nach rechts. Überraschend und nützlich ist die Zusatzfunktion des mitgelieferten festen Etuis. Beim Einschieben des Rechners wird der seitliche Einschaltknopf automatisch hochgeschoben, und das Gerät somit ausgeschaltet.

 

Braun control ET 33, 1977

 

Das nur 5,4 mm dicke Nachfolgemodell control ET 33 hatte anfangs noch die Bezeichnung 'slim' für die flache Bauweise, ermöglicht durch den Einsatz von Silber-Oxyd- Knopfbatterien. Die Flüssigkristallanzeige (LCD) ist achtstellig und erfolgt von rechts nach links. Die Ziffern stehen schwarz auf silbernem Hintergrund und lassen sich auch bei hellem Licht gut ablesen. Braun gab 2 Jahre Garantie auf diesen Rechner, der DM 76 kostete.

 

Braun control ET 44, 1978

 

Der control ET 44 knüpft bei der Anordnung und Form der Tasten an den ET 22 an. Der obere Teil des Rechners mit dem Anzeigefeld und den Tasten für die Speicherfunktionen ist ebenfalls in einem etwas vertieften Feld abgesetzt. Der ET 44 hat keine Fließkommaumschaltung. Das Gehäuse ist durch den Einsatz von Knopfzellen als Energiespender nur 5,4 mm dick. Der Preis betrug DM 62.

 

Braun control ET 55, 1981 und 1985

 

Der ET 55 hat große Ähnlichkeit mit dem ET 33. Optisch unterscheidet er sich durch die Ein- und Ausschalttasten. Ab 1981 gab es den ET 55 mit schwarzem Gehäuse. Dem allgemeinen Weiß-Trend bei speziellen Zielgruppen folgend wurde er ab 1985 zusätzlich in weiß hergestellt. Die Gestaltung blieb unverändert. Lediglich die Tasten für die Ziffern sind bei der weißen Ausführung in einem hellen grau gehalten. Beide Rechner kosteten jeweils DM 76.

 

Auf der Domotechnica '87 in Köln wurden gleich drei neue Taschenrechner vorgestellt. Das Spitzenmodell Braun control solar ETS 77, die preisgünstige Version Braun control ET 66 mit Batteriebetrieb als Nachfolger für den ET 55, jedoch ohne Fließkommaumschalter und der Braun solar card ST1 im Scheckkarten-Format.

 

Braun solar card ST1,1987

 

Der Scheckkartenrechner ST 1 fällt etwas aus dem Rahmen der Braun Rechner. Er unterscheidet sich in Größe und Dicke nicht wesentlich von einer Reihe ähnlicher Modelle anderer Hersteller, hatte jedoch eine Metallplatte als Rücken zur Versteifung. Der dünne, gerundete Gehäuserahmen, größenmäßig aufeinander abgestimmte Felder für die Anzeige und die Solarzellen, sowie die zurückhaltende Produktgrafik mit gelber Summentaste, zeugen jedoch von sorgfältiger Detailgestaltung. Mit einem Preis von DM 29,95 war der ST 1 teuer.

 

Braun control ET 66, 1987

 

Als preisgünstiger elektronischer Taschenrechner für den täglichen Gebrauch wurde der ET 66 angeboten. Er ist optisch identisch mit dem ET 55 und hat aber keine Reziprokrechnung und keine Fließkommaumschaltung. Im letzten Fertigungsjahr 2003 kostete der ET 66 Euro 29,95.

 

Braun control solar ETS 77, 1987

 

Dieser Taschenrechner für kaufmännisches Rechnen wird mit Solartechnik betrieben. 4 leistungsstarke Solarzellen erlauben sicheres Rechnen, selbst bei ungünstigem Tagesoder Kunstlicht. Neu war die 10-stellige LCDAnzeige mit Stellenmarkierungen für das schnelle und sichere Erfassen des Rechenwertes. Der ETS 77 hatte von allen Taschenrechnern die längste Produktionszeit. 18 Jahre lang, bis 2005 wurde er gefertigt und kostete zuletzt Euro 39,95.

 

Braun world traveller ET 88, 1991

 

Der ET 88 ist eine Kombination von elektronischem Taschenrechner und Digitaluhr mit Weltzeitanzeige. Sein großflächiges 3-Zonen- Display zeigt die genaue Uhrzeit an. Das Datum ist auf Tastendruck abrufbar, ebenso die Alarmzeit, die mit einem Schiebeschalter aktiviert wird. In die Rückseite ist eine aufklappbare Weltzeitzonen-Karte integriert, die auch als Stütze zur Schrägstellung des ET 88 dient. Er kostete DM 119. 1991 erhielt der Braun world traveller ET 88 bei der iF-Prämierung des Industrie Forum Design Hannover die Auszeichnung 'unter den10 Besten des Jahres' und 1992 den Bundespreis Produktdesign.

 

Braun protocol ET 90, 1995

 

Mit seinen zahlreichen Möglichkeiten für unterschiedlichste Rechenoperationen erfüllt der ET 90 höchste Ansprüche für kaufmännisches Kalkulieren oder Rechnen im Alltag. Im großen 4-Zeilen-Display werden komplexe Eingaben übersichtlich und nachvollziehbar dargestellt. Der Protokoll-Modus speichert automatisch bis zu 99 Rechenschritte, die alle über sogenannte 'Skroll-Tasten' im Display aufgerufen und angezeigt werden können. Im praktischen Schiebeetui kostete der ET 90 DM 129.

 

Braun business control ET 100, 2002

Im Zusammenhang mit der Währungsumstellung auf Euro wurde der ET 100 als Währungsrechner mit 2-zeiligem Display konzipiert. Die Umrechnung von 12 europäischen Landeswährungen in Euro und umgekehrt ist abrufbar. Weitere Währungen sind frei programmierbar. Die Blautöne der Tastatur sind als Hinweis zum Euro als Signal gedacht, wirken aber nicht so harmonisch wie die dezente Farbgestaltung der früheren Braun Taschenrechner. Der ET 100 wurde bis 2004 hergestellt und kostete Euro 29,95.

 

Alle Braun Taschenrechner (außer dem ST1) sind in ihrem Erscheinungsbild der ursprünglichen, erfolgreichen Grundform treu geblieben. Kennzeichnend sind die funktionale Anordnung der Bedienungselemente, das übersichtliche Tastenfeld, die klare Produktgrafik, die konvex gewölbten Tasten und die farbliche Differenzierung der Tastatur. Marginale Unterschiede gab es in der Form und Anordnung der Tasten mit den damit zusammenhängenden Funktionen.

 

Hinweise für Sammler

 

Nachdem die Taschenrechner bei Braun aus dem Programm genommen wurden, ergibt sich hier ein abgeschlossenes Sammelgebiet. Unter Design-Gesichtspunkten interessant sind der ET 22, ET 55 (evtl. in weiß), und der ETS 77. Gebraucht, in gutem Zustand sind die Rechner recht schwer zu bekommen, da sie gerne lange Zeit genutzt werden.

 

Die technische und formale Qualität der Braun Taschenrechner überdauerte bisher alle Modetrends. Das Design blieb über fast drei Jahrzehnte weitgehend unverändert. Sie sind zu Design-Klassikern geworden. In gutem oder neuem Zustand werden die Rechner über den ursprünglichen Neupreisen gehandelt. Der Preis spielte beim Kauf von Braun Rechnern ohnehin eine geringe Rolle. Sie wurden und werden erworben, weil sie gut aussehen, funktionstüchtig sind und auch als Statussymbol dienen. Leider werden die schönen Braun Taschenrechner seit 2004 nicht mehr hergestellt. Ein kleiner Trost ist, dass viele Hersteller das Braun Design für ihre Produkte übernommen haben.

 

 

Quelle:
Staeffler, G.: Die Taschenrechner von Braun. In: Design+Design 90, Hamburg Dezember-März 2009/10, 3-10

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