Haushaltsexperten bezeichnen die Küchenmaschine als eines der wichtigsten Grundausstattungsgeräte. In Deutschland wurden die ersten Küchenmaschinen um 1930 entwickelt und auf den Markt gebracht. Die Nachfrage hat nach der Währungsreform 1948 rasch zugenommen. Vorreiter der Einführung elektrischer Küchenmaschinen waren die sogenannten Mixer. Max Braun begann 1948 mit der Entwicklung von elektrischen Küchengeräten. Das erste Produkt wurde 1950 vorgestellt. Es war ein Mixer, der "Multimix". Dieser wurde ab 1951 durch verschiedene Geräte (Multipress, Schnitzelwerk, Rührwerk, Fleischwolf, Hochleistungszentrifuge) ergänzt. Die Konzeption und Funktion orientierte sich weitgehend an Geräten des amerikanischen Marktes. Als zweites elektrisches Küchengerät folgte 1953 die Saftzentrifuge "Multipress". Das Motorgehäuse aus dunkelrotem Bakelit stand auf roten Gummifüßen. Einige Zeit später wurde der Mixer in überarbeiteter Form und ebenfalls in dunkelrotem Bakelitgehäuse auf den Markt gebracht, die bewährten Zusatzgeräte blieben unverändert.
Marktsituation
Küchenmaschinen werden häufig aufgrund "sekundärer Eigenschaften" wie Aussehen, Handhabung, leichte Reinigung und vielseitiges Zusatzgeräteangebot gekauft. Die "primären Eigenschaften" wie Funktion und Qualität setzt man als selbstverständlich voraus. Diese Erkenntnisse und das bei Braun seit 1955 Schritt für Schritt verwirklichte Konzept der Produktgestaltung nach Ideen des Bauhauses und der HfG Ulm führten dazu, 1957 die Version Mixer mit Zusatzgeräten durch eine Küchenmaschine, die KM 3, abzulösen.
Die guten Erfahrungen mit dem Multimix und seinen vielseitigen Zusatzgeräten, sie wurden durch einen Stab von Braun Kundenberaterinnen an die Technik her angetragen, waren bei der Konzeption der KM 3 sehr hilfreich. Sie ergänzten eigene umfangreiche Laborversuche. So entstanden klare Vorstellungen von Aufbau und Funktion der ersten Braun Küchenmaschine: Drehende Rührschüssel (Addition der Rührbesenbewegung und Teigbewegung) und ein leicht abnehmbarer Werkzeugträger, dem "Rührarm". Eine mit Druckknopf auslösbare Rasterverbindung zum Grundgerät sollte der Hausfrau die Handhabung und auch die Reinigung des Gerätes erleichtern.
Gerd A. Müller, ein Studienkollege von Dieter Rams an der Werkkunstschule in Wiesbaden, kam im Dezember 1955 als Produktgestalter zu Braun. Zu seinen ersten Aufgaben gehörte die Gestaltung des Mixers Multimix MX 3, dessen Grundform mit der der Küchenmaschine KM 3 verwandt ist und der Küchenmaschine KM 3 selbst.
Form und Funktion der KM 3
Es gelang dem Hobbykoch Gerd A. Müller, zusammen mit den Technikern (u.a. G. Falkenbach}, die Konzeption in ein technisch und gestalterisch richtungsweisendes Gerät im Baukastensystem umzusetzen. Die klaren Formen der KM 3 entsprachen der modernen Entwicklungsrichtung für Küchenmöbel und Küchengeräte. Alle Flächen sind extrem schlicht und glatt, ohne Vertiefungen, Zierrat und Schmutzecken. In der Grundform mit dem aufgesetzten Rühr- und Knetwerk nehmen die Massen der Maschine von unten nach oben ab. Die KM 3 erhielt dadurch eine massive, fast monumentale Anmutung, die durch die waagerechte und technisch bedingte Trennungslinie des Motorteils wieder gemildert wird. Diese Trennung ist gleichzeitig Auslassöffnung der Kühlluft und zugleich Führungsrille des Anschlagszapfen der kleinen Schüssel. Zum "Gesetz der Ordnung", das sich auch bei der KM 3 bestätigt findet, schrieb Richard Moss 1962 in der amerikanischen Fachzeitschrift "Industrial Design": "Ordnung ist nach Webster die planmäßige Anordnung von Elementen gemäß einem bestimmten System. Die Braun-Entwürfe sind nicht nur einfach ordentlich, sie sind geordnet. Bei der KM 3 sind die Parallelen zwischen den horizontalen Flächen, Kanten und Fugen klar erkennbar. Bemerkenswert ist, dass der Schüsselrand dort zur Fortsetzung der Fuge wird, wo der Sockel das abnehmbare Teil aufnimmt, dass die Abschrägung an der Innenseite des Gehäuses parallel zur inneren Kante der Schüssel verläuft und die Kante der Außenseite des Gehäuses parallel zur äußeren Kante der Schüssel verläuft. Zwischen Grundgerät und Zusatzgerät besteht eine überzeugende Harmonie. Radien und Bezugslinien setzen sich konsequent fort. Die Gestaltung aus einer Hand, aus einem formalen Fuß ist deutlich sichtbar."
Die KM 3 wurde im Baukastenprinzip konzipiert. Alle Zusatzteile ließen sich ohne Schrauben und Zentrieren anfügen. Der Rührarm ist nicht klappbar wie bei Geräten anderer Hersteller, sondern vollständig abnehmbar. Die Maschine konnte so in wenige, leicht zu reinigende Teile zerlegt werden. Alle Teile standen für sich, ohne umzufallen. Die Formgebung unterstützt also die Gebrauchseigenschaften wie sicheres Arbeiten, schnelles Auswechseln der Zubehörteile, gute Standfestigkeit und Reinigung. In der Funktion ließ die KM 3 auch einige wenige Wünsche offen. Der Dreistufenschalter startete den Motor mit einem Ruck, das Betriebsgeräusch war nicht gerade leise, und es gab anfangs noch keinen Fleischwolf als Zubehör. Dies hat jedoch den Erfolg der KM 3 nicht beeinträchtigt.
Material und Farbe
Das Gehäuse des Grundgerätes und des Rührarms waren aus Duroplast gefertigt, die Rührschüssel aus schlagfestem Kunststoff. Für die Schneid-, Knet- und Rührwerkzeuge wurde Edelstahl verwendet. Der Mixbecher war aus temperaturfestem dickwandigem Glas hergestellt. Zu erwähnen ist, dass die große Rührschüssel das erste Objekt aus schlagfestem Kunststoff in dieser Größe war. Entsprechend der Design-Philosophie des Hauses war das gesamte Gerät einschließlich Zubehörteilen in weiß gehalten. Sparsame Farbakzente in blau, bei der KM 32 in grün, unterstützten die freundliche Ausstrahlung des weißen Gerätes.
Küchenmaschine KM 3
Die KM 3 wurde von 1957 bis 1964 hergestellt. Ihr folgte die im Konzept kaum veränderte, noch heute angebotene KM 32. Die Grundausstattung umfasste Motorteil mit Rühr- und Knetwerk, große und kleine Schüssel, Rührbesen und Knethaken, Mixaufsatz mit Messerkreuz, Schnitzelwerk incl. drei Reib- und Schneidescheiben mit Scheibenständer, Rezeptbuch, Spatel und Schutzhülle. Der Preis betrug DM 230,--. Weiteres Zubehör waren eine Kaffeemühle, ein Fleischwolf sowie eine Zitruspresse als Zusatzteil für das Schnitzelwerk. Abmessungen: Stellfläche 31 x 16 cm, Höhe ohne Aufsätze 21 cm.
Kennzeichnend für die KM 3 sind der Bedienungsknopf in blau mit drei Schaltstufen, der unterseitig blaue Rührarm mit nur einer Öffnung für Rührbesen und Knethaken sowie blaue Stopfen für Mixaufsatz und Schnitzelwerk. Der Rührarm wurde durch einen auf der Vorderseite befindlichen Druckknopf arretiert. Beim Schnitzelwerk gab es zwei Ausführungen. Die erste Version ohne Einfüllschacht für Bohnen und mit einteiligen Scheibeneinsätzen. Die zweite Version mit zusätzlichem kleinen Einfüllschacht und einer Grundscheibe mit auswechselbaren Einsätzen. Der Glasbehälter des Mixaufsatz wurde zuerst noch mit geschlossenem Griff produziert. Die spätere Ausführung hatte einen offenen Griff.
Küchenmaschine KM 32
1964 wurde die KM 3 in Technik und Design überarbeitet und als KM 32 weiterproduziert. Die augenfälligste Veränderung erfolgte bei der Farbgebung. Der Bedienungsknopf erhielt eine neue Form und wurde grün. Die Stopfen für den Mixaufsatz und das Schnitzelwerk wurden ebenfalls grün und die Unterseite des Rührarms grau. Die Skalierung des Schalters wurde geändert und eine Schaltstellung für Kurzzeitbetrieb aufgenommen. Der Rührarm bekam zwei Öffnungen für die getrennte Aufnahme von Knethaken und Rührbesen. Dadurch musste der Radius über der Rührschüssel abgeflacht werden. Die Verriegelung des Rührarmes mit dem Motorsockel erfolgte nun über einen seitlichen Schiebeschalter. Durch diese technisch notwendigen Maßnahmen wirkte die KM 32 nicht mehr ganz so elegant wie die KM 3. Man hatte den Eindruck, die Maschine wäre größer geworden. Für die formale Überarbeitung war Robert Oberheim verantwortlich, da Gerd A. Müller nicht mehr bei Braun tätig war.
Durch die sehr behutsam durchgeführten Veränderungen hat die KM 32 in ihrer Form nicht gelitten. Die Grundausstattung (KM 321) umfasste nun Motorteil mit Rühr- und Knetwerk, große und kleine Schüssel, Rührbesen und Knethaken zum Preis von DM 208,--. Die Spezialaustattung (KM 32) enthielt zusätzlich Mixaufsatz und Schnitzelwerk incl. Reib- und Schneidscheiben mit Scheibenständer und kostete DM 298,--. Als weiteres Zubehör waren Kaffeemühle, Zitruspresse und Fleischwolf erhältlich. In den Folgejahren wurden eine Reihe von Varianten hergestellt, die sich jedoch im Design nicht unterscheiden. Es gab eine Version mit Thermoschalter und Glimmlampe unter dem Schaltknopf. 1983 wurden die Einsteckhalterungen am Rührarm geändert, nachdem ein Schneebesen bei der Ausstattung hinzukam. Eine sichtbare Veränderung erfolgte im Herbst 1985 mit dem neuen Schnitzelwerk KS 33. Seitdem ist auch bei allen Geräten wieder eine Glimmlampe unter dem Einschaltknopf angebracht. Braun und G.A. Müller hatten 1957 sicher nicht erwartet, dass die KM 3 und das unwesentlich veränderte Nachfolgemodell über 30 Jahre produziert werden. Diese Küchenmaschine wurde ein Design-Klassiker von hohem Rang mit unzähligen internationalen Auszeichnungen. 1978 erhielt die KM 32 den Designpreis "Longlife Award". Auch in der ständigen Ausstellung "formbeständig" im Design Center Stuttgart hat sie einen ihr würdigen Platz. Interessant ist auch die Preisentwicklung. 1957 kostete die KM 3 mit der sog. großen Grundausstattung DM 230,--, 1960 DM 245,--, 1965 als KM 32 DM 298,--, 1972 DM 365,-- und heute DM 469,--.
Die Zeitschrift "form" veröffentlichte in Heft 23/1963 folgenden Brief von Dr. Fritz Eichler an Prof. Wilhelm Wagenfeld. Darin ging Dr. Eichler u.a. auch auf den unerwarteten Markterfolg der KM 3 ein: "Kann man durch gute Produktgestaltung erfolgreich sein? Sicher bei denen, die sie bewusst wahrnehmen und zu schätzen wissen. Das sind meist relativ wenige, aber Menschen, deren Wohlwollen zu gewinnen es sich auch unternehmerisch lohnt. Kann man durch sie auch breitere geschäftliche Erfolge erzielen? Allein durch gute Gestaltung bestimmt nicht, aber sicher mit guter Gestaltung. Unsere Küchenmaschine KM 3 kann dazu ein paar aufschlussreiche Blickpunkte geben. Als sie 1957 auf den Markt kam, unterschied sie sich in Form und Farbe von ihren Konkurrentinnen. Wir hatten bei ihrer Gestaltung nicht gefragt: 'Kommt sie auf dem breiten Markt an?' Wir hatten sie so gut gemacht, wie wir es konnten und wie es uns gefiel. Dass die Form gelungen war, wurde durch die vielen positiven Beurteilungen und internationalen Anerkennungen, die sie deshalb erhielt, bestätigt. Die Maschine wurde ein großer Verkaufserfolg. Sie lag schnell an der Spitze im Marktanteil, den sie bis heute halten konnte. Woran lag es? An der Form? Die Verführung ist groß, die Frage zu bejahen. Zunächst lag es wohl daran, dass es eine gute leistungsfähige Konstruktion war, einfach in der Handhabung und - was wichtig ist - günstig im Preis; kurz, dass sie insgesamt etwas Besonderes zu bieten hatte. Sicher hätte sie auch Erfolg gehabt, wenn sie anders ausgesehen hätte. So aber verband sich ihre besondere Form mit dem Verkaufserfolg, sie wurde bewusst, auch bei Menschen, die sonst in formalen Dingen unempfindlich waren und die daher leichter das Opfer spekulativer Verführungen sind. Die Form wurde dadurch auch von ihnen als etwas Besonderes empfunden.
Auf die äußere Form der Küchenmaschinen wurde jetzt bewusster als früher Wert gelegt. Der Einfluss unserer Maschine zeigte sich nicht nur in der hellen Farbe, die uns viele Versuche und Ausschussquoten gekostet hatte, er zeigte sich teilweise sogar im typografischen Bild der Werbung. Dass ihre Form sogar kopiert wurde, kam sicherlich weniger aus ästhetischem Wohlgefallen, sondern weil man die Form als entscheidenden Faktor für ihren Verkaufserfolg ansah. Wäre sie in ihrer technischen Funktion unzulänglich gewesen und dadurch ein Misserfolg, was wäre passiert? Hätte man nicht die Schuld dafür zunächst in ihrem ungewohnten Äußeren, das sich vom "Normalen" abhob, gesucht, und wären dabei die eigentlichen Ursachen nicht in den Hintergrund getreten? Und hätte die Küchenmaschine des Unternehmens, das die unsere so erfolgreich schön fand, nicht ganz anders ausgesehen? Ich meine, man sollte die Wirkungen der Form auf den Verkaufserfolg bei technischen Geräten nicht überbewerten. Formgestaltung kann nicht die technische Leistung ersetzen. Wenn ein Gerät technisch und in seiner Funktion schlecht ist, kann ihm weder eine gute noch eine schlechte Form, also auch keine mätzchenhaft spekulative, zu einem längeren erfolgreichen Leben verhelfen. Je fortschrittlicher die technische Leistung und je höher der funktionale Wert eines Gerätes ist, um so eher wird man sich - auch bei einem breit gestreuten Konsumartikel - eine gute Form leisten können. Bei alledem sollte man auch die psychologischen Wirkungen nicht vergessen, die das Bemühen um gute konsequente Produktgestaltung hat. Durch die höheren Ansprüche, die wir all die Jahre über an die Form unserer Geräte gestellt haben, hat sich ganz von selbst auch ein höheres technisches Qualitätsbewusstsein entwickelt. Und nach außen? Bei der kurzfristigen Erfolgsbetrachtung sollte man nicht ihre langfristige vertrauensbildende Wirkung außer Acht lassen. Sie lässt sich zwar rechnerisch nicht unmittelbar erfassen; aber ich bin überzeugt, dass sie ein gewichtiges, unternehmerisches Kapitel sein kann."
Hinweise für Sammler
Die KM 3 oder KM 32 gehört in jede Braun Sammlung oder zumindest in jeden Sammlerhaushalt, sie ist auch heute noch genauso gebrauchstüchtig wie vor 30 Jahren. Auch gut erhaltene Stücke sind verhältnismäßig preisgünstig zu bekommen. Mangel besteht nicht, da die KM 3 hunderttausendfach produziert wurde und nahezu unverwüstlich ist. Wir hoffen, dass die KM 3/32 noch ihr 40jähriges Jubiläum begehen kann. Die neuen Küchenmaschinen von Braun haben möglicherweise Vorteile für unsere Zeit, sie sind leiser und leichter, nur schöner als die KM 3/32 sind sie nicht.
Günter Staeffler
Fotos Braun AG und Jo Klatt (1)
Quelle:
Staeffler, G.: Form-beständig. Küchenmaschine KM3/KM 32
In: Braun+Design 13, Hamburg Mai 1989, 4-16