Hartmut Jatzke-Wigand
 
Joachim Kalb, C.C. Cobarg, Jens Plewa: Der Braun combi

Joachim Kalb, C.C. Cobarg, Jens Plewa

Der Braun combi


Der Braun combi ist eine tragbare Radio-Phono-Kombination für Netz- und Batteriebetrieb, die 1955 auf den Markt kam.

 

Das Gerät ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert, zum einen wegen seines für die damalige Zeit neuen Designs, zum anderen wegen seiner Beispielhaftigkeit für ein neues Bewusstsein um die Urheberschaft. Vorerst einige Gedanken zu dem zweiten Punkt. Bis zur 'Wende zum Braun Design' um 1955 traten die Designer selten namentlich hervor. Es ist nach außen hin nicht bekannt, wer zum Beispiel den Braun Piccolo oder andere Geräte gestaltet hat. Die Designer blieben in einer Anonymität, das Design als Leistung hatte keinen Stellenwert. Im Möbelbau war das oft anders. So gab es damals beispielsweise die bekannten Stühle von Mackintosh, die Liege von Le Corbusier und die Arbeitszimmereinrichtung von Henry van de Velde. Ein als Architekt bekannt gewordener Gestalter entwarf Möbelstücke, die wegen des hohen Bekanntheitsgrades des Namens ihres Urhebers dann auch mit dessen Namen selbst belegt wurden. Heute verbinden sich mit den Produkten zunehmend mehr auch die Namen der Entwerfer, man kennt die Sessel von Bellini, den Tischrondo von Nagel usw., Der Umbruch zu dieser neuen Personenbezogenheit liegt in den 50er Jahren, durch den Schritt von Braun zum Design-Unternehmen. Spricht man heute vom 'combi', wird sofort als weiterführende Kennzeichnung: "der von Wagenfeld" genannt. Ab 1955 werden die Geräte oft mit dem Namen des Designers belegt. In dieser Übergangszeit um 1955 bleiben aber vereinzelte weiße Flecken. Wer steht zum Beispiel hinter 'redesign'? Über die Hervorhebung der Designer kann man streiten! Die hervorragenden Anteile bedeutender Technik-Entwickler kommen sicher zu kurz. Hier werden nur die 'Könige' unter ihnen bekannt, z.B. Edison - Glühlampe, Phonograph, Porsche - Kraftfahrzeuge, Rumpler/Messerschmidt/Heinkel - Flugzeuge, Barnack - erste Kleinbildkamera Leica, Bruch - Pal-Farbfernsehen.

 

Die Funktion des combi bestimmt die Gehäuseform: der Plattenspieler liegt an einer der Breitseiten, die Bedienelemente (Regler und Drucktasten) sowie die Radioskala an der oberen Schmalseite. Die Skala ist ein wenig geneigt, so dass sie bei dem liegend zu betreibenden Gerät auch von schräg oben gut zu erkennen ist. Ein Riemen macht das Gerät zu einem tragbaren Koffer.

 

Das Gehäuse besteht ausschließlich aus Kunststoff. Heute macht sich die seinerzeit noch in den Jugendjahren steckende Kunststofftechnik ungenügend bemerkbar. Der damals zur Verfügung stehende Kunststoff ist sehr empfindlich gegen Schlag und Stoß, wegen seiner Härte und Sprödigkeit geht das Gehäuse leicht zu Bruch. Ein weiterer Grund für die wenigen, noch heute erhaltenen Geräte ist natürlich auch die damals gewählte 'geringe' Stückzahl. Nachteilig ist die damals noch nicht beherrschte Empfindlichkeit gegen Lichteinwirkung, der Kunststoff vergilbt leicht. Er hatte ursprünglich die für Braun typische hellgraue Farbe. Ein Merkmal für das Gerät sind die weichen und fließenden Formen, die im Bereich der Skala und Drehsteller fast schon Kapriolen schlagen. Die 'Einbettung' der Drehknöpfe bildet eine Zwangsführung für die bedienenden Finger, womit die Bedienung mehr der eines Schiebereglers entsprach. Die Funktionalität äußert sich auch bei den nach innen gewölbten Drucktasten, und die versenkte Skala schützt diese vor Beschädigungen. Um den Übergang zwischen den Drehknöpfen und dem Gehäuse zu schaffen, sind entsprechende Verformungen im Gehäuse erforderlich. Hierbei wird die Bezogenheit zwischen Form und Material besonders deutlich, denn eine solche Gestaltung ist mit dem damals üblichen kunststoffbezogenen Sperrholzmaterial undenkbar. Das in eine Form gepresste Kunststoffmaterial zeigt dagegen hier seine Möglichkeiten.

 

Bemerkenswert ist auch die Farbgebung des Gerätes. Zu der bereits genannten Farbe des Korpus steht das Mittelrot an Drehknöpfen und Druckschaltern im eigenwilligen Kontrast. In diesem Rot ist auch ein Teil der Skala (Frequenzangaben für Langwelle) gehalten, ansonsten ist sie hellgrau beschriftet (Frequenzabgaben für Mittelwelle/Bezeichnung der Drucktasten). Das Gerät ist für Mittel- und Langwellenempfang eingerichtet. Mit zwei Drehknöpfen werden die Lautstärke und Sender eingestellt, mit fünf Drucktasten werden das Netz, die Phonofunktionen und die Wellenbereiche geschaltet. Weitere Einstellmöglichkeiten (Tonregelung) waren nicht vorgesehen. Der Plattenspieler ist ausschließlich für Single-Platten ausgelegt, die ein großes Mittelloch haben müssen. Der Tonarm ist sehr kurz und dem damaligen Stand der Technik entsprechend mit einem Kristalltonabnehmersystem ausgestattet. In der aufklappbaren Plattenspielerfachabdeckung können mittels eines Gummizuges fünf bis sieben Platten deponiert werden. Durch zwei große Schlitzschrauben ist der Boden am Gerät befestigt, so dass dieses zum Beispiel mit einer Münze geöffnet werden kann. Die 'Technikkomponenten' sind dann leicht ablesbar: Radioteil, Plattenspieler, Lautsprecher, Netzteil und Batteriefach. Der Batteriefachbeschriftung folgend mussten fünf 1,5-Volt-Heizzellen (Monozellen) und eine 90 Volt Anodenbatterie zur Speisung der Röhren eingelegt werden.

 

Die neuartige Gestaltung des combi skizziert einen der Wege zu einem neuen Design, der später in der vorgestellten Form von Braun nicht ausgebaut wurde. Er zeigte bereits wesentliche Elemente des aufgeräumten Braun-Design. So markiert der combi heute in der Rückschau einen wichtigen Baustein auf dem Weg zu einer neuen Gestaltungskonzeption. Dieser Weg führte dann, mit der entscheidenden Hilfe der HfG in Ulm - Otl Aicher, Hans Gugelot - zum 'Braun-Design'.

 

Joachim Kalb C.C. Cobarg Jens Plewa Fotos: Jo Klatt

 

 

Wilhelm Wagenfeld wurde am 15. April 1900 in Bremen geboren. Nach einer Lehre im Zeichenbüro der Bremer Silberwarenfabrik Koch& Bergfeld trat er 1923 in die Metallwerkstatt des Bauhauses in die Klasse bei Laszlo Maholy-Nagy ein. Ab 1932 gibt es erste Kontakte und eine Zusammenarbeit als Formgestalter mit der Industrie, unter anderem: Jenaer Glaswerk Schott & Gen., Fürstenberg, Rosenthal, Vereinigte Lausitzer Glaswerke. Nach wechselvollen Jahren, Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft gründet er 1954 die 'Werkstatt Wagenfeld'. Bis ins hohe Alter war er für weitere namhafte Unternehmen tätig. Peil&Putzler, Lindner, Buchsteiner, Hengstenberg, Voß und Pelikan. 1978 beendete er seine berufliche Tätigkeit. Heute lebt Wilhelm Wagenfeld in Stuttgart. Er, der Einzelgänger und Streiter, sah seine gestalterische Tätigkeit stets als künstlerische Aufgabe von 'umfänglicher gesellschaftlicher Bedeutung'. Er folgte konsequent dem Prinzip der 'vernunftgemäßen Gestaltung', welche zum einen die sich durch die Form erklärende, sichtbare Funktionalität und zum anderen die 'Sensibilität und den Reiz der Dinge' zum Ziel hat, ein Design, das dem Menschen dient. Seine so gestalteten Tisch- und Hauswaren prägten über Jahrzehnte das Erscheinungsbild dieser Produktgruppen und sind zum Teil heute noch im Handel.

 

Der 18. September 1954 war gewissermaßen die Geburtsstunde des Braun-Design. An diesem Tage hielt Wilhelm Wagenfeld auf der Tagung des 'Bundes deutscher Kunsterzieher' in der TH Darmstadt einen Lichtbildervortrag über die Kunsterziehung in den Schulen, seine Gestaltungsphilosophie und die Zusammenarbeit mit Forschung und Industrie. Anwesend war auch Erwin Braun. In seinem Brief an Prof. Wagenfeld schrieb Erwin Braun sinngemäß (abgedruckt in form 90/11, 1980, S. 100): Ihren Darmstädter Vortrag, mit dem alles anfing, hatte mir mein und meines Bruders 'Zeichenlehrer' Dr. Emil Betzler nachdrücklich empfohlen. Sie waren mein und dann Bruder Arturs erster Lehrer in 'industrial design' - was Sie nie so nannten. Prof. Wilhelm Braun-Feldweg schreibt zur Vorgeschichte der Braun-Reform von 1955: 'Wilhelm Wagenfeld war eb (internes Kurzzeichen für Erwin Braun, Anm. d. Red.) offenbar eigentlicher Mentor im Aufbruch zur radikalen Umstülpung der Produktion. Was als neues Programm in internationaler Anerkennung später das Etikett Braun Design erhielt, hat wohl eine Keimzelle gehabt, die durchaus persönlichem Kontakt entsprang, der als Zündfunke wirkte. Ein erstes Ergebnis dieser Neuorientierung war der combi, formgestaltet von Wilhelm Wagenfeld. Das Gerät lässt schon wesentliche Eigenschaften der folgenden Braun-Produkte erkennen: Funktionalität und Ordnung, materialgerechte Verarbeitung und Formgebung und auch eine innovative technische Konzeption. Es war eine Art 'Pilotprojekt' und in seinem Resultat wichtig für die weitere Entwicklung des jungen 'Braun-Design'.

 

Text: Jens Plewa

 

 

Quelle:
Plewa, J.: combi. In: Braun+Design 14, September 1989, 4-9

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