Hartmut Jatzke-Wigand
 
Peter Ziegler Michael Unger: Nizo. Die Kameramarke von Braun

Peter Ziegler Michael Unger

Nizo. Die Kameramarke von Braun, Teil 1


Die bekannten Nizo-Kameras gehören noch nicht zu den bevorzugten Sammelobjekten. Vermutlich wird sich dieses in den nächsten Jahren ändern. Die formale Verbundenheit, die technisch hochwertige Äquivalenz zu Braun, gleiche Gestaltungsbeständigkeit und Anwendungsphilosophie lassen bereits eine spürbare Nachfrage bei Liebhabern vermerken.

 

Die verschiedenen Modellreihen haben Geschichte im Filmkamerabau gemacht. Die Produktion ist längst ausgelaufen - vereinzeit führen Fachgeschäfte aber noch heute fabrikneue Modelle - das Sammelgebiet ist also überschaubar. Die in hohen Stückzahlen hergestellten Kameras sind - oft in ausgezeichnetem Zustand - noch günstig zu erwerben. Konsequente Detailverbesserung und logische Entwicklungsphasen machen das Filmkameraprogramm interessant und vermitteln die notwendige Transparenz.

 

Diese Darstellung umfasst alle produzierten Typen und kann in sich als abgeschlossen gelten. Aufgrund des umfangreichen Themengebietes werden drei Folgen veröffentlicht:

 

1. Doppelacht- und Superachtfilmkameras ohne Tonaufnahme der großen Baureihe.
2. Superachtfilmkameras ohne Tonaufnahme der kleinen Baureihe.
3. Superachttonfilmkameras. Ein weiterer Bericht wird sich mit dem kompletten Zubehör befassen.

 

In diesem Heft nun eine Übersieht aller Filmkameras ohne integrierte Tonaufnahmeeinrichtung der großen Baureihe.

 

Nach Übernahme des renommierten Münchner Amateurfilmkameraherstellers Niezoldi & Krämer GmbH - Namensgeber waren der Kaufmann Georg Niezoldi und der Techniker Georg Krämer - im Jahre 1962 als Tochtergesellschaft der Braun AG, erhielten die bewährten Kameras schon bald ein neues Gesicht. Im April 1970 wurde Nizo dann in die Braun AG eingegliedert.

 

Die unverwechselbaren Merkmale der bisherigen Braun Produkte fanden sich auch bei den Filmkameras wieder. Die gängigen Materialien wurden durch neue Kunststoffe und Verwendung anderer Metalle abgelöst. Modernste Konstruktionen und eine vielfältige und umfangreiche Ausstattung waren Grundlage für Wertbeständigkeit und internationales Ansehen. Die Schmalfilmproduktion bei Braun von 1962 bis 1981 fällt in drei signifikante Bereiche: Doppelacht-, Superacht- und Tonfilmkameras. Ende 1981 wurde die Nizo-Filmgeräte- und die Braun-Bitzlichtgeräte-Produktion von der Robert Bosch GmbH, Geschäftsbereich Photokino, übernommen. Bereits im November 1980 war zwischen den beiden Firmen eine vertriebliche und produktionstechnische Kooperation mit dem Ziel der schrittweisen Übernahme vereinbart worden. In den folgenden Jahren stagnierte die Neuentwicklung unter der beibehaltenen Marke Nizo. Aufgrund veränderter Technologien in der animativen Aufnahmetechnik besteht inzwischen kein Markt für Schmalfilmkameras mehr.

 

Nizo FA 3 Doppelachtfilmkamera

 

Die erste Nizo, die von Braun 1963 gestaltet wurde, war eine Gemeinschaftsarbeit von Dieter Rams, Richard Fischer und Robert Oberheim. Zum ersten Mal klare eckige Formen. Alle Bedienungselemente und Kontrollfenster sind geometrisch und eindeutig platziert. Deutliche Veränderungen zum technisch ähnlich konstruierten, formal "weicheren" Vorläufer. Die Verwendung von hellem Metalliklack stand im auffallenden Gegensatz zum schwarzen Kunstleder für die Griffzonen. Bereits diese Kamera erhielt Rotpunktmarkierungen für Normaleinstellung und verfügte über einige Automatikfunktionen. Die einklappbare Kurbel diente zum Aufziehen des Federzuges, mit dem ca. 4,5 m Film gleichmäßig am Bildfenster vorbei transportiert werden konnten. Außerdem war eine Rückrolleinrichtung für Doppelbelichtung vorhanden. Die Kamera wurde wahlweise mit drei Zoom-Objektiven unterschiedlicher Brennweiten ausgerüstet. Darunter auch zwei Objektive des bevorzugten Lieferanten, der Firma Jos. Schneider, Bad Kreuznach. Die Objektive von Schneider hießen Variogon. Die FA 3 besaß bereits einen Schnittbildentfernungsmesser und einen flimmerfreien Reflexsucher durch das Aufnahmeobjektiv. Als Filmmaterial wurde der damals noch gebräuchliche Doppelachtfilm (1932 von Kodak erstmalig vorgestellt) benutzt. Die Filmspule musste nach dem ersten Durchlauf umgelegt werden; der Film wurde dann im Labor längsmittig geschnitten. Die verfügbaren Aufnahmefrequenzen waren 12, 16, 24 und 48 B/sek.. Zum reichhaltigen Zubehör gehörten Revolverhandgriff und ein fester Lederkoffer. Diese Kamera beschloss die Reihe der Nizo mit Federwerksantrieb. FA 3 DM 798,-

 

Nizo EA 1 (electric) Doppelachtfilmkamera

 

Die entscheidenden formalen Impulse, die für fast alle folgenden Gerätegenerationen gültig werden sollten, gab Dieter Rams 1964. Zusammen mit Richard Fischer prägte er mit der EA 1 deren bemerkenswerten Gestaltungselemente und Funktionalität, die auch die Entwicklung späterer Modelle beeinflusste, für die Robert Oberheim überwiegend zeichnete. Die Kamera gehörte zu den besonderen Exponaten der 13. Mailänder Triennale. Die Kombination des Materials Aluminium und Kunstleder fand letztmalig Verwendung. Unter dem Aufnahmeobjektiv war die Typenbezeichnung Nizo electric graviert und zweifarbig ausgelegt. Auf der Frontseite des noch recht breiten Gehäuses befinden sich neben dem Aufnahmeobjektiv und dem Objektiv des Belichtungsreglers auch die Lichtöffnung für die Blendenskala und der Batterietestknopf. Das schwere Aluminiumdruckgehäuse war silberfarben lackiert. Eingelegtes Kunstleder teilte die Flächen und gab dem Kameragehäuse das visuelle Gegengewicht zum schwarzen Objektiv. Blendenregler und Knopf zum Öffnen, sowie die halbkreisförmige Filmverbrauchsanzeige (in feet/grün und Meter/schwarz) waren vom Vorgänger übernommen. Zum Einlegen des Films wurde die linke Gehäuseseite abgenommen. Ein fest installierter Handgriff war (nach einem Nizo Patent) ausschwenkbar und enthielt die über Kabel nachladbaren NC-Antriebsbatterien. Bei Nichtgebrauch war der Griff vollständig im Gehäuse eingelassen. Die elektromotorische Ausstattung sorgte für den Transport von ca. 10 Filmen mit 16 B/sek. im Doppelachtformat. Eine feste Kameratasche aus schwarzem glatten Leder, auch für die Aufnahme des Zubehörs, gehörte zum Ausstattungsumfang. EA 1 electric DM 698,--

 

Nizo S 8 / S 8 M
Erste Superachtkamera

 

Diese neue Superachtfilmkamera von Braun setzte 1965 in Technik und Gestaltung Maßstäbe. Mit der markanten unverwechselbaren Silhouette wurde sie weltbekannt und begründete damit die berühmte Produktionsreihe der "Silberpfeile" mit einer fast 18-jährigen Bauzeit. Die S 8 erhielt 1966 den Preis "Gute Form" vom Rat der Formgebung in Frankfurt. Das mattglänzend eloxierte Aluminiumgehäuse für die Seitenteile und die Frontplatte - das übrige Gehäuse war mit schwarzem Kräusellack versehen - erinnerte an den Flugzeugbau. Es machte die Kamera unempfindlich gegen Hitze und sonstige Wettereinflüsse und war damit prädestiniert für den Einsatz bei Expeditionen und Abenteuerreisen. Die Typenbezeichnung war bei den ersten Ausführungen vorn unter dem Objektiv eingraviert. In forma!er Anlehnung an die zu verwendenden Superachtfilmkassetten war die zum Benutzer gewandte Gehäuseseite abgerundet.

 

Die metallenen, kreisrunden Bedienungselemente und Einschalter befanden sich alle auf der linken Seite. Der schmale glatte Handgriff fasste vier Mignon-Batterien für den Durchzug von ca. 20 Filmen. Die Bildführung erfolgte parallaxenfrei über einen Reflexsucher durch das Aufnahmeobjektiv. Ein Fallschacht nahm die konfektionierte Filmkassette auf, die Filmempfindlichkeit wurde dabei automatisch eingestellt. Es standen die Aufnahmefrequenzen 18 B/sek. (als neue Norm) und 24 B/sek. zur Verfügung. Bei der S 8 M wurde neben der anderen Objektivausstattung die Brennweitensteuerung nicht motorisch, sondern über eine n Handhebel am Objektiv betätigt. Alle Kameras erhielten jetzt maßgefertigte Taschen aus weichem, schwarzen Nappaleder. S 8 DM 1.0 80,--

 

Nizo S 8 E / S 8 L / S 8 T / S 8 S
Erfolgreiches Superachtfilmkonzept

 

Bereits ein Jahr nach Erscheinen des neuen Superachtkameratyps wurde das Angebot 1966 erweitert und neu geordnet. Im gleichen erfolgreichen Design erschienen nun drei Modelle, die anstelle des Prismenfensters auf der Kamerafront als markante Änderung nur noch über einen schmalen Lichtschacht für die SkalenbeIeuchtung verfügten. Die Belichtungsmessung selbst erfolgte jetzt durch das Aufnahmeobjektiv. Wie bei einigen Modellen vorher schon, waren die Typenbezeichnungen auf einem aufgeklebten Metallstreifen schwarz/rot aufgedruckt.

 

Die S 8 E wurde mit vereinfachter Ausstattung, ohne elektrischen Zoom und nur einer Bildfrequenz, angeboten. Auf der Bedienerseite verfügte sie lediglich über einen Rändelschalter für das Kunstlichtfilter und zwei weitere Schiebeschalter. Die S 8 L und S 8 T entsprachen optisch und technisch dem Vorgängermodell. Beide verfügten über ein Fadenkreuz zur Entfernungsmessung und eine Filmendanzeige im Sucherbild. Das Spitzenmodell war mit dem besonders starken Teleobjektiv Schneider Variogon 1,8/7-56 mm bestückt. Eine Sonderstellung nahm die 1967 vorgestellte S 8 S ein, die für Exportzwecke hergestellt wurde. Für alle Braun-Filmkameras gab es nun gesondert einen festen Universalkoffer, bezogen mit schwarz genarbtem Rindsleder, innen mit weichem Velours ausgeschlagen mit Raum für Zubehör. S 8 E DM 698,--
S 8 L DM 996, S 8 T DM 1.380,--

 

Nizo S 36 / S 40 / S 55 / S 56 / S 80 S 48 / S 48-2 / special
Marktgerechtes Filmkameraangebot

 

Ab 1968 wurde das bestehende Programm komplettiert und erheblich erweitert. Der Markt war in kurzer Zeit explodiert, deshalb sollten gleich fünf neue Typen die Position eines der größten Filmkameraherstellers festigen. Das Spitzenmodell dieser Reihe, S 80, wurde im Museum of Modern Art, New York, aufgenommen. Die Gehäuseform war wieder nur geringfügig geändert und den technischen Entwicklungen angepasst worden. Das Einstiegsmodell S 36 behielt im wesentlichen die Vorgängereigenschaften, verfügte aber als Grundmodell bereits über einen Brennweitenmotor. Ab Typ S 40 besaßen alle Nizo einen breiteren Handgriff mit Oberflächenstruktur für eine Einschubbox mit sechs Batteriezellen (das Rändelrad der Griffarrettierung wich einem Druckknopf) und wieder eine Rotpunktmarkierung für die problemlose Normalaufnahmeeinstellung, eine zweigängige Zoomverstellung und die Laufwerksgeschwindigkeit von 54 B/sek. für Zeitlupeneffekte. Von der S 55 an aufwärts wurde mit den längeren Brennweiten statt eines Fadenkreuzes wieder ein ausgezeichneter Schnittbildentfernungsmesser eingesetzt. Die S 56 bzw. S 80 wurden mit Blitzlichtanschluss, Einzelbildautomatik mit gesondertem Rändelknopf und einem abgefederten Schieber am Kamerasockel für die variable Sektorenblende ausgerüstet. Bis 1972 wurden Weiterentwicklungen unter der Bezeichnung S 48 (Kamerafunktion wie S 55), S 48-2 (Kamerafunktion wie S 56) und special vorgestellt.

 

Nizo S 480 / S 560 / S 800 / S 800 set 481 / 561 / 801 / 801 set / professional 481 macro / 561 macro / 801 macro 801 macro set / service
Weltspitzenkameras mit Superausstattung

 

Der Wettbewerb verlangte zu Beginn der 70er Jahre technisch immer anspruchsvollere Eigenschaften. Braun behauptete seine Spitzenposition durch Nachfolgereihen mit bemerkenswerten Ausstattungsdetails, u.a. waren 5 Automatikfunktionen integriert. Die Gehäuse wurden deshalb 5 mm breiter, die Typenbezeichnung war jetzt über der Öffnung des Skalenlichtschachtes eingraviert. S 480, S 560 und S 800 erhielten Überblendautomatik mit optischer Anzeige, ein neues 270° Kreissegment für die Filmverbrauchsanzeige und einen Druckknopf für Zeitlupeneffekte. Das stärkere Objektiv der S 800 war silberfarben und auch größer. Diese Kamera wurde als erste ganz in schwarz im limitierten Set mit Akku-Aufladegerät und Tropenkoffer angeboten (als Zubehör aber nicht einzeln erhältlich). Bei den Nachfolgern ab 481 dieser Reihe fehlte das S in der Bezeichnung. Es gab zahlreiche Modifikationen: aufgeklebtes, erhabenes Typschild und griffige Bedienungselemente aus schwarzem Kunststoff statt aus Metall. Drahtauslöseranschluss für Überblendung und Langzeitbelichtung mit zusätzlicher Linse im Lichtschacht und Plustaste für Blendenkorrektur. Es gab eine Ausgangsbuchse am rechten Kamerasockel vom eingebauten Impulsgeber für ein Tonbandgerät. Das bisherige Set wurde in der 801 schwarz fortgesetzt und erweitert durch ein Trickset mit entsprechender Literatur. Die Spitzenstellung nahm die professional ein. In gleicher Gehäuseform - der Kamerafuß war höher, Handgriff und Objektiv mit Rillenstruktur versehen - genügte sie allen Ansprüchen: multicoated Macro-Objektiv, Pilottongenerator für bildsynchrone Tonaufnahme im Zweibandverfahren und die fernsehgenormte Bildfrequenz von 25 B/sek.. Zuletzt erfuhr diese Kamerareihe 1976 eine Innovation mit der Zusatzbezeichnung macro durch die Nahaufnahmeeinrichtung am Objektiv. Kurze Zeit wurde auch eine Kamera unter der Bezeichnung Service geführt.

 

Peter Ziegler Produktübersicht, Michael Unger Fotos: Ja Klatt (12), Braun AG (2)

 

 

Quelle:
Ziegler, P.; Unger, M.: Nizo Die Kameramarke von Braun. In: Design+Design 10, Hamburg Mai 1988, 4-18

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