Hartmut Jatzke-Wigand
 
Peter Ziegler Michael Unger: NIZO - Die Kameramarke von Braun

Peter Ziegler Michael Unger

NIZO - Die Kameramarke von Braun, Teil 3


Teil 3: Tonfilmkameras

Filmen mit Ton war für Nizo-Besitzer nichts Außergewöhnliches. Die bekannten Kameras ließen mit gewissen Einschränkungen eine Vertonung zu. Es gab zwei Möglichkeiten, den Ton zum Bild zu bekommen: Entweder durch Nachvertonung über eine zusätzlich aufgebrachte Magnetspur auf dem bereits entwickelten Film oder über das technisch aufwendige Zweibandverfahren. Dieses bot Lippensynchronisation durch ein gleichzeitig mitlaufendes Tonbandgerät, das die Steuerimpulse durch die Kamera erhielt. Eine Nachvertonung war ebenfalls problemlos. Die Qualität genügte dabei sogar kommerziellen Ansprüchen. Weitere Einzelheiten dazu in einer der nächsten Ausgaben, wenn wir uns mit dem Zubehör befassen. Die bisherige Kombination der Ton- und Bildaufnahme war recht aufwendig. Es war naheliegend, eine Kamera zu konstruieren, die beides integriert hatte. Auch hier hat Braun mit den dann geschaffenen Tonfilmkameras in kürzester Zeit eine gesicherte Marktposition errungen. Zwei Modellreihen wurden nacheinander für unterschiedliche Filmeransprüche konzipiert. Neue größere Superachtfilmkassetten mit bereits aufgebrachter Magnettonaufnahmespur und andere Technologien bei der jetzt kombinierten Film- und Tonaufnahme erforderten andere Konzepte beim Bau von Filmkameras. Aus der Braun-Gestaltung-Abteilung nahm sich Peter Schneider insbesondere dieser neuen Modellreihen an. Parallel lief natürlich der konsequente Ausbau der Stummfilmkameras weiter.

 

NIZO 1048 sound / Nizo 2056 sound
Die ersten Tonkameras von Braun

 

1976 präsentierte Braun der Fachwelt im Münchener Nizo-Werk die langerwarteten Pistentonfilmkameras. Die Typenbezeichnung verrät nach bekannter Manier die Objektivbestückung in der längsten Brennweite. Die Bezeichnung, seitlich am Gehäuse aufgedruckt, trug anfangs noch den Zusatz sound, als konkreten Hinweis auf die neue bildsynchrone Tonaufnahmetechnik. In deutlicher Anlehnung an die charakteristische Linie der erfolgreichen Super-8-Stummfilmkameras waren die neuen Typen ausgesprochene Spitzenmodelle. Neue Überlegungen in Ergonomie und zusätzlich unterzubringende Technik ergaben eine etwas andere Silhouette, das bisherige Rechteckschema wurde verlassen. Um den Tonteil aufzunehmen, wurde das Gehäuse nach unten verlängert. Die hellen, äußeren Schalen waren aus Druckgussaluminium, verbunden durch den mittleren Gehäuseteil, lackiert in schwarzem, leicht strukturiertem Lack. Der nach vorne ausklappbare Handgriff, für 6 Mignon-Batterien, war in eine Schräglage gebracht worden. Ein ursprünglich geplanter Schwenkmechanismus konnte aus patentrechtlichen Gründen nicht realisiert werden. Eine Längsriffelung und ein eingelassener elektromagnetischer Schalter sowie eine neue Öffnungsklappe für die Batteriebox kennzeichneten den voluminösen Griff. Nach vielen sorgfältigen Versuchen an Holzmodellen und Prototypen schien (aufgrund des höheren Gewichts) diese Lage funktioneller und dem Filmer geradezu in die Handfläche konstruiert. Eine ausschwenkbare Stütze erlaubte, anatomisch richtig an den Oberkörper gelehnt, eine Dreipunktauflage und damit eine weitgehende ermüdungsfreie und ruhige Benutzung.

 

Die aus schwarzem Kunststoff gefertigten Drehschalter für die verschiedenen Filmfunktionen, konzentriert auf der oberen linken Bedienerseite, waren denen der Stummfilmkameras nachempfunden. Ebenso Filmvorratsanzeige und Dioptrie-Ausgleich mit der großen Okularmuschel. Neu gestaltete Schiebeschalter für Tonschnitt (nur 2056) und Mikrophon-/bzw. Direktaufnahmewahl waren optisch geschickt senkrecht auf den unteren Gehäuseteil angebracht. Die motorische Brennweitenverstellung mit zwei Geschwindigkeiten wurde über eine große Wipptaste am Gehäusescheitel vor genommen. Alle bekannten technischen Features waren optimiert worden: CdS-Belichtungsmessung durch das Aufnahmeobjektiv, Schnittbildentfernungsmesser, individuelle Justagemöglichkeit der Belichtung und sogar Auf- und Abblendfunktion. Als Objektive kamen die bewährten Macro-Variogone von Schneider zum Einsatz, wobei mit der 2056 sogar die Lichtstärke 1,4 offeriert wurde. Dieses Modell besaß darüber hinaus anstatt zwei sieben wählbare Bildfrequenzen. Das ausgeklügelte Tonaufnahmesystem erlaubte dem Filmer anspruchsvollste Tontechnik. Die Ton- und Bildaufnahme erfolgt dabei jeweils um 18 Bilder versetzt. Es glich einem Kunststück, den vielfältigen Anforderungen der Technik zu genügen und doch ein ansprechendes markantes Gehäuse zu entwerfen, das außerdem noch in eine handliche Ledertasche unterzubringen war. Die Nizo 2056 erhielt 1977 prompt den Preis für gute Industrieform, Hannover. Zum Lieferumfang gehörte das Mikrophon MO 100 (mit Schalter für Fernbedienung der Kamera), Verlängerungskabel, Stativ und Ohrhörer. Die beiden Kameramodelle wurden über zwei Jahre gebaut.

 

NIZO 3048 / Nizo 3056
Im Trend des Marktes

 

Die zu erwartenden Nachfolgemodelle erschienen 1978 im obligatorischen Schwarz. Der Modellzusatz sound entfiel. Neben dem Nizo-Schriftzug auf der Bedienerseite war, erstmalig auf einer Filmkamera, auch das Braun Signet auf der Gehäusefront vorhanden. Ansonsten waren sie absolut identisch mit ihren Vorgängern. Bauzeit: ein weiteres Jahr, die Kameras hatten ihre Marktposition souverän erobert.

 

NIZO 4056 / Nizo 4080
Optimierte Technik und Ausstattung

 

Im gleichen Jahr wurden aber auch echte Weiterentwicklungen vorgestellt, ebenfalls im schwarzen Gehäuse. Hervorstechende Änderung war die Ausrüstung mit einem lichtstarken 1,4/7-80 mm Objektiv mit abschaltbarer Brennweitenautomatik bei der 4080 und Silizium-Belichtungsmessung. Der Antrieb erfolgte durch eine wieder aufladbare NC-Akku-Box - das Ladegerät Braun SR 9 gehörte zum Lieferumfang. Das Teleskop-mikrophon MD 1000 hatte eine Nierencharakteristik und konnte über eine spezielle Schiene auf der Kameraoberseite, aber auch am Stativgewinde befestigt werden.Über eine rote Leuchtdiode wurde Aufnahmebereitschaft signalisiert. Als Zubehör gab es das Rohrmikrophon MSD 1000 mit ausgesprochener Richtwirkung und besonderem Stativ.

 

Eine weitere gelbe Diode ragte aus der linken Gehäusehälfte zur Anzeige der neuen Überblendautomatik. Insgesamt wurden neun Laufwerksgeschwindigkeiten angeboten. Eine Kamera bestand aus 1280 Einzelteilen, davon waren ca. ein Drittel elektronische Bauteile. Gewicht nur 1840 g.

 

NIZO 6056 / Nizo 6080
Das Optimum

 

Das absolute Spitzenmodell, die Nizo 6080 wurde in den Jahren 1980-85 gebaut und ist heute noch im Fotofachhandel zu bekommen. Im Prospekt von Bauer/Nizo (Bosch) wurde sie 1987 noch als kreativste Super-8-Kamera angeboten. Alles, was gut und technisch machbar war, war berücksichtigt worden bei der opulenten Ausstattung. Die herausragenste Neuerung im Sinne des Wortes war die Verwendungsmöglichkeit einer 60 m-Ton-filmkassette durch die aufklappbare Gehäuseoberseite. Das gab dem Filmer eine bisher unbekannte Dimension, das vorhandene Filmmaterial reichte für 13 Minuten ununterbrochenes Filmen. Damit erhielt der Anwender semiprofessionelle Möglichkeiten selbst beim Einmannbetrieb. Selbstverständlich waren alle Arten von Ab-, Auf- und Überblendungen, neu war eine bildgenau programmierbare unbegrenzte Doppel- bzw. Mehrfachbelichtung, die den Einsatz eines quarzgesteuerten Microcomputers erforderte. Weitere optische Änderungen bildeten die zurückgesetzte gelbe Leuchtdiode und die kombinierte Filmvorratsanzeige für 15 und 60 m-Kassetten sowie eine Verlängerung des Okulars. Die veränderte Gehäuseoberseite erhielt eine neue Mikrophonbefestigung für das nun gelieferte Super-Mikrophon MD 1000. Damit hatte der Filmer dann insgesamt über 2 Kilogramm in der Hand. Die Nizo 6056 erschien etwas später als preisgünstiges Schwestermodell. Dem ambitionierten Filmer wurde darüber hinaus das 6080 Set mit Spezialkoffer mit Kompendium für den Einsatz von Blenden, Masken und Kaschs angeboten. Zu jeder Kamerareihe gehörten wieder maßgeschneiderte Transporttaschen.

 

NIZO integral

 

Braun wollte die mittlere Preiskategorie bei der bisherigen Ausrichtung auf Spitzentechnologie aber nicht vernachlässigen. Es wurde ein Weg gesucht, ein qualitativ hochwertiges Tonfilmkameramodell zu konstruieren, das in der Produktion aber günstiger herzustellen war. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Obgleich in der Aufsicht unschwer formale Redundanzen erkennbar waren, vermutet man im ersten Augenblick keine Gemeinsamkeiten. Zum ersten Mal ein Kunststoffgehäuse in mattschwarzem Finish. Gelöst von alten formalen Bindungen zur großen Kameraserie wurden insbesondere neue Detail-Lösungen gefunden. Es waren kompakte Universalkameras mit einem ungewöhnlichen Handhabungskomfort entstanden. Statt Einstellknöpfen jetzt in gleicher Position eine Leiste mit Schiebeschalter, das Mikrophon ragte aus dem ebenfalls schräg nach vorne angeordneten festen Handgriff (auf diesem stand unverkennbar Made in Germany). Die Elektronik befand sich auf einer steckbaren Leiterplatte. Modultechnik erlaubte den Aufbau in Baugruppen und war somit service-freundlich. Das aus g!asfaserverstärktem Makralon hergestellte formschöne Gehäuse umschloss eine hochwertige diffizile Technik. Der Name für so viel geballte Technik lautete treffend: integral. Die Auszeichnungen ließen nicht auf sich warten: 1980 vom Design Zentrum Stuttgart und der Guten Industrieform Hannover.

 

NIZO integral 5, 6, 7
Innovation in Gestaltung und technischer Konzeption

 

1976 erschienen mit einer insgesamt fünf- bzw. sechsjährigen Bauzeit die drei ersten Typen. Die Serie begann mit der Bezeichnung 5 und hatte damit keine Verbindung mehr zur Objektivbestückung. Optischer Blickfang war die Schalterleiste mit flachen nach oben und unten zu schiebenden leicht geriffelten Schaltern. Sie hatten in der Seitenansicht eine trapezförmige Form und trugen deutliche Funktionsmarkierungen bzw. waren in Kleinschreibung beschriftet. Abgeschlossen wurde diese Leiste an den Enden durch ein entsprechend geformtes Kunststoffstück und durch eine geschickt angefügte neue Filmvorratsanzeige. Die bekannte Rotpunktmarkierung als Grundeinstellung für spontanes unbeschwertes Filmen wurde durch die eindeutige Mittelstellung der Schiebeschalter abgelöst. Die Kameratypenbezeichnung auf der linken Gehäusehälfte war komplett, zusätzlich mit etwas Abstand daneben das Braun-Signet. Die übernommene ausklappbare Schulterstütze war obligatorisch. Das abnehmbare Mikrophon konnte ca. 20 cm über ein Teleskop aus dem Handgriff herausgezogen werden und besaß Nierencharakteristik. Die Schalterwippe für die Brennweitenverstellung war geblieben. Eine elektronische Automatikfunktion überwachte die Belichtungsmessung mit Hilfe eines Silizium-Fotoelements und eines elektrischen Stellmotors. Ein Glanzstück im Objektivbau stellten die brandneuen computerberechneten Macro-Objektive von Schneider mit einer Lichtöffnung von 1:1,2 dar. Die extreme Lichtdurchlässigkeit des Objektivs war für deren großen Durchmesser verantwortlich. Die verschiedenen Brennweiten waren auch die einzigen Unterscheidungsmerkmale zwischen den Modellen.

 

NIZO integral 10
Superstarke optische Ausrüstung

 

Als letztes Modell in dieser Serie besaß die integral 10 bei sonst gleichen Ausstattungsmerkmalen einen schweren Brocken als Objektiv: 1:1,4 mit der Brennweite 7-70 mm. Alle Kameras hatten natürlich eine Macroeinrichtung für Filmen ab Frontlinse. Für die integral wurde eine Tasche als Zubehör angeboten, die als Accessoires auch Gummisonnenblende, Augenmuschel, Ohrhörer und Mikrophone Windschutz umfasste.

 

Hinweise für Sammler

 

Aus diesen Reihen gibt es z.Z. noch keine echten Sammlerstücke. Vielmehr sollte man eine Kamera besitzen, sie benutzen und eines Tages ... .

 

Text: Peter Ziegler Fotos: Braun AG Produktübersicht: Michael Unger Peter Ziegler

 

Dieter Rams zur Design-Entwicklung der Tonkamera "Nizo 2056 sound"

 

Diese erste Skizze zeigt, wie der Grundaufbau der neuartigen Ton-Film-Kamera nach den Vorstellungen der technischen Entwicklung hätte aussehen können. Aus den Vorgaben schien sich zwangsläufig ein bestimmter Grundaufbau zu ergeben, der die bekannte rechteckige Form der Nizo-Kamera beibehielt. Schon die ersten einfachen Modelle machten uns deutlich, dass durch die hier größeren Filmkassetten dieser Aufbau formal nicht realisierbar ist: Der quadratische Körper, die sehr hochliegende Achse des Objektiv-Okulars, der senkrechte Griff - alles bewirkte, dass die Kamera betont hoch und kopflastig erschien. Wir haben dann mit dieser Alternative begonnen: Der Kamerakörper ist kein einfaches Rechteck mehr, der hinzugekommene Tonteil setzt sich deutlich zur waagerechten Ausrichtung ab. Auch der Griff wurde waagerecht konzipiert - das Kameragewicht ruht so auf der ganzen Handfläche. Allerdings für eine ruhige Führung ist dieser starr waagerechte Griff nicht optimal. Nach Versuchen konzentrierten wir uns auf eine Synthese: den schrägstehenden Griff. Diese Anordnung erwies sich am vernünftigsten in Handhabung und Führung der Kamera. Im Befestigungsprinzip entschieden wir uns für ein waagerechtes Scharnier, mit dem der Griff platzsparend hochzuklappen ist. Eine Schulterstütze - wie bei Profikameras - erleichtert das Halten und Führen der Kamera. Wir entschieden uns für eine neuentwickelte Lösung: eine mit der Kamera fest verbundene, hochklappbare Schulterstütze. Was dann folgte, war ein detailliertes, teilweise funktionsfähiges Modell mit allen Bedienungselementen. In dieser Stufe waren die Seitenschalen noch schwarz. Eine Reihe von Überlegungen sprach für helle Seitenschalen, die für Nizo-Kameras charakteristisch geworden sind.

 

 

Quelle:
Ziegler, P.; Unger, M.: Nizo Die Kameramarke von Braun Teil 3. In: Design+Design 13, Hamburg Mai 1989, 22-30

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