Hartmut Jatzke-Wigand
 

Hartmut Jatzke-Wigand

Das Bose Lifestyle 20 Music System 1)


1964 gründet der Professor Dr. Amar G. Bose vom Massachusetts Institute of Technology (M.I.T.) die Bose Corporation (Abb. 1). Grundlage bilden seine Patente und Forschungsergebnisse u.a. in den Bereichen Akustik und nichtlinearer Systeme. Durch konsequente Forschung gekoppelt mit ungewöhnlichen Konstruktionsideen gelingen in dem Audioproduktbereich bedeutende Innovationen - die Bose Corporation entwickelt sich weltweit zu einem der führenden Audiohersteller 2).
Das Bose Lifestyle 20 Music System verkörpert signifikant die Bose Produktphilosophie (Abb. 2) 3). Das System setzt mit seiner innovativen Audiotechnologie, der eleganten, harmonisch proportionierten Centergestalt, den präzise durchgearbeiteten Jewel Cube Lautsprechern Standards für eine zukünftige Generation von Musikanlagen 4).

 

Das Projekt 'Cricket Speaker'

 

Ausgangspunkt der über dreijährigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für das Projekt 'Cricket Speaker' bildet eine substantielle Diskussion des Teams mit Lou Genatossio (Leiter des Bose Design Teams), Dave Hanson (hauptverantwortlicher Entwicklungsingenieur) und Dr. Amad G. Bose über Möglichkeiten einer extremen Reduzierung des Lautsprecherkörpers (Abb. 3) 5).
Die Klangwiedergabe eines Lautsprechers ist abhängig von der Bewegungspräzision seiner mechanischen Bauteile. Nur kleinstmöglich bewegte Bauteile mit reduzierter Membranfläche garantieren die vollkommen symmetrische, lineare Konusauslenkung und die damit verbundene Verzerrungsfreiheit.
Lou Genatossio kennzeichnet das hochgesteckte Entwicklungsziel des Teams :"Die Konzeption eines außergewöhnlich kleinen Lautsprechers mit traditionellem Bose Klang, dessen Design die innovative Audiotechnologie auch visuell ausdrückt" (Abb. 4) 6). Als problematisch erscheint ihm, daß "durch die extrem kleinen Abmessungen der Jewel Cube Lautsprecher die Konsumenten ihn eher als Spielzeug, denn als hochwertigen Lautsprecher abtun könnten " 7).

 

Der Jewel Cube - eine ästhetische Klangskulptur

 

Der Jewel Cube basiert auf der von Bose 1968 mit dem Lautsprecher Typ 901 eingeführten 'Direct-Reflecting' Wiedergabe - die Lautsprecher reproduzieren im Wohnraum die konzertgleiche Verteilung von direktem und indirektem Schall (Abb. 5 und 6) 8).
Die runde Portabdeckung und der durch den exakt gesetzten Gehäuseeinschnitt akzentuierte zylindrische Portkörper verdeutlichen die wichtige Benutzerfunktion der Jewel Cubes: durch Verdrehen der beiden Einzelcubes gegeneinander eine dem jeweiligen Raum angepaßte Direct-Reflecting Wiedergabe zu gewährleisten. Die Gestaltungsmerkmale erläutern ihre Handhabung (Assoziationskette: rund - Gelenk - drehen), sie besitzen so eine Selbsterklärungsqualität (Abb. 7) 9).
Nur die Verwendung des seltenen Magnetmaterials Neodymium Iron Boron erlaubt die Realisierung einer Magnetschwingspuleneinheit mit kleinem Durchmesser, aber kraftvollem Hub. Der Hub bewegt ein großes Luftvolumen. Dafür wäre bei einer Frequenz von 190 Hz ein Portsystem von mindestens 10 cm Länge bei 1 cm Durchmesser notwendig (Abb. 8). Dies steht der gewünschten Reduzierung des Lautsprecherkörpers entgegen. Osman Isvan vom Bose Design Team löst dieses Problem durch eine schneckenförmige Integration des Ports in das Gehäuse (Abb. 9 u.10). Eine geniale Idee, bei der die Gehäuseausformung der Nautilusschnecke den entscheidenen Denkanstoß gibt. Die Designer integrieren nach mehreren Modellstudien die konisch geformte Austrittsöffnung des Nautilusports perfekt in den Lautsprecherkörper.
Den Jewel Cube kennzeichnet eine strenge, harmonisch proportionierte Grundform (H.11,3 cm, B.5,6 cm, T.8,2 cm). Die exakt gewählten Kantenradien - eine große Herausforderung für die Werkzeugherstellung und Kunststoffverarbeitung - vermitteln den Eindruck technischer Präzision, sie verweisen auf die innovative Audiotechnologie. Diesen Eindruck unterstreichen die hochwertige Verarbeitung, die perfekten Oberflächen und das feindurchbrochene Metallgitter der Lautsprecherabdeckung.
Der Jewel Cube wirkt wie eine ästhetische, präzise ausgeformte Kleinskulptur - er setzt einen Gebrauchswertstandard 10). Seine formale Gestaltung verdeutlicht die hohe Wertschätzung Lou Genatossios für einen mehr neofunktionalistisch geprägten Designansatz, den auch das für ihn vorbildhafte Design von Hans Gugelot und Dieter Rams verkörpert 11).

 

Die Fernbedienung

 

Die Fernbedienung arbeitet mit Funkfrequenzen (Abb. 1). Das komplette System läßt sich deshalb von jedem Raum aus steuern. Zwei unterschiedliche Programmquellen können durch eine optionale Systemerweiterung von einem Center aus unabhängig voneinander gehört, aber mit einer Bedienung gesteuert werden. Die spezifischen Bedienfunktionen sind auf wenige Tasten reduziert.
Die Fernbedienung wirkt im Vergleich zum Jewel Cube und Lifestyle Music Center nicht konsequent genug durchgestaltet. Bose stellt deshalb auf der IFA 99 eine technologisch und formal neuartige Bedienung vor 11).

 

Das Lifesyle 20 Music Center

 

Das Lifestyle 20 Music Center stimmt mit seinem schmalen Profil, reduziertem Volumen und der spannungsreichen Linienführung mit dem Vorgängerprodukt - ein Entwurf von John Grinkus - überein (Abb.11 u. 12). Formal erinnert die flache Centergestalt mit ihren proportionierten Radien an den von Mario Bellini 1972 für Olivetti entworfenen elektronischen Tischrechner Divisumma (Abb. 13) 12).
Problematisch erweist sich beim Music Center die technologische und formale Integration des Sechser CD-Wechslers. Paul Warren trennt die CD-Wechsler Mechanik vom Gehäuse - das ermöglicht eine kompaktere Bauweise bei gesteigerter Erschütterungsfreiheit (Abb. 14). Das Designteam entwirft für die Geräteoberseite eine betonte Einkerbung der Gehäuseklappe mit genau gewählten Einschnittwinkel (Abb. 15). Die Bedienung der Sechser CD-Cassette vereinfacht der zurückliegende Sockel, er vermittelt dem Center zusätzlich eine visuelle Leichtigkeit.
Die schräge, pultförmige Anordnung der Bedienelemente sowie ihre Symbolkennzeichnungen unterhalb der Abdeckung gewährleisten einen optimalen Handhabungskomfort. Dies gilt auch für die auf der Rückseite positionierten, farblich und grafisch deutlich gekennzeichneten Anschlüsse, die das problemlose Zusammenschalten des Centers mit anderen Systemkomponenten ermöglichen.
Das dunkle Display steht im reizvollen Kontrast zur gebürsteten Metalloberfläche. Silbrig glänzend harmoniert sie mit den schwarzen, geriffelten, sorgfältig in die Gehäuserundungen eingefügten Seitenteilen. Materialauswahl und Oberflächenstruktur unterstreichen wie bei dem Jewel Cube die formale Perfektion, die Eleganz des Music Centers. Es fügt sich deshalb harmonisch in jedes Ambiente.
Die grünen Ziffern und Symbole sind im eingeschalteten Zustand durch Größe und Anordnung unterhalb der Displayabdeckung gut ablesbar: ein weiteres Merkmal für Funktionalität im Detail.
Das Design Lou Genatossios folgt keinen kurzlebigen Designtrends. Sein Designteam versucht weder durch vielfältige, an Flugzeugcockpits erinnernde Bedienungselemente Professionalität auszudrücken noch durch z.B. motorgetriebeneTüren spielerische Elemente einzubringen. Das Design des Centers unterstreicht wie das des Jewel Cubes die innovative Audiotechnologie der Bose Corporation. Es wird auch im nächsten Jahrzehnt noch Bestand haben.

 

Text: Hartmut Jatzke-Wigand
Fotos: Bose, J. Klatt

 

 

Quelle:
Jatzke-Wigand, H.: Das Bose Lifestyle 20 Music System. In: Design+Design 49, Hamburg 1999, 4-11

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