Hartmut Jatzke-Wigand
 

Hartmut Jatzke-Wigand

Das 'Computer MusicMonitor' Lautsprechersystem von Bose


Das 'Computer MusicMonitor' Lautsprechersystem ergänzt mit seinem Nutzerprofil sinnvoll die Produktlinie Personal Audio der Bose Corporation (Abb. 1). 1) 2) 3) Dieses komplette Sortiment innovativer Audiolösungen für Multimedia umfasst u.a. das 'Companion 5 Multimedia Speaker System' für die Erzeugung eines Sourround ähnlichen Klangbildes, Headphones oder das transportable 'SoundDock Portable Digital Music System' für die klare Wiedergabe der im iPod gespeicherten digitalen Informationen (Abb. 2 und Abb. 3). 4) 5)

 

Der folgende Beitrag untersucht schwerpunktmäßig die formale Gestaltung des 'Computer MusicMonitor' Lautsprechersystems. Ein designhistorischer Kontext zeigt wie der weltweit anerkannte Produktdesigner Dieter Rams vor 50 Jahren die Gestaltung miniaturisierter Audioprodukte richtungweisend antizipierte.

 

Das Projektziel: Nuancenreiche Klangwiedergabe bei substantiell reduzierter Gehäusegestalt

 

Die Produktentwicklung des 'Computer MusicMonitor' Lautsprechersystems stellt die Physiker, Ingenieure und das Designteam unter Leitung von Mike Laude vor große Herausforderungen. Laut Projektdefinition sollen nur zwei Lautsprecher für Laptop oder Desktop Computer die gewünschte nuancenreiche, aber zugleich kraftvolle Audiowiedergabe ermöglichen. 6) 7) Außerdem sollen sie eine auf das Substantielle reduzierte Gehäusegestalt aufweisen.

 

Grundsätzlich besitzt bei der Bose Corporation das Design die Funktion die innovativen Technologien durch eine präzise Gestaltung formalästhetisch auszudrücken, dabei die jeweilige Bedienung anhand von Selbsterklärungsfunktionen zu vereinfachen und durch die elegante Gestaltung die Integration der Produkte in jedes Ambiente zu gewährleisten. 8) Deshalb diskutieren bei der Konzeption des 'Computer MusicMonitor' Lautsprechersystems die Ingenieure zuerst die Balance zwischen den erforderlichen akustischen und elektronischen Parametern bezogen auf eine mögliche Gehäusegestalt. 9) Danach erhält das Bose Designteam die Aufgabe auf Basis der definierten technologischen Vorgaben jedes Detail präzise durchzugestalten.

 

Ein designhistorischer Kontext – das Kleingeräte-Programm der Braun AG

 

Der für die Braun AG wirkende Produktdesigner Dieter Rams antizipiert 1959 mit seinen Entwürfen und Prototypen für ein Kleingeräte-Programm einen zur Zeit aktuellen Designtrend (Abb. 4 und Abb. 5). 10) Dieser Trend basiert einerseits auf die konsequente Erforschung und Umsetzung digitaler Technologien und andererseits auf eine auf geometrische Grundformen bezogene reduzierte Formensprache mit sensibel entworfenen und homogen angeordneten Details. Richtungweisend für diese Designauffassung gelten u.a. die vom Team IDG gestalteten Apple Produkte, die Audiogeräte von Muji oder die vom Bose Designteam gestaltete Produktlinie Personal Audio. 11) 12) 13)

 

1959 gestaltet Dieter Rams den miniaturisierten Plattenspieler 'P 1' als erstes Produkt eines technologisch und formal aufeinander abgestimmten Kleingeräte-Programms. Eine Halterung fasst den Plattenspieler 'P 1' mit dem Taschenempfänger 'T 4' zur Phonokombination 'TP 1' zusammen (Abb. 6). 14) Hier zeigt Dieter Rams sein subtiles Gespür für die spannungsvolle Organisation von Elementen auf Flächen – sie verleiht dieser Kombination einen hohen ästhetischen Reiz.

 

Zur klangvolleren Audiowidergabe entwirft Dieter Rams den Lautsprecher 'LO 2' mit integriertem Verstärker (Abb. 5). Harmonisch proportionierte Schlitzungen prägen seine grafisch organisierte Vorderseite. Der 'LO 2' ist wie der 'Computer MusicMonitor' nach hinten geneigt. Dieter Rams ordnet die Bedienelemente seitlich an und gestaltet – typisch für seine Designauffassung - auch die Rückseite.15) Der Lautsprecher sollte sich mit verschiedenen Taschenempfängern der Braun AG kombinieren lassen oder zusammen mit der Phonokombination 'TP 1' eine Stereowiedergabe ermöglichen. Technologische Probleme – die erforderliche Größe und Wärmeentwicklung eines Netzteils und Verstärkers im Lautsprechergehäuse und die noch unausgereifte Transistortechnologie – verhinderten 1959 die Produktion dieses erstaunlichen Entwurfs.

 

Der 'Computer MusicMonitor' Lautsprecher

 

Physikalische Gesetzmäßigkeiten bedingen für die kraftvolle Wiedergabe des hörbaren Frequenzspektrums ein bestimmtes Gehäusevolumen. Zusätzlich bewirken Bässe bei reduzierter Gehäusegrundfläche ungelenkte Bewegungen auf der Unterlage. Die Lösung dieser Probleme erreichen die Bose Ingenieure bei minimierter Lautsprechergestalt durch aufeinander abgestimmte innovative Technologien. Sie integrieren in den rechten Lautsprecher den auf kleiner Platine befindlichen von Bose patentierten Schaltverstärker. 16) Außerdem erzielt die patentierte Signalverarbeitung zusammen mit der Active Electronic Equalisation eine nuancenreiche Wiedergabe und Klangpräzision mit ausgewogener tonaler Balance bei sämtlichen Lautstärken.

 

Technologisch und formal prägend für den 'Computer MusicMonitor' ist die Integration zweier Passivstrahler (Dual Internal Opposing Passive Radiators) in das Gehäuse. 17) Sie sorgen für die kraftvolle Basswiedergabe. Durch ihre gegenüberliegende Platzierung gleicht jeder Radiator die vom anderen erzeugten mechanischen Vibrationen aus. Deshalb ruht der Lautsprecher auch bei hoher Lautstärke fest auf der jeweiligen Unterlage.

 

Den Ausschnitt der länglichen Öffnung (Slot) für die Basswiedergabe der Radiatoren formt das Designteam sorgfältig aus. Sie integriert diese Öffnung strukturell und harmonisch in den Körper (Abb. 7). Ein 8 mm breiter schräger Grad begrenzt die Seitenflächen. Ihre Eckpunkte akzentuieren vier verchromte Schrauben. Durch diese formale Betonung wirkt die Fläche visuell wie zusammengezogen. Der Grad unterstützt durch optische Verringerung des Lautsprechervolumens diese Wirkung. Das Designteam erprobt mit intensiven Studien die Gradbreite, seine Profilierung und den jeweiligen Neigungswinkel auf die gewünschte visuelle Reduzierung anhand mehrerer Prototypen (Abb. 8).

 

Eine optimierte Schallabstrahlung ermöglicht die nach hinten geneigte Vorderfront mit dem Schallwandler (Abb. 9). 18) Den unteren Flächenteil winkeln die Designer mit sorgfältig proportioniertem Radius nochmals um neunzig Grad ab – die Vorderfläche wirkt so weniger massiv. Das silberfarbene, fein durchbrochene Lautsprechergitter mit diskret gesetztem Bose Logo, die harmonisch aufeinander abgestimmten Proportionen und die exakt passenden Anschlüsse und Übergänge zwischen den begrenzenden Flächen betonen die präzise Gestaltung.

 

Das silberfarbene Gehäuse des 'Computer Music Monitors' mit seinen geringen Abmessungen (6,5 x 12,2 x 12,3 cm (H x B x T)) besteht aus Aluminium. 19) Die Gehäusewände halten so den immensen Druck der durch den Schallwandler bewegten Luftmassen stand. Außerdem leitet das Material Aluminium die durch den Digitalverstärker erzeugte Wärme hervorragend ab und betont zugleich die Wertigkeit der formalästhetisch langlebigen Gestaltung des 'Computer MusicMonitor' Lautsprechersystems.

 

Die Installation und Bedienung

 

Das 'Computer MusicMonitor' Lautsprechersystem lässt sich sehr einfach transportieren, installieren und bedienen (Abb. 10). 20) 21) Der Ein- und Ausschalter sowie die Bedientasten für die Lautstärkeregelung befinden sich an der Innenseite des rechten Lautsprechers. Das Designteam ordnet die Bedienelemente in Bezug zum länglichen Slot der Radiatoren streng nach einer Rastertypografie. Eine weiße LED leuchtet bei Aktivierung des Systems unterhalb des Lautsprechergitters. Das System lässt sich auch wahlweise mit der eleganten Fernbedienung steuern.

 

Dem Bose Designteam unter der Leitung von Mike Laude gelingt es mit funktionaler Produktsprache gekoppelt mit präzise durchgearbeiteten Details, mit spannungsvollen Linienführungen und harmonischen Proportionen gekonnt die innovative Technologie des 'Computer MusicMonitor' Lautsprechersystems zu visualisieren. Im Juni kann das Designteam die weltweit begehrte Auszeichnung 'red dot: design team of the year' für ihre Gesamtleistung bei Umsetzung von innovativen Technologien in funktionale und optisch überzeugende Gestaltungen in der Essener Oper in Empfang nehmen. Die formale Ausprägung des 'Computer MusicMonitors' Lautsprechersystems honorieren zusätzlich die Fachjuroren mit der Auszeichnung für höchste Designqualität - den red dot: best of the best. 22). Dieses auch für Industriedesignsammler interessante System wird sicher weltweit noch weitere Auszeichnungen gewinnen.

 

Text: Hartmut Jatzke-Wigand
Fotos: Bose Corporation, Braun AG und Jo Klatt

 

 

Quelle:
Jatzke-Wigand, H.: Das 'Computer MusicMonitor' Lautsprechersystem von Bose. In: Design+Design 84, Hamburg Juni-August 2008, 8-13

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