Hartmut Jatzke-Wigand
 

Hartmut Jatzke-Wigand

Eine perfekte Form für innovative Technologien: das neue 'WAVE Music System'


Dr. Amar G. Bose betont bei der Pressevorstellung des neuen 'WAVE Music Systems' die herausragende Bedeutung konsequenter Grundlagenforschung für die Bose Corporation (Abb. 1 und Abb. 2). 2)3) Nach seiner Erfahrung ermöglichen die gewonnenen Ergebnisse dieser Forschungen und die erforderliche interdisziplinäre Entwicklungsarbeit für deren technologische Realisierung jedoch oft nur Verbesserungen in kleinen, aber systematisch aufeinanderfolgenden Schritten. Deshalb sind an der Weiterentwicklung des 'Wave Radio/CD' zum 'WAVE Music System' über 250 Bose-Ingenieure mehrere Jahre lang intensiv beteiligt. 4) Basierend auf der weiterentwickelten Wave Guide-Technologie ermöglicht das neue 'WAVE Music System' eine beeindruckend naturgetreue Klangwiedergabe. 5)6)

 

Der folgende Beitrag erläutert die Innovationen des 'WAVE Music Systems' und deren technologische Realisierung, er analysiert die Gestaltung im Zusammenhang mit dem Designprozess.

 

Weiterentwicklung der innovativen Wave Guide-Technologie

 

Ausgehend von Grundlagenforschungen über Kinosound-Systeme entwickeln Dr. Amar G. Bose und Dr. William R. Short vor über 30 Jahren die Acoustic Wave Lautsprechertechnologie, die Anwendung im 'Acoustic Wave Music System' (1984), in dem 'Wave Radio' (1994) und dem 'Wave Radio/CD' (1999) findet. 7)8)9)

 

Mathematische Analysen der Bezugsgrößen zwischen Lautsprecher und Wave Guide ermöglichen den Bau des ersten Prototyps für das 'WAVE Music System' - ein zum Ausgang hin schmaler werdender rechteckiger Kanal von 66 cm Länge (Abb. 3). Dabei stimmen die Ingenieure die Lautsprecherparameter des Full Range Drivers (Durchmesser 6,3 cm) exakt auf die harmonische Frequenz des Wave Guides ab. Nach komplexen Analysen und weiteren experimentellen Versuchsaufbauten gelingt es die beiden langgestreckten Wave Guides zu falten - sie passen so in das vorgegebene Gehäuse des 'WAVE Music Systems' und münden in dem zentralen Port auf der Gehäuserückseite (Abb. 4). Dabei bereitet die Führung des Luftstroms durch den gefalteten Wave Guide ohne auftretende Luftturbulenzen an dessen Krümmungen besondere Schwierigkeiten. 10) Das optimierte Zusammenwirken von Lautsprecher und Wave Guide gekoppelt mit einer patentierten Signalverarbeitung sorgt bei dem 'WAVE Music System' auch bei niedrigen Lautstärken für den klaren, raumfüllenden Klang mit kraftvollen Bässen. 11)

 

Geräteaufbau

 

im Vergleich zum 'Wave Radio/CD' voluminösen Wave Guides erfordern bei gleicher Gehäusegestalt eine Platzreduzierung der elektronischen Komponenten. Nur die neu konzipierte und programmierte digitale Hardwarearchitektur, die Verwendung minimierter elektronischer Komponenten und eine extrem hohe Packungsdichte ermöglichen diese notwendige Reduzierung. Schwierigkeiten bereitet die Wärmeentwicklung der Komponenten. Aufwendige Messverfahren diagnostizieren die Wärmequellen, visualisieren sie durch Computersimulation. Wärmeableiter platzieren die Ingenieure in die Nähe des Ausgangsports. Eine raffinierte Idee: durch die Schiitzungen an der Geräteober- und Unterseite entsteht ein Luftsog mit optimaler Wärmeableitung.12)

 

Das Design des 'WAVE Music Systems

 

Grundsätzlich verkörpert die elegante Gestaltung des 'Wave Radio/CDs' mit seiner kompakten Form (36,8x10,6x21,9 cm) und einfacher Bedienung Boses Designprinzipien. Dieses von John Grinkus 1991 entworfene originäre Design folgt mit seinem visuell langlebigen Erscheinungsbild keinen Designtrends. 13) Das Ziel des Industriedesigners Seth Green für die Überarbeitung des 'Wave Radio/CDs' ist klar: jedes Detail so einfach wie möglich zu gestalten, dabei die Proportionen zu verbessern, die Rückfront optimal zu integrieren, die Bedienung nochmals zu vereinfachen (Abb. 5 und Abb. 6).14)

 

Die ersten Prototypen weisen einen von oben bedienbaren CD-Player auf. Erst beim dritten Prototyp integriert Seth Green den CD-Slot unter dem Display in die Gerätefront (Abb. 7). Eine sehr elegante Lösung - dadurch entfällt die komplizierte Gestaltung des Gelenks sowie die Integration der CD-Tür in die Gesamtgestalt. Zufrieden äußert sich Seth Green: "Die Systemsteuerung erfolgt ausschließlich über die Fernbedienung. Durch Wegfall der Bedienfunktionen wirkt das Gerät noch eleganter, zugleich einfacher bedienbar." 14)15)

 

Ausgewogene Proportionen bestimmen das 'WAVE Music System'. Der zurückliegende Sockel steht in harmonischer Proportion zur Gehäusehöhe. 16) Die beidseitig gelegenen, exakt proportionierten rechteckigen Lautsprecherausgänge, die Integration des Displays und des darunter liegenden CD-Slots unterstreichen die Produktsymmetrie. Die subtilen Radien an den Kanten reduzieren visuell die Höhe des 'WAVE Music Systems' (Abb. 6).

 

Seth Green arbeitet die Gehäusedetails des 'Wave Radio/CDs' exakt durch, er ordnet die Einzelelemente (Abb. 8 und 9). So gestaltet er die Radien der Stege und Rillen der Vorderfront präzise und mit engen Abstand - eine große Herausforderung für die Werkzeugherstellung und Kunststoffverarbeitung. Diese gestalterischen Akzentuierungen vermitteln den Eindruck technischer Präzision (Abb. 10).

 

Problematisch erweist sich die Positionierung der Einspritzöffnung für das ABS-Kunststoffgehäuse. Um die gleichmäßige Erkaltungstemperatur des Kunststoffs zu erreichen, ist eine mittige Einspritzöffnung auf der Gehäuseoberseite erforderlich. Nur die enge Kooperation zwischen Designern, Kunststoffingenieuren und Konstruktionsingenieuren ermöglicht dieses Problem zu lösen (Abb. 11). Sie verlegen die Einspritzöffnung in den hinteren Kühlrippenbereich - die regelmäßige Oberflächenstruktur wird somit gewährleistet.

 

Formal integriert Seth Green die bei dem 'Wave Radio/CD' gestufte Rückseite in die Gesamtgestalt. Die harmonisch proportionierten Schlitze überdecken den Portausgang, sie sorgen zugleich für die Kühlung der Bauteile (Abb.12 und 13).' 61 Das 'WAVE Music System' lässt sich frei im Raum platzieren, es wirkt noch flacher und eleganter als sein Vorgängermodell. Diese Leistung honorier die prominent besetzte Jury, die dieses System als innovatives Designprodukt am 4. Juli 2005 mit dem "reddot: best of the best" design award auszeichnet.

 

Die Bedienung des 'WAVE Music Systems'

Die Infrarot-Fernbedienung - in zwei verschiedenen Größen erhältlich und somit auf verschiedene Nutzergruppen abgestimmt - ist das zentrale Interface zwischen Nutzer und dem System (Abb. 14). Die leicht gewölbten Tasten, ihre grafischen Kennzeichnungen und Anordnungen in Bedienfeldern erleichtern die einfache, intuitive Bedienung.

 

Der klar gestaltete CD-Slot mit automatischem CD-Einzug befindet sich unterhalb des Displays. Besonderen Wert legen die Interface- Designer auf die CD- und MP3-CD Wiedergabe. Der Abspielmodus lässt sich je nach Nutzerwunsch während der CD-Wiedergabe vielfältig gestalten. M P3-Musikdateien gibt das 'WAVE Music System' entsprechend der auf dem Computer abgelegten Ordnerstruktur wieder. Titel, Künstlername und den jeweiligen Bedienstatus zeigt das Display mit erweiterter Textfunktion. Durch die automatische Leuchtstärkeanpassung lassen sich die kontrastreichen Ziffern, Buchstaben und Symbole sehr gut ablesen. Typisch für die Detailgenauigkeit des Bose Entwurfsteams: ein papierdünner Schlitz zwischen Display und Gehäuse vermeidet eventuell auftretende Vibrationen.

 

Fertigung

Die Fertigungsingenieure konstruieren für das neue 'WAVE Music System' in South Carolina eine Fertigungsstraße mit insgesamt 41 lndustrierobotern. Sie wenden dabei Erfahrungen aus der Automobilindustrie an, um bei hohem Qualitätsstandard kosteneffizient zu produzieren. 171 Speziell für die Qualitätssicherung entwickelte automatisierte, computergesteuerte Testverfahren gewährleisten genaue Kontrollen. Die Computer speichern die Messergebnisse, die Geräte- und Bauteilnummern - mögliche Fehler können Fertigungsprüfer bis zur Fehlerquelle zurückverfolgen. Grundsätzlich begreifen die Forscher und Entwickler der Bose Corporation die Einzelteile, die Komponenten, die Bedienung, das Design des Produkts, die Räumlichkeit, der von dem Menschen individuell wahrnehmbare Klang, die Fertigung und das Marketing als Einheit.1•I Nur dieser Systemansatz ermöglicht Bose die standardsetzenden Innovationen im Audio-Produktbereich - immer mit dem Ziel einer möglichst naturgetreuen Klangwiedergabe. 1•1

 

Text: Hartmut Jatzke-Wigand

Fotos: Bose und Jo Klatt

 

Der Verfasser dankt ausdrücklich Seth Green und Jürgen lmandt für ihre große Mühe und Geduld bei der Beschaffung des Informations- und Bildmaterials.

 

 

Quelle:
Jatzke-Wigand, H.: Eine perfekte Form für innovative Technologien: das neue 'WAVE Music System'. In: Design+Design special 2, Hamburg Juli 2005, 1-23

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