Hartmut Jatzke-Wigand
 

Hartmut Jatzke-Wigand

3∙2∙1 DVD Home Entertainment Systems von Bose


"Details sind keine Details – sie prägen das Produkt. Am Schluss sind es die Details, die das Produkt lebendig machen." 1)

Charles Eames

 

1. Innovative Produkte durch systematische Grundlagenforschung

 

Die Bose 3∙2∙1 DVD Home Entertainment Systems sind Resultate einer interdisziplinären, komplexen Forschungs- und Entwicklungsarbeit des Bose Laboratoriums in Framingham (Massachusetts) (Abb. 1). 2) 3) Die Bose Corporation gründet 1964 der Professor Dr. Amar G. Bose vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) (Abb. 2). 4) Grundlage bilden dabei seine Patente und Forschungsergebnisse in den Bereichen Akustik und nichtlinearer Systeme. Durch konsequente Grundlagenforschung und ungewöhnlichen Konstruktionsideen gelingen bedeutende Innovationen - die Bose Corporation setzt so Standards in der wirklichkeitsgetreuen Klangwiedergabe und wächst weltweit zu einem der führenden Entwickler und Hersteller von Audio-Technologien. 5)

 

Seit 2002 profiliert die Produktlinie 3∙2∙1 DVD Home Entertainment Systems das Markenimage von Bose und ergänzt sinnvoll die seit 1989 erfolgreichen Lifestyle Systems, die Wave Music Systems und das vielfältige Sortiment von Personal Audio. 6) Bei den Lifestyle Systems sind die technologischen Parameter der einzelnen Systemkomponenten optimal aufeinander abgestimmt. 7) Die Designer konzentrieren sich auf die Gewährleistung einer möglichst einfachen, intuitiven Bedienung und die elegante Gestaltung der kompakten Systemkomponenten (Abb. 3 und Abb. 4). 8) Auch das singuläre Design der Wave Music Systems mit ihrer bahnbrechenden Waveguide-Technologie beeindruckt durch harmonische Proportionen der kompakten Gestalt gekoppelt mit einfachster Bedienung (Abb. 5 ). 9) 10) Die mehrfach erweiterte Produktlinie Personal Audio bietet ein komplettes Sortiment von Multimedia Audiolösungen. Dazu gehören Multimedia Speaker Systems, Kopfhörer wie der 'Bose On-Ear Headphone' oder das 'SoundDock Digital Music System' (Abb. 6, Abb. 7 und Abb. 8). 11) 12)

 

Nach diesem knappen Überblick über innovative Bose Produktlinien folgt im nächsten Kapitel eine kurze Darstellung der bisher produzierten 3∙2∙1DVD Home Entertainment Systems, um dann im dritten Kapitel das 'Media Center' der Serie I und im Vierten die 'Speaker Arrays', das 'Acoustimass Modul' und die 'Gemstone Speaker Arrays' in ihren zentralen Entwicklungsschritten zu charakterisieren. Es folgen danach im fünften Kapitel das 'Media Center' der Serie II, im Sechsten das neuartige uMusic Playback System und zuletzt die Fernbedienungen. Der bewusst umfangreiche Anhang dient dem ausführlichen Beleg der kennzeichnenden Aussagen zu den einzelnen Systemkomponenten. Der designhistorische Kontext nach dem vierten Kapitel ermöglicht den aufschlussreichen Vergleich zur Braun Anlage 'studio 1000', die 1965 kompromisslos sämtliche verfügbaren technologischen Möglichkeiten und ein eindrucksvolles Design vereint.

 

2. Die Produktlinie '3∙2∙1 DVD Home Entertainment Systems'

 

Die Entwicklungsaufgabe des Projektteams für das '3∙2∙1 DVD Home Entertainment System' unter Leitung der Projektmanager Mike Costa und John Roselli ist komplex und zugleich schwierig zu realisieren: unter Berücksichtigung aktueller Forschungsergebnisse der Psychoakustik und dem Einsatz digitaler Datenverarbeitung sollen zwei Lautsprecher und ein Bassmodul ein Surround Klangbild realistisch wiedergeben. 13) Laut Projektdefinition des Bose 'Corporate Design Center' soll dieses System außerdem ein formal eigenständiges Erscheinungsbild aufweisen, ohne dabei auf die zentralen Bose Designprinzipien wie elegante Gestaltung, Realisierung einfachster Bedienung und eine auf das Substantielle reduzierte Form der einzelnen Systemkomponenten zu verzichten. 14)

 

Von Projektbeginn beteiligt sich der Industrial Designer Seth Green an den Entwicklungsarbeiten – die Gestaltung einzelner Komponenten wird durch seine Tätigkeit integraler Bestandteil der Systementwicklung. Zeitgleich kann deshalb das Projektteam technologische Veränderungen bei den Systembauteilen oder der Packung einzelner Komponenten hinsichtlich der Auswirkungen auf das Design diskutieren. 15)

 

2002 stellt Bose nach mehrjähriger intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit das '3∙2∙1 Digital Home Entertainment System' der neuen Produktlinie vor (Abb. 9). 16) 17) Dabei integriert das
von Seth Green gestaltete kompakte 'Media Center' einen Tuner, DVD-Player, Verstärker und spielt DVD-Video, UKW/MW mit RDS, CD, CD-R/RW und MP3-CDs. 18) Für den realistischen Surround Klang sorgen zwei kleine 'Speaker Arrays', das versteckt platzierbare 'Acoustimass Modul' und verschiedene sorgfältig aufeinander abgestimmte Bose Technologien (Digital 5.1 Decoding, Videostage 5 Decoding, Automatic Tonal Adjustment, Active Electronic Equalisation und Digital Dynamic Range Speaker Compression). 19) Das System zeichnet sich durch technologische und formale Eigenständigkeit, hohe Gestaltungsqualität und eine klare, funktionale Produktsprache aus. Unter Funktionalität versteht das Entwicklungsteam u.a. auch die einfachste Installation, eine gut visualisierte Bedienungsanleitung und die optimale Kühlung technologischer Komponenten. 20)

 

2003 erweitert das '3∙2∙1 GS Digital Home Entertainment System' die Produktlinie (Abb. 10). 21) 22) Das von Bose konzipierte 'TrueSpace Surround Digital Processing' bietet bei diesem System in Kombination mit den in der Größe weiter reduzierten 'Gemstone Speaker Arrays' ein noch realistischeres Surround Klangbild.

 

2005 stellt die Bose Corporation das '3∙2∙1 GS DVD Home Entertainment System' mit zwei 'Gemstone Speaker Arrays' und das '3∙2∙1 DVD Home Entertainment System' mit zwei 'Speaker Arrays' vor (Abb. 11 und Abb. 12). 23) Herbst 2005 folgt das '3∙2∙1 GSX DVD Home Entertainment System' mit dem komplex programmierten uMusic Intelligent Playback System - bis zu 200 Stunden Musik lassen sich damit im 'Media Center' intelligent digital speichern, dabei komprimieren, archivieren, organisieren und nach individuellen Nutzerprofilen automatisch abspielen. 24) 25) Richard Carbone überarbeitet grundlegend das Design des neuen 'Media Centers' der Serie II. Er gestaltet es schlanker, die vergrößerte dunkle Blende und die sorgfältige formale Durchbildung der Details prägen das veränderte visuelle Erscheinungsbild.

 

3. Das '3∙2∙1 Media Center' (Serie I)

 

Das '3∙2∙1 Media Center' (Serie I) mit seiner sanft geschwungenen Vorderfront sowie den stark gerundeten Seitenkanten besitzt eine architektonisch geprägte Gestalt (Abb. 13). 26) Der Industrial Designer Seth Green setzt bei ihr zentrale Anmutungen wie Strenge, Eleganz, Harmonie und Proportion bei kompaktem Volumen um (39,9x10,4x26 cm). Die mattsilberne Frontmaske mit dem harmonisch eingefügten Displayfenster bestimmt die Vorderfront. Details, wie die perfekt links- oder rechtsseitig gestalteten schmalen Einschnitte der Frontmaske belegen die Gestaltungsqualität. Die Designer formen die Vorder- und Oberseite des ausfahrbaren DVD/CD-Fachs sorgfältig aus. Sie setzen exakt die schrägen Einschnitte an beiden Fachseiten und unterstützen so formal die Integration des DVD/CD-Fachs in die Frontmaske (Abb. 14). Diese Lösung wie auch andere Detaillösungen erreichen die Designer erst nach verschiedenen Entwürfen und der intensiven Diskussion mehrerer Prototypen (Abb. 15 und Abb. 16). 27)

 

Die rückseitigen Anschlüsse sind in Gruppen zusammengefasst, ihre grafische Kennzeichnung ist vorbildlich (Abb. 17). Speziell angefertigte Verbindungsleitungen mit verschiedenen Steckerformen vereinfachen die problemlose Installation des 'Media Centers' mit den 'Speaker Arrays' und dem 'Acoustimass Modul'.

 

Den jeweiligen Bedienstatus zeigen die sehr gut ablesbaren großen Ziffern und Symbole auf dem Anzeigefeld des Displays an – ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Bedienfreundlichkeit. Die Abschrägung des Bedienfeldes sowie ihre Tastenanordnung erleichtern das unkomplizierte Bedienen der Basisfunktionen ohne Fernbedienung. Die weiten Radien dieses abgeschrägten mattsilbernen Feldes reduzieren zusammen mit der leicht gewölbten Geräteoberseite visuell die Gerätehöhe. Das 'Media Center' wirkt zurückhaltend elegant, es lässt sich im Regal platzieren und fügt sich – typisch für Bose – in jedes Ambiente. Diese Designqualität zeichnet u.a. auch der 'red dot award: product design 2003' aus. 28)

 

4. 'Speaker Arrays', 'Gemstone Speaker Arrays' und 'Acoustimass Modul'

 

Das menschliche Gehör reagiert bei der Klangwahrnehmung auf zwei wesentliche Faktoren: es registriert die Lautstärke, mit der der Schall das linke und rechte Ohr erreicht und zugleich die von der Schallquelle dafür benötigte Zeit. 29) Diese psychoakustischen Erkenntnisse nutzen die Bose Ingenieure. 30) Zwei durch aufeinander abgestimmte Technologien gesteuerte 'Speaker Arrays' erzeugen das räumliche Surround Klangbild (Abb. 18). 31) Sie liefern bei den die Handlung in der Bildschirmmitte betreffenden Geräuschen oder Dialogen durch ein Signal mit gleicher Frequenzzusammensetzung, Phase und gleichem Pegel die gleiche Klanginformation – für das Ohr entsteht so ein simulierter, nur akustisch wahrnehmbarer Centerlautsprecher.

 

Jeder 'Speaker Array' strahlt durch seine beiden im definierten Abstrahlwinkel angeordneten Mittelhochtöner den Klang in verschiedene Richtungen ab. Dabei steuern integrierte Schaltkreise sowohl die Lautstärke als auch die Laufzeit des Schalls in Bezug zur ursprünglichen Klanginformation. Diese verschiedenen akustischen Signale erreichen den Zuhörer. 32) Sie geben ihm die Illusion im seitlichen und hinteren Hörraum den Klang von einem linken und rechten Lautsprecher zu hören. 33)

 

Die Designer und Techniker minimieren die Gestalt der 'Speaker Arrays' in einem eng aufeinander abgestimmten Entwicklungsprozess (Abb.19). Die formale Ausprägung folgt der Größe und Packung der Bauteile und dem nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten erforderlichen Innenvolumen für das gewünschte räumliche Klangbild. 34)

 

Das 'Acoustimass Modul' strahlt die tiefen Frequenzen des Klangbildes nicht direkt über Membrane, sondern über sogenannte akustische Massen ab. Die Basswiedergabe ist dadurch kraftvoll, verlustfrei und unverzerrt. 35) Ihre Quelle kann der Zuhörer nicht orten – dies erlaubt eine versteckte Platzierung des Bassmoduls im Raum. Trotzdem gestaltet es Seth Green sehr sorgfältig. Er bezieht die formalen Details der einzelnen Komponenten des Gesamtsystems aufeinander, um so dessen ästhetische Wertigkeit zu betonen. 36)

 

Die Produktentwicklung der hochkompakten 'Gemstone Speaker Arrays' vom Entwurf bis hin zur Serienreife stellt Ingenieure und Designer vor große Herausforderungen (Abb. 20). Grundsätzlich ist die Klangwiedergabe eines Lautsprechers abhängig von der Membrangröße und Bewegungspräzision seiner mechanischen Bauteile. Nur kleinstmöglich bewegte Bauteile mit reduzierter Membranfläche garantieren die vollkommen symmetrische, lineare Konusauslenkung und damit verbundene Verzerrungsfreiheit. Die Bose Ingenieure entwickeln deshalb zur Bewegung der Lautsprechermembran eine Magnetspuleinheit mit einem Durchmesser von nur 25 mm. Die Verwendung des seltenen Magnetmaterials Neodymium Eisen Boron ergibt ein zehnmal höheres Magnetfeld im Gegensatz zu den herkömmlich eingesetzten Magneten aus Strontium Ferrit. Der Hub des Lautsprechers ist deshalb trotz der geringen Magnetgröße möglich und sehr kraftvoll.

 

Auch bei den 'Gemstone Speaker Arrays' ist es für die originale Klangwiedergabe notwendig den optimalen Abstrahlwinkel für die Anordnung seiner Lautsprecher zu ermitteln (Abb. 21). Bei dem ersten Prototyp befinden sich die beiden Austrittsöffnungen (ports) auf der Vorderseite (Abb. 22). Die Öffnungen ermöglichen die Regulierung des Luftstroms – dies ist unabdingbar für einen klaren, raumfüllenden Klang ohne Überzeichnungen. Langwierige Versuche ermöglichen es schließlich die Austrittsöffnungen (ports) rückseitig anzubringen (Abb. 23). Dies reduziert nochmals die Größe der 'Gemstone Speaker Arrays' (B 14,0 x H 6,4 x T 14,5 cm) (Abb. 24).

 

Seth Green orientiert die formale Ausprägung der 'Gemstone Speaker Arrays' eindeutig an deren funktionalen Aufbau. So bestimmt die Anordnung der beiden Lautsprecher die Wölbung der Frontseite. Die Gestalt des 'Gemstone Speaker Array' ist prägnant, sie wirkt sinnfällig durch ihre harmonischen Proportionen. 37) Die genau gewählten Krümmungsradien der Kanten sind aufeinander abgestimmt (Abb. 25). Das Metallgitter der Lautsprecherabdeckung ist fein durchbrochen, das Bose Logo hinsichtlich seiner Detailgestaltung, Größe und Platzierung sorgfältig in die Frontseite integriert. Die 'Gemstone Speaker Arrays' verkörpern mit ihrer formalen Perfektion und technologischen Qualität einen Gebrauchswertstandard. 38)

 

Die 'Gemstone Speaker Arrays' drücken ästhetisch eine Wertigkeit aus, die eine Entsprechung in den technologischen Qualitäten der 3∙2∙1 DVD Home Entertainment Systems besitzt. Diese Systeme bestätigen im Vergleich mit der 1965 unübertroffenen HiFi-Anlage 'studio 1000' der Braun AG eindrucksvoll den Anfang der neunziger Jahre prognostizierten Designtrend, dass durch konsequente Anwendung der Mikroelektronik elektronische Produkte miniaturisiert und damit auch entmaterialisiert werden. 39)

 

Ein designhistorischer Kontext – die HiFi-Anlage 'studio 1000' der Braun AG

 

1965 stellt die Braun AG der beeindruckten Fachwelt die Komponenten der HiFi-Anlage 'studio 1000' vor: den Plattenspieler 'PS 1000', das Tonbandgerät 'TG 60', den HiFi-Stereoverstärker 'CSV 1000', den Tuner 'CE 1000' und die Lautsprechereinheiten 'L 1000' (Abb. 26 und Abb. 27). 40) Diese Anlage verwirklicht "kompromisslos alle damals verfügbaren technischen Möglichkeiten und bietet eine für die Zeit eindrucksvolle Klangqualität." 41)

 

Dieter Rams - der Leiter der Abteilung für Produktgestaltung der Braun AG - entwirft die einzelnen Komponenten der HiFi-Anlage 'studio 1000' als Kuben mit aufeinander bezogenen Maßen. Die Komponenten lassen sich deshalb nebeneinander oder übereinander anordnen. Jedes Element einer Komponente steht in einem geordneten Bezug zu sämtlichen anderen Elementen der HiFi-Anlage. Diese Ordnung unterstützen gleiche Radien und Bezugslinien. Die Übergänge sind exakt und passend gewählt. Die Frontplatten bestehen aus tiefgezogenem Aluminium mit gerundeten Kanten. Eine von Dieter Rams angestrebte Lösung, die auf Grund technologischer Probleme erstmalig bei dieser Anlage in der gewünschten Qualität realisiert werden konnte. 42) Die Seiten der Komponenten schützt dunkler Strukturlack – sie wirken durch dieses Grau-Schwarz kompakter.

 

Die Bedienung der jeweiligen Komponenten weist eine hohe Selbsterklärungsqualität auf. Dieter Rams gestaltet die Bedienungselemente sorgfältig, er ordnet sie übersichtlich und griffgünstig nach einem klaren Raster an. Diese auch unter ergonomischen Gesichtspunkten überlegte Gestaltung, die große Skala und die einfach zu verstehende Produktgrafik informieren und erleichtern die Handhabung.

 

Die Frontseite der Lautsprechereinheit 'L 1000' mit ihren dreizehn Lautsprechern bedeckt ein eloxiertes Aluminiumgeflecht. Schmale, wie Bildeinrahmungen wirkende Gehäusekanten vermitteln den Eindruck von Leichtigkeit. Die heute von Designsammlern gesuchte HiFi-Anlage 'studio 1000' überzeugt 1965 durch die Reduktion auf das Wesentliche, durch ihre formale Geschlossenheit, ihre Wertigkeit und ihrer technologischen Konsequenz.

 

5. Das 'Media-Center' der Serie II

 

Das 'Media-Center' der Serie II ist die zentrale Systemkomponente des '3∙2∙1 GS DVD Home Entertainment System' mit zwei 'Gemestone Speaker Arrays', des '3∙2∙1 DVD Home Entertainment System' mit zwei 'Speaker Arrays' und des '3∙2∙1 GSX DVD Home Entertainment System' mit dem uMusic Intelligent Playback System (Abb.11 und Abb. 12). Das Media Center integriert einen Tuner, DVD-Player, Verstärker und spielt DVD-Video, UKW/MW mit RDS, CD, CD-R/RW und MP3-CDs. 43)

 

Boses Lead Industrial Designer Richard Carbone verfolgt bei der Überarbeitung des 'Media-Centers' der Serie I drei zentrale Designziele: die weitere Reduktion der Gehäusegestalt, die Integration des DVD/CD-Fachs in die frontseitige Blende und die kompromisslose formale Durchbildung sämtlicher Details. Dieses zu gestaltende 'Media Center' soll durch Klarheit, ausgewogenes visuelles Gleichgewicht sowie formaler Eigenständigkeit den Nutzer überzeugen. 44)

 

Nach vielen Ideenskizzen, intensiven Studien und Versuchsreihen entwickelt das Team mehrere Optionen für die Centergestalt (Abb. 28, Abb. 29 und Abb. 30). Die Optionen I und II zeigen eine symmetrisch schlanke Gestalt mit dunkler Blende. Den skizzierten Entwurf mit einer geneigten Frontseite verwirft Richard Carbone – ohne Neigung wirkt die Gestalt geschlossener und klarer (Abb. 31 und Abb. 32).

 

Die Vorderseite der Option I weist mit ihrer silbernen Frontmaske, ihrer unterteilten Blende für das DVD/CD-Fach und ihrem Display schon die dominierenden Designmerkmale des neuen 'Media Centers' auf. Allerdings fehlen noch die Abstimmungen der Radien und die der Poportionen der Gestaltflächen. Außerdem schließt der untere Teil der Frontseite bündig ab und verhindert die für die Wärmeableitung wichtige Luftzirkulation. Die Gestalt der Option II wirkt trotz geschwungener Blende kantig. Der zurückliegende Sockel reduziert geschickt visuell das Volumen.

 

Die gewünschte Reduktion der Gehäusegestalt (8,3x34,9x25,4 cm) bedingt eine überlegte Packung der Hauptkomponenten und elektronischen Baugruppen im Chassis des 'Media Centers'. Die Entwicklungsingenieure erreichen nach Auswertung von Versuchsanordnungen verschiedener Komponentenpackungen und thermischer Wärmesimulationen mit dem Computer Programm Flo-Therm einen sehr engen Aufbau. 45) Trotz dieses Aufbaus lässt sich die Wärme der Chassiskomponenten ohne Einsatz eines Ventilators gut ableiten. Eine Stahlummantelung sorgt bei den Hauptkomponenten für die elektromagnetische Abschirmung. Gestanzte Blechgehäuse geben den elektronischen Schaltkreisen einen zusätzlichen Strahlungsschutz.

 

Die Optimierung der einzelnen Gehäuseelemente für den Fertigungsprozess des 'Media Centers' stellt den letzten wichtigen Arbeitsschritt dar. 46) Der vom Designteam mit der 3D-Software Alias erstellte Datensatz der Centergestalt dient den Ingenieuren als Basis für die endgültige fertigungstechnische Konzeption der verschiedenen Gehäuseteile.

 

Die sanftgeschwungene dunkel glänzende Blende aus Polycarbonat, gerahmt von der sorgfältig ausgeformten silbernen Frontmaske bestimmt als herausragendes Designmerkmal auch das 'Media Center' der Serie II (Abb. 33). In diese Blende integriert Richard Carbone linksseitig das ausfahrbare DVD/CD-Fach und rechtsseitig das Displayfenster. Die Verblendung des Fachs entspricht in ihren Abmessungen exakt der des Displayfensters. Der Nutzer kann das geschlossene DVD/CD-Fach daher nicht identifizieren. Über die Realisierung der sehr schmalen, kaum wahrnehmbaren Fuge zwischen den Blendenteilen ist Richard Carbone besonders zufrieden. 47) Diese Gestaltung ermöglicht das mechanisch genau funktionierende Gleitsystem des Fachs (Abb. 34). Der Gegensatz zwischen der silbern schimmernden Frontmaske und der dunklen, hochglänzenden Blende betont zusätzlich die elegante Anmutung des Centers. 48) Weiterhin vermitteln Blende und Frontmaske einen formalen Bezug zur dunklen Fläche eines ausgeschalteten LED- oder Plasmabildschirms verschiedener Hersteller.

 

Sämtliche Radien und Details des 'Media Centers' sind sorgfältig proportioniert und ausgeformt. 49) So ist der schwierig zu gestaltende Übergang zwischen Frontmaske und Blende durch den links- und rechtsseitigen Einschnitt im genauen Winkel gesetzt (Abb. 35). Die Proportionen – etwa die Höhe des Gerätefußes im Bezug zum Maskenrand und Blendenbreite – sind harmonisch gewählt. 50) Harmonisch aufeinander bezogenen Radien zeigt auch die Draufsicht. Hier nimmt die sanft geschwungene Profilierung des rückwärtigen Teils Bezug auf die Abschlusskante des Bedienfeldes (Abb. 36). Die halbrunden Tasten des Feldes sind linear angeordnet. Durch diese auf der Geräteoberseite befindlichen Bedienfunktionen bleibt die Frontseite ästhetisch einfach. Die Designer verzichten bewusst auf vielfältige Bedienungselemente, die vordergründig dem Nutzer Professionalität signalisieren sollen.

 

Den jeweiligen Bedienstatus zeigen auf dem dreizeiligen Display die kontrastreichen grünen Ziffern, Symbole und Buchstaben. Gut ablesbar durch Größe und grafische Gestaltung sind sie eine weitere Voraussetzung für die einfache Bedienung. Die rückseitigen Anschlüsse sind auf weißem Hintergrund in Gruppen zusammengefasst, dabei farblich und grafisch deutlich gekennzeichnet (Abb. 37). 51) Das '3∙2∙1 GSX DVD Home Entertainment System' kann außerdem mit dem Anschluss Bose Link an ein kompatibles Lifestyle System angeschlossen und so zu einem Teil eines Home Entertainment Netzwerkes für das Haus werden. 52)

 

Der Nutzer kann die dargestellte Komplexität dieses 'Music Centers' nur noch erahnen. Es entsteht für ihn aber im Laufe der Zeit über den Genuss der Klangqualität und der sinnfälligen Bedienung hinaus eine Identifikation mit der ästhetischen Qualität des Industrieprodukts als ein angenehmer Bereich seiner Alltagskultur.

 

6. Das uMusic Intelligent Playback System

 

Das uMusic Intelligent Playback System kennzeichnet als innovatives Produktmerkmal das 'Bose 3∙2∙1 GSX DVD Home Entertainment System'. 53) Dieses komplex programmierte uMusic Intelligent Playback System ist integrierter Bestandteil des 'Media Centers'. Bis zu 200 Stunden Musik lassen sich mit uMusic von CDs im 'Media Center' digital speichern, dabei komprimieren, intelligent archivieren, organisieren und nach individuellen Nutzerprofilen abspielen.

 

Das Abspeichern einer CD dauert ungefähr fünf Minuten. 54) Bei diesem Vorgang liest uMusic die auf der CD befindlichen Audioinformationen wie Titel, Interpret oder Genre aus, danach vergleicht sie diese Informationen mit den im System integrierten Musikdatenbanken Gracenote und All Music Guide. 55) Weitere Detailinformationen wie Tempo, Rhythmus, Dynamik oder Klangfarbe ordnet uMusik jedem Titel als unverwechselbare Parameter zum Interpreten zu. Dreißig verschiedene Parameter pro Titel dienen als Basis für die Archivierung und spätere Interaktion des Nutzers mit dem System. 56)

 

uMusic erstellt dann in bis zu neun verschiedenen Profilen die individuelle und automatische Musikauswahl für den Nutzer, es registriert zudem die über die Fernbedienung abgegebenen Bewertungen zu bestimmten Künstlern, Genres oder Songs. Das System erkennt so intelligent die individuellen Vorlieben, es wählt dann diejenigen Musikstücke aus, die auf Stimmung oder Geschmack des erkannten Nutzerprofils abgestimmt sind. Den Bose Ingenieuren gelingt damit ein kluger Gegenentwurf zum langen Suchen in der CD-Sammlung oder zur umfangreichen Verwaltung einer Musikbibliothek auf dem Computer.

 

7. Die Bedienung

 

Die System-Einrichtung und Bedienung der verschiedenen 3∙2∙1 Music Systems ist leicht zu begreifen und deshalb einfach. Zum Lieferumfang des jeweiligen Systems gehört die auf einem übersichtlichen Blatt zusammengefasste Kurzanleitung für die System-Einrichtung, die verständlich formulierte Bedienungsanleitung mit detaillierten Zeichnungen und eine Setup- und Demonstrations-DVD (Abb. 38). 57)

 

Die Bedienung eines DVD-Players erfordert im Vergleich zum CD-Player eine Vielzahl spezieller Funktionen und deshalb ein erweitertes Bedienfeld. 58) Das Ziel der Bose Designer besteht darin, sowohl durch Form, Größe und Anordnung als auch durch die grafische Kennzeichnung der Bedienungselemente eine möglichst intuitive Bedienbarkeit zu erreichen.

 

Als zentrales Interface steuert eine Infrarot Fernbedienung bei den verschiedenen 3∙2∙1 Music Systems sämtliche Systemfunktionen. Die Bedienungselemente sind auf der Fernbedienung entsprechend ihrer Funktionen angeordnet. Ein/Aus- und Stummschaltung, die Wahl der Quellen und die Menüsteuerung befinden sich im oberen Bereich. Häufig zu benutzende Funktionen wie die Lautstärkeregelung liegen bequem mit dem Daumen bedienbar im mittleren Bereich des Tastenfeldes. Zahlreiche weitere Audio- und Videoeinstellungen kann der Nutzer bei Bedarf über das On-Screen-Menü des angeschlossenen Fernsehers individuell anpassen. 59)

 

Zufrieden äußert sich Seth Green über die formale Ausprägung der Fernbedienung. Der Designprozess von der Skizze bis hin zum CAD-Modell verlief problemlos (Abb. 39). 60) Die Fernbedienung lässt sich einfach aufnehmen und liegt durch ihre etwas breiteren Seiten mit den weichen Radien angenehm in der Hand (Abb. 40). Diese haptische Qualität empfinden auch ältere Menschen, auf deren spezielle Interessen Designern sonst oft nicht eingehen, als sehr angenehm. Die Fernbedienung erlaubt auch Fernseher, Video-Quellen wie Kabel- oder Sateliten-Reciever und die meisten externen Home-Entertainment Zusatzgeräte zu steuern.

 

Die Fernbedienung für das '3∙2∙1 GSX DVD Home Entertainment System' weist weitere Bedienungselemente für die Steuerung von uMusic auf (Abb. 41). 61) Die Taste Store ermöglicht die Auswahl der im System gespeicherten Musikquellen, die Taste Library den direkten Zugriff auf die Musik nach Suchbegriffen wie Künstler oder Genre. Um die Bedienung von uMusic zu vereinfachen, sind die speziellen Bedientasten grau unterlegt. Die Designer heben die Taste für uMusic und die wichtigen Rating Tasten zur Anlage des persönlichen Nutzerprofils im unteren Bedienfeld zusätzlich durch ihre Form hervor.

 

Der Direktor des Bose Corporate Design Centers Mike Laude kennzeichnet die Herausforderungen an die Bose Designer folgendermaßen: "Es sind die Technologien, die unsere Produkte so einzigartig und unverwechselbar machen. Deshalb haben unsere Designer die Aufgabe, diesen Technologien einen angemessenen Ausdruck zu verleihen". 62) Diese Aussage verwirklichen die Designer mit den preisgekrönten 3∙2∙1 DVD Home Entertainment Systems überzeugend. 63)

 

Text: Hartmut Jatzke-Wigand
Fotos: Bose, Braun und Jo Klatt

 

Anmerkungen

Der Verfasser dankt ausdrücklich Mike Laude, Seth Green, Richard Carbone und Jürgen Imandt für ihre große Mühe und Geduld bei der Beschaffung des Informations- und Bildmaterials.

 

 

Jatzke-Wigand, H.: 3-2-1 DVD Home Entertainment Systems von Bose. In: Design+Design special 3, Hamburg Juni 2007, 2-27

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