Hartmut Jatzke-Wigand
 

Hartmut Jatzke-Wigand

Die Bose '3.2.1 Digital Home Entertainment' Systeme


Die Bose '3.2.1 Digital Home Entertainment' Systeme sind Resultate einer interdisziplinär angelegten, komplexen und innovativen Forschungs- und Entwicklungsarbeit des Bose Laboratoriums in Framingham (Massachusetts) (Abb. 1). 1) Die Bose Corporation entwickelt dort seit 1964 auf der Basis konsequenter Grundlagenforschung bedeutende Innovationen in der Audio-Technologie. 2) 3) 4) Neben den Wave-Musiksystemen oder den 'Lifestyle Digital Home Entertainment' Systemen bilden die 3.2.1 Systeme eine weitere erfolgreiche Produktlinie. Laut Definition des Projektziels soll dieses System ein formal eigenständiges Erscheinungsbild aufweisen, ohne auf die zentralen Bose Designprinzipien wie elegante, zugleich diskrete Gestaltung, Realisierung einfachster Bedienung und eine auf das Substantielle reduzierte Form der einzelnen Systemkomponenten zu verzichten. 5)

 

Entwicklungsgrundlagen der Produktlinie '3.2.1 Home Entertainment' Systeme

 

Das Projektteam für das '3.2.1 Home Entertainment System' unter Leitung der Projektmanager Mike Costa und John Roselli arbeitet in Framingham auch räumlich eng zusammen. 6) Von Projektbeginn an beteiligt sich der Produkt Designer Seth Green an den Entwicklungsarbeiten – die optimale Gestaltung der einzelnen Komponenten wird durch seine Tätigkeit integraler Bestandteil der Systementwicklung. Technologische Veränderungen bei den Systembauteilen oder bei der Packung einzelner Komponenten diskutiert das Projektteam hinsichtlich der Auswirkungen auf das Design zeitgleich. 7)

 

Grundsätzlich versucht das Team die Funktionalität des Systems zu optimieren. Funktionalität begreifen sie dabei nicht eng, sondern verstehen darunter auch die einfachste Installation, die sehr gute Bedienbarkeit oder die optimale Kühlung der technologischen Komponenten verstehen.

 

Das '3.2.1 Media Center'

 

Die kompakte Gestalt des '3.2.1 Media Centers' mit seiner sanft geschwungenen Vorderfront sowie den stark abgerundeten Seitenkanten besitzt eine mehr architektonisch geprägte Struktur (Abb. 2). 8) Die formal perfekt gestaltete mattsilberne Frontmaske mit dem großen, harmonisch eingefügten Displayfenster bestimmt die Vorderfront. Details, wie beispielsweise die schmalen Einschnitte der Frontmaske an ihrem linken oder rechten Rand belegen formal die gewünschte durchgearbeitete Gestaltung.

 

Den jeweiligen Bedienstatus zeigen die sehr gut ablesbaren großen Ziffern und Symbole auf dem Anzeigefeld des Displays an – ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Bedienfreundlichkeit. Die Designer formen die Vorder- und Oberseite des ausfahrbaren DVD-Fachs sorgfältig aus. Sie setzen die schrägen Einschnitte an den beiden Fachseiten exakt und unterstützen so visuell die Integration des DVD-Fachs in die Frontmaske (Abb. 3). Diese überzeugende Lösung wie auch andere Detaillösungen erreichen die Designer erst nach verschiedenen Entwürfen und der Diskussion mehrerer Prototypen (Abb.4 und Abb. 5).

 

Die Anschlüsse auf der Rückseite sind in Gruppen zusammengefasst, zugleich grafisch vorbildlich gekennzeichnet. Das problemlose Zusammenschalten des 'Media Centers' mit den 'Speaker Arrays' und dem 'Acoustimass Bass Modul' vereinfachen speziell angefertigte Verbindungsleitungen mit verschiedenen Steckerformen. Falsches Zusammenschalten wird somit vermieden - dies verstärkt auch bei dem Nutzer das positive Gefühl über die Produktqualität.

 

Die Abschrägung des Bedienfeldes sowie die Tastenanordnung erleichtern ein Bedienen ohne Fernbedienung bei der Platzierung im Regal. Das 'Media Center' wirkt zurückhaltend elegant und fügt sich – typisch für Bose – in jedes Ambiente. Diese Designqualität zeichnet u.a. auch der 'red dot award: product design 2003' aus.

 

Ein designhistorischer Kontext – die HiFi Anlage 'studio 1000'

 

1965 stellte die Braun AG der begeisterten Fachwelt die Komponenten der HiFi-Anlage 'studio 1000' vor: den Plattenspieler 'PS 1000', das Tonbandgerät 'TG 60', den HiFi-Stereoverstärker 'CSV 1000', den Tuner 'CE 1000' und die Lautsprechereinheiten 'L 1000' (Abb. 6 und Abb. 7 ). 9). Diese Anlage verwirklicht "kompromisslos alle damals verfügbaren technischen Möglichkeiten und bot eine für die Zeit eindrucksvolle Klangqualität." 10 ) Die Komponenten entwirft Dieter Rams als strenge Kuben mit harmonisch aufeinander abgestimmten Maßen. Dadurch lassen sie sich nebeneinander oder übereinander anordnen. Die Frontplatten bestehen aus tiefgezogenem Aluminium mit gerundeten Kanten, dunkler Strukturlack schützt die Seiten. Dieter Rams gestaltet die einzelnen Bedienungselemente äußerst sorgfältig, er ordnet sie nach einem klaren Raster übersichtlich an. Diese auch unter ergonomischen Gesichtspunkten überlegte Gestaltung, die große Skala und die einfach zu verstehende Produktgrafik erleichtern die Bedienung. Die heute von Designsammlern gesuchte HiFi-Anlage 'studio 1000' überzeugt 1965 durch die Reduktion auf das Wesentliche, durch ihre formale Geschlossenheit, ihre Wertigkeit und ihre technologischen Konsequenz.

 

Die Fernbedienung

 

Als zentrales Interface steuert die Infrarot Fernbedienung sämtliche Systemfunktionen ( Abb. 8). Die Bedienung eines DVD-Players erfordert im Vergleich zum CD-Player eine Vielzahl spezieller Funktionen und deshalb ein erweitertes Bedienfeld. Seit 1991 besteht das Ziel der Bose Designer darin, sowohl durch Form, Größe und Anordnung als auch durch grafische Kennzeichnung der Bedienungselemente eine einfach zu begreifende und möglichst intuitive Bedienbarkeit zu erreichen. Zufrieden äußert sich Seth Green: "Die Fernbedienung lässt sich intuitiv bedienen, einfach aufnehmen und liegt durch ihre etwas breiteren Seiten mit weichen Radien angenehm in der Hand." 11) Diese Bedienbarkeit ist auch für ältere Menschen, deren Interessen von Designern bisher oft vernachlässigt werden, sehr angenehm.

 

'Speaker Arrays' und 'Gemestone Speaker Arrays'

 

Die Entwicklung und Umsetzung eines technologischen Konzeptes für einen Surround Klang mit einem Bassmodul und nur zwei Lautsprechern – dieses anspruchsvolle Ziel setzen sich die Forscher und Ingenieure von Bose. Die Realisierung gelingt durch Einsatz patentierter Technologien der Signalverarbeitung (Bose Signal Processing, Digital 5.1 Decoding und Videostage 5 Decoding), einer elektronisch und akustisch perfekten Abstimmung der einzelnen Systemkomponenten und dem speziellen Lautsprecheraufbau (Abb. 9). 12).

 

Die Designer und Techniker minimieren Größe, Packung der Bauteile und formale Ausprägung der 'Speaker Arrays' (Abb. 10 und Abb. 11). Trotz des geringen Lautsprechervolumens erzeugen die Speaker Arrays ein besonders breites, räumliches Klangbild. Dabei gibt das 'Acoustimass Bassmodul' die Bässe kraftvoll und verzerrungsfrei wieder. 13) Dieses Modul erlaubt eine versteckte Platzierung im Raum. Trotzdem gestaltet es Seth Green sehr sorgfältig. Die einzelnen Komponenten des 3.2.1 Systems werden mit ihrer formalen Ausprägung aufeinander bezogen, um so die Wertigkeit des Systems auszudrücken. 14)

 

Die Entwicklung der hochkompakten 'Gemstone Speaker Arrays' des Bose '3.2.1 GS Systems' stellt Techniker und Designer zusätzlich vor große Herausforderungen. Grundsätzlich ist die Klangwiedergabe eines Lautsprechers abhängig von der Bewegungspräzision seiner mechanischen Bauteile. Nur kleinstmöglich bewegte Bauteile mit reduzierter Membranfläche garantieren die vollkommen symmetrische, lineare Konusauslenkung und damit verbundene Verzerrungsfreiheit. Bei den 'Gemstone Speaker Arrays' erlaubt die Verwendung des seltenen Magnetmaterials Neodymium Eisen Boron den Bau einer Magnetspuleinheit mit kleinem Durchmesser, aber kraftvollem Hub. Bei dem ersten Prototyp des Gemstone Speakers befinden sich die beiden Austrittsöffnungen (ports) noch auf der Vorderseite (Abb. 12). Langwierige Versuche ermöglichen es die Austrittsöffnungen (ports) rückseitig anzubringen. Dies reduziert nochmals die Größe der Lautsprecher. Ihre Grundform ist harmonisch proportioniert, die Kantenradien genau gewählt und aufeinander bezogen. Das Metallgitter der Lautsprecherabdeckung ist fein durchbrochen, das Bose Logo diskret auf der Lautsprechervorderseite integriert.

 

Diese Lautsprecher drücken ästhetisch eine Wertigkeit aus, die eine visuelle Entsprechung für die innovativen Qualitäten des '3.2.1 GS Digital Home Entertainment Systems' besitzt. Dieses System bestätigt im Vergleich mit der 1965 unübertroffenen HiFi-Anlage 'studio 1000' eindrucksvoll den Anfang der neunziger Jahre prognostizierten Designtrend, dass durch konsequente Anwendung der Mikroelektronik elektronische Produkte miniaturisiert und damit auch zu entmaterialisiert werden. 15)

 

Text: Hartmut Jatzke-Wigand
Fotos: Bose, Braun und Jo Klatt

 

 

Quelle:
Jatzke-Wigand, H.: Die Bose 3.2.1. Digital Home Entertainment Systeme. In: Design+Design 69/70, Hamburg 2004/2005, 32-36

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