Hartmut Jatzke-Wigand
 

Hartmut Jatzke-Wigand

Neuer Standard für die Audiotechnologie: Das Bose 'Lifestyle 35 Digital Home Entertainment System'


Die naturgetreue Klangwiedergabe – dieses zentrale Ziel von Professor Dr. Amar G. Bose ist einsichtig, aber kaum zu verwirklichen (Abb. 1) 1). Bei der Realisierung dieser Zielvorgabe gelingen der Bose Corporation seit 1964 durch konsequente Grundlagenforschung gekoppelt mit ungewöhnlichen Konstruktionsideen bedeutende Innovationen im Audio-Produktbereich 2).

 

Als beispielhaft für die Innovationskraft der Bose Corporation gelten u.a. die Bose '901' Lautsprecher mit ihrer 'Direct-Reflecting' Wiedergabe (1968) (Abb. 2), die Acoustimass Lautsprechertechnologie, die eine Reduzierung der Größe der Lautsprecherkomponenten ermöglicht (1986), die kompakten 'Wave Radios' mit der neuartigen 'Waveguide' Lautsprecher Technologie (1993)( Abb. 3), die 'Acoustic Noise Cancelling' Technologie der Bose 'Headsets' (1989)(Abb. 4) und die Systeme der Lifestyle Produktlinie (ab 1990) 3) 4).

 

Bei der Lifestyle Produktlinie konzentrieren sich die Bose Designer auf die Gewährleistung einer möglichst einfachen, intuitiven Bedienung und auf die elegante Gestaltung der kompakten Systemkomponenten. Dies gelingt dem Bose Design Team trotz komplexer technologischer Vorgaben auch bei dem aktuellen Bose 'Lifestyle 35 Digital Home Entertainment System' mit DVD-Player und der innovativen ADAPTiQ Technologie (Abb. 5) 5) 6) 7).

 

Das ADAPTiQ Audio-Kalibrierungssystem

 

Jeder Raum besitzt besondere Eigenschaften. Diese Raumbesonderheiten, z.B. Grösse, Fußböden, Möblierung, Vorhänge oder Fensterflächen, beeinflussen wesentlich die Klangqualität von Audiosystemen. Mit dem Bose ADAPTiQ Kalibrierungssystem passt der Benutzer sämtliche relevante Einflussfaktoren – von der Raumstruktur bis hin zur Hörposition – in einem knapp fünfzehnminütigen Kalibrierungsprozeß raumspezifisch an (Abb. 6) 8). Das Lifestyle 35 System kann so uneingeschränkt sein optimales Klangpotential entfalten 9).

 

Technologisch basiert das ADAPTiQ Kalibrierungssystem auf Korrektur der Frequenz- und Laufzeitunterschiede. Ein digitaler Equalizer mit 248 Filtern stellt bei der Kalibrierung für jeden Filter Frequenz, Amplitude und Kurvenform ein und speichert die Werte 10).

 

Das Lifestyle 35 System ist ein weiterer Beleg für eine Technologieentwicklung, bei der durch konsequenten Einsatz innovativer Mikroelektronik die elektronischen Produkte immer weiter miniaturisiert, dadurch zugleich entmaterialisiert werden 11). Der Benutzer kann die Komplexität des technologischen Systems nur noch erahnen – für ihn ist vor allem das optimale Handling, die Bedienbarkeit der technologischen Komplexität des Gerätes wichtig.

 

Das Media Center

 

Die von Mike Laude (Industrial Design Director) und Rich Carbone (Senior Industrial Designer) entworfene Gestalt des Media Centers des Bose 'Lifestyle 35 Digital Home Entertainment Systems'
beruht auf das von John Grinkus 1990 gestaltete 'Lifestyle 10 Music Center', dessen Design Lou Genatossio 1998 bei dem 'Lifestyle 20 Music Center' weiter verfeinerte (Abb. 7 und 8) 12).

 

Sämtliche Steuergeräte der Lifestyle Produktlinie (Lifestyle 5, 8, 12, 20, 25, 28, 35 und 50) verkörpern zwei Grundpositionen des Bose Designs: ihre kompakte Gestalt soll sich unauffällig aber elegant in jedes Ambiente einfügen, die Bedienung möglichst einfach und selbsterklärend sein 13). Das zentrale Designmerkmal der Steuergeräte ist die flache Centergestalt mit reduziertem Volumen und schmalem Profil. Der Gegensatz von Schwarz und Silber des Gehäuses - seit 1960 ein Erkennungsmerkmal der für ihr Design legendären Geräte der Braun AG – unterstreicht den Eindruck von Eleganz. Bei den Lifestyle Steuergeräten fehlen vielfältige, an die Instrumentierung von Flugzeugcockpits erinnernde Bedienungselemente, die vordergründig Professionalität signalisieren sollen. Weiterhin verzichten die Designer bewusst auf spielerische Elemente, wie z.B. motorgetriebene Türen.

 

Die Integration des im Vergleich zum CD-Wechsler der Vorgängermodelle größeren DVD-Players und weiterer elektronischer Baugruppen – u.a. für die Steuerung der Video Komponenten – ist bei dem Media Center des Lifestyle 35 Systems kompliziert 14). Kevin Annunziato, Paul Zuidema und Herb Knapp erreichen erst nach vielen Versuchsanordnungen in enger Kooperation mit den Designern die gewünschte kompakte Bauweise bei guter Wärmeableitung und Minimierung der auftretenden elektromagnetischen Störungen.

 

Es sind intensive Diskussionen, viele Skizzen und Modelle notwendig, bis Mike Laude und Rich Carbone eine der innovativen Technologie des Lifestyle 35 Systems entsprechende Neuinterpretation der Centergestalt finden (Abb. 9 und Abb. 10). Durch die feine Krümmung der Oberflächen wirkt die Gestalt des Media Centers weicher als die der Vorgänger. Die ellipsenförmigen Seitenteile mit ihren schmalen Chromringen unterstreichen formal das Dynamische des Systems. Die Chromringe überdecken zugleich unvermeidbare Fertigungstoleranzen zwischen Seitenteil und Deckel.

 

Die dunkel glänzende Vorderfront ist sanft geschwungen (Abb. 11). Die in die Vorderfront integrierte Frontabdeckung für den DVD-Player ist in Bezug auf das Display harmonisch proportioniert. Sie schließt perfekt mit ihm ab. Die kontrastreichen grünen Ziffern, Symbole und Buchstaben des zwanzig Stellen VFD-Displays (vacuum fluorescent display) lassen sich sehr gut erkennen.
Die Designer ordnen die Anschlüsse auf der Rückseite des Centers klar an, fassen sie in Gruppen zusammen. Ihre farbliche und grafische vorbildliche Kennzeichnung erleichtert das problemlose Zusammenschalten mit den weiteren Systemkomponenten und externer Geräte.

 

Die Fernbedienung RC 28

 

Fernbedienungen sind das zentrale Interface zwischen Benutzer und den elektronischen Systemen – ihr Design stellt die Interface-Designer vor große Herausforderungen. So soll in der Zielvorgabe die Fernbedienung RC 28 sämtliche Funktionen des Lifestyle 35 Systems, zusätzlich zentrale Funktionen des Fernsehers, Videorecorders oder der Set-Top-Box des Satellitenempfängers einfach und möglichst selbsterklärend steuern (Abb. 12).

 

Die vorbildlich gestaltete Fernbedienung RC 28 arbeitet auf Funkfrequenzbasis. Das ganze System lässt sich deshalb um Ecken oder durch Raumwände hindurch steuern. Aber auch markenfremde Komponenten können anhand von Infrarotsignalen bedient werden. Auffällig ist ihr schlankes, ergonomisches Design mit weichen Radien. Die Fernbedienung lässt sich gut aufnehmen, sie liegt sehr angenehm in der Hand.

 

Die Aufteilung der Tasten in die Bedienfelder Ein/Aus und Stummschaltung, Quellen und Eingabesteuerung, Systemmenü, Bedienelemente für Wiedergabe und in die Audiobedienelemente vereinfachen die Bedienung. Häufiger zu benutzende Funktionen wie Navigation oder Lautstärke ordnen die Designer im mittleren Bereich des Tastenfeldes an, damit sie bequem mit dem Daumen erreicht werden können (Abb. 13) 15). Die Tasten und Menüs innerhalb der Bedienfelder sind leicht ablesbar und logisch aufgebaut. Weiterhin erleichtern ihre Form, Größe, farbliche und grafische Kennzeichnung die gewünschte einfache Bedienung. Ein zusätzliches Menü (OSD-Display) – sichtbar auf dem Bildschirm des am Lifestyle 35 Systems angeschlossenen Fernsehgerätes – ermöglicht anhand systematisch aufgebauter und erklärter Untermenüs weitere grundsätzliche Systemeinstellungen.

 

Das Acoustimass Modul

 

"Entwickelt für die Ohren, nicht für die Augen" – so lautet die zentrale Produktaussage zum Acoustimass Modul (Abb. 14 und 15) 16). Aber das Acoustimass Modul überzeugt durch seine kompakte, sorgfältig durchgearbeitete Gestalt mit beeindruckender Vorderfront. Die Designer achten auf exakte Rillen- und Kantenverläufe. Das Design folgt grundsätzlich den Vorgaben der Acoustimass Technologie. Die Vorderfront besitzt eine ellipsenförmige, harmonisch proportionierte, nach vorne gewölbte Abdeckung der Schallausgänge.

 

Durch sein sorgfältiges Design wirkt dieses Modul wie ein schönes Objekt - das Acoustimass Modul kann und sollte deshalb frei im Raum platziert werden. Seine skulpturalen Qualitäten verweisen u.a. auf den Subwoofer 'SW2' der Braun AG oder auf minimalistische Skulpturen wie z.B. 'Marguerite and Philibert' von Richard Serra (Abb. 16) 17).

 

Ein designhistorischer Kontext – der Subwoofer 'SW2'

 

1983 gestaltet Peter Hartwein für die Braun AG den Subwoofer 'SW2' (Abb. 17). Da das menschliche Ohr die Bassquelle nicht orten kann, reicht für die stereophone Wiedergabe der Subwoofer (Basslautsprecher) 'SW2' aus, der mit den kleineren Sattelitenlautsprechern 'LS 40' kombiniert wird 18) 19). In dem Subwoofer ist ein 3-Weg Endverstärker (1x140 W und 2x70 W) für den Basslautsprecher und die beiden Sattelitenlautsprecher eingebaut.

 

Die einfache Grundgestalt des 'SW2' zeigt den ökonomischen Umgang des Designers Peter Hartwein mit Formen. Das Designteam der Braun AG unter der Leitung von Dieter Rams erstrebt und erzielt ästhetische Wirkungen nicht durch Ausschmückung, sondern durch klare Proportionen und durch Ordnung der Einzelelemente. Sie sind nach einem streng gerasterten System aufeinander bezogen. Deshalb wirkt das Design so ruhig und die Form harmonisch ausgewogen. Deutlich existieren auch bei diesem Design formale Übereinstimmungen zu den künstlerischen Arbeiten Richard Serras (Abb. 18) 20).

 

Der Jewel-Cube - eine ästhetische Klangskulptur 21)

 

Der Jewel-Cube basiert auf der von Bose 1968 mit dem Lautsprecher '901' eingeführten 'Direct-Reflecting' Wiedergabe: die Lautsprecher reproduzieren im Wohnraum die konzertgleiche Verteilung von direktem und indirektem Schall.
Die runde Portabdeckung und der durch den exakt gesetzten Gehäuseeinschnitt akzentuierte zylindrische Portkörper verdeutlichen die wichtige Benutzerfunktion der Jewel-Cubes: durch Verdrehen der beiden Einzelcubes gegeneinander eine dem jeweiligen Raum angepaßte 'Direct-Reflecting' Wiedergabe zu gewährleisten (Abb.19).


Den 'Jewel-Cube' kennzeichnet eine strenge, harmonisch proportionierte Grundform (H.11,3 cm, B.5,6 cm, T.8,2 cm). Die exakt gewählten Kantenradien - eine große Herausforderung für die Werkzeugherstellung und Kunststoffverarbeitung - vermitteln den Eindruck technischer Präzision, sie verweisen auf die innovative Audiotechnologie.


Der Jewel-Cube wirkt wie eine ästhetische, präzise ausgeformte Kleinskulptur – er setzt einen Gebrauchswertstandard 22). Seine Qualität unterstreicht die begehrte Designauszeichnung 'red dot award: product design 2001' 23) – weitere Prämierungen werden sicher für das innovative Bose 'Lifestyle 35 Digital Home Entertainment System' folgen ... .

 

Text: Hartmut Jatzke-Wigand
Fotos: Bose Corporation, Braun AG und Jo Klatt

 

 

Quelle:
Jatzke-Wigand, H.: Neuer Standard für die Audiotechnologie: Das Bose 'Lifestyle 35 Digital Home Entertainment System'. In: Design+Design 62, Hamburg November-Februar 2002/2003, 8-13

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