Hartmut Jatzke-Wigand
 

Hartmut Jatzke-Wigand

Jacob Jensens Design für Bang & Olufsen – 10 ausgewählte Produkte für eine Industriedesignsammlung


"We do not design products – we create communication" 1)
Jacob Jensen

 

Jacob Jensens Werk ist in der klaren Formensprache der Moderne verankert (Abb. 1). Seine vielseitigen Gestaltungen für u.a. Hi-Fi Systeme, Telefone, Uhren, Autos, Küchengeräte, Windgeneratoren oder Brillen beeinflussen mit ihrer Einfachheit, formalen Eigenständigkeit und Eleganz die internationale Formengebung. 2) Sie sind weltweit mit den wichtigsten Designpreisen ausgezeichnet, in Sonderaustellungen präsentiert und befinden sich in den permanenten Designkollektionen der Museen. 3) Jacob Jensen prägt von 1964 bis 1991 mit dem unverwechselbaren Design seiner Hi-Fi Systeme die visuelle Identität der dänischen Traditionsfirma Bang & Olufsen. 4) Dieser Beitrag stellt aus den über 100 Produkten und Produktvariationen Jacob Jensens für Bang & Olufsen diejenigen Geräte vor, die einen Gebrauchswertstandard verkörpern, die Jacob Jensen als signifikant für seine Arbeit aufgefasst und die sich als vorbildlich gestaltet weltweit in anerkannten Industriedesignsammlungen befinden. 5) 6)

 

Die Produktserie 'Beomaster 5000', 'Beolab 5000' und 'Beovox 2500 Cube' 7)

 

"Gestaltet ein europäisches Hi-Fi Format, dessen Design Kraft, Präzision und Identität kommuniziert" – so lautet 1964 der Designauftrag von Bang & Olufsen für Jacob Jensen. 8) 1967 gelingt es ihm mit dem signifikanten Design der Produktserie 'Beomaster 5000', 'Beolab 5000', und 'Beovox 2500 Cube' die ästhetische Formensprache von Bang & Olufsen zu erneuern, zugleich einen Gebrauchswertstandard zu setzen (Abb. 2). 9) 10)

 

Die glasklaren Schieber der Geräte 'Beomaster 5000' und 'Beolab 5000' ersetzen die herkömmlichen Bedienungselemente, sie ermöglichen auf den Skalen die schnellen und exakten Einstellungen der jeweiligen Bedienfunktionen (Abb. 3). Die Gestalt der Schieber symbolisiert zugleich ihre Funktion. Sie erweckt Assoziationen an den Rechenschieber als ein zentrales Arbeitsinstrument des Ingenieurs, sie vermittelt so visuell die technologische Präzision der Geräte.

 

Bei den Ausmaßen der Produktserie bezieht sich Jacob Jensen auf das 19 Zoll Einschubformat, das sich in den 60ziger Jahren bei der technologischen Ausrüstung von Radiostationen und den hauptsächlich amerikanischen Hi-Fi Enthusiasten durchsetzt. Der Cheingenieur Nikolai Krebs Sorensen entwickelt die innovative Technologie der Beolab Geräte. Sie basiert auf Erfahrungen von Bang & Olufsen mit den 1960 konzipierten Stereo Einheiten für Cinema Scope und den Entwicklungen technologischer Geräte für die ersten stereophonischen Radiosendungen der dänischen Radiostation Mercur. 11)

 

Bei dem 'Beovox Cube 2500' konzipiert Jacob Jensens ein Gehäuse für sechs Hochtonlautsprecher. Ihre Abstrahlwinkel optimieren die Ingenieure in Laborversuchen. Der klare Quader des 'Beovox Cube 2500' mit den bestimmenden runden Lautsprecherabdeckungen zeigt Jacob Jensens Fähigkeit, technologische Anforderungen in eine reduzierte , außergewöhnliche Form umzusetzen (Abb. 4).

 

'Beomaster 1200'

 

Jacob Jensen begründet mit der klaren funktionalen Produktsprache des Steuergerätes 'Beomaster 1200' (1969) und der 1967 gestaltetem Produktserie 5000 die neue visuelle Identität von Bang & Olufsen (Abb. 5). Das extrem flache Steuergerät 'Beomaster 1200' beeindruckt die Kunden und die Fachwelt durch seine hohe Gestaltungsqualität und der klaren, funktionalen Produktsprache. 12) Die in den 60ziger Jahren innovative Transistortechnologie und die enge Packung der elektronischen Komponenten ermöglichen Jacob Jensen den 'Beomaster 1200' förmlich zu entmaterialisieren, seinen Gestaltungsschwerpunkt auf eine eigenständige Gebrauchsvisualisierung zu legen (Abb. 6). Nur noch das dunkle, langgezogene Lochfeld des Kühlergrills verweist auf ein elektronisches Gerät. Jacob Jensen organisiert die Bedienoberfläche des 'Beomaster 1200' grafisch präzise und ausgewogen. Der Schieberegler dominiert zusammen mit den massiven Drucktasten das Erscheinungsbild und verweist so auf das Wesentliche: die Bedienung des 'Beomaster 1200'. Die typografische Gestaltung mit der Grotesk Schrift Helvetica wirkt auf der polierten Aluminiumoberfläche besonders sachlich und ist sehr gut ablesbar. 13)

 

Der 'Beomaster 1200' lässt sich waagerecht, als Pult oder an der Wand hängend platzieren. Die Lautstärke der beiden Kanäle ist getrennt regelbar – drei Stationstasten für UKW erleichtern zusätzlich die Bedienung. Das visuelle Erscheinungsbild des 'Beomaster 1200' wirkt eigenständig, es fügt sich in jedes kulturelle Umfeld. Bang & Olufsen positioniert sich so durch innovative Technologien und intelligentem Design auf dem Weltmarkt. Es ist die dänische Antwort auf den wachsenden Konkurrenzdruck asiatischer Konzerne und der Rezension in der europäischen Unterhaltungsindustrie. 14)

 

Die Transistorgeräte 'Beolit 400' und 'Beolit 600'

 

Den Ausgangspunkt für das Produktdesign der tragbaren AM- und FM-Transistorgeräte 'Beolit 400' und 'Beolit 600' bildet der von Henning Moldenhawer entworfene 'Beolit 1000' (1968) (Abb. 7 und Abb.8). Der 'Beolit 1000' ist holzverkleidet – typisch für die Tradition von Bang & Olufsen durch die Verwendung von Edelhölzern und deren handwerkliche Verarbeitung die Qualität der Geräte zu betonen. Jacob Jensens Redesign bricht mit dieser Tradition: der 'Beolit 400' und der 'Beolit 600' sind schmal und langgestreckt, ihr gebürsteter Aluminiumrahmen prägt ihre auffallende Gestalt, die gelochten Gehäuseabdeckungen sind robust, abwaschbar und die Geräte sind nicht nur in Schwarz oder Weiß, sondern auch in den Popfarben Rot und Violett erhältlich.

 

Die Bedienungselemente integriert Jacob Jensen harmonisch in die vier Aluminiumleisten der Geräteoberseite (Abb. 9). Die jeweiligen Sendestationen lassen sich bei dem 'Beolit 400' mit einem durchsichtigen Schieberegler einstellen. Zwei in die Aluminiumleisten eingelassene Metallkugeln - durch einen Magneten in den Schienen bewegbar - dienen dagegen bei dem 'Beolit 600' der Anzeige der Senderstationen (Abb.10). 15) Die prämierten Geräte 'Beolit 400' und ' Beolit 600' erschließen durch ihr Produktdesign neue Käuferschichten, sie entwickeln sich mit einer zeitweiligen Tagesproduktion von über 600 Geräten zu einem ökonomischen Erfolg für Bang & Olufsen. 16)

 

'Beomic 2000'

 

Das dynamische Mikrofon 'Beomic 2000' (1970) zeichnet sich durch seine technologischen Eigenschaften, durch Eleganz und Handlichkeit aus (Abb. 11 ). Die senkrechten Rillen am oberen Mikrofonteil gewähren einen rutschfesten Griff. Jacob Jensen integriert die durch einen Verschluss gesicherten, seitlich aufklappbaren Standfüße in das stabförmige Metallgehäuse – der einfache Gebrauch wird so antizipiert. Das Mikrofon besitzt eine perfekte Linienführung, die Proportionen sind sehr ausgewogen. Das Gerät erhält 1970 die Auszeichnung 'IF.Gute Industrieform' und wird bei Bang & Olufsen über einen langen Zeitraum produziert.

 

'Beogram 4000'

 

Der Plattenspieler 'Beogram 4000' repräsentiert 1972 mit seiner innovativen Technologie und dem eleganten, minimalistischen Design einen Gebrauchswertstandard (Abb. 12). Der Ingenieur Subir K. Pramanik entwickelt zusammen mit dem genialen Konstrukteur und Erfinder Gustav Zeuten die Technologie für den tangential geführten Tonarm. 17) Dieser Tonarm vermeidet Winkelfehler bei der Abtastung, er ist zusätzlich durch das robuste Chassis des 'Beogramm 4000' unempfindlich gegenüber Vibrationen. Parallel zum Tonarm befindet sich ein auffälliger zweiter Arm, dessen Gestaltung die tangentiale Tonabnahme unterstreicht. Sein an der Spitze eingebauter Lichtsensor erkennt anhand der von Krebs Sorensen entwickelten elektronischen Steuerung die Schallplattengröße, die Steuerung stellt dann automatisch die Geschwindigkeit des Plattentellers und den Aufsatzpunkt des Tonarms ein. 18)

 

Jacob Jensens Gestaltung des 'Beogramm 4000' basiert auf den geometrischen Grundformen Kreis und Rechteck, auf seine Entwürfe für den Plattenspieler 'Beogram 1200' (Abb. 13). Sämtliche Elemente des 'Beograms 4000' mit dem signifikanten flachen Profil sind exakt aufeinander bezogen. Große, in die gebürstete Aluminiumfläche integrierte Bedienelemente ermöglichen die einfache Steuerung der Bedienfunktionen. Die sparsam gesetzten grafischen Elemente unterstreichen die minimalistische Anmutung dieses Plattenspielers. 19)

 

1978 ehrt das Museum of Modern Art mit 28 Einzelprodukten in New York Jacob Jensens Werk für B&O mit der Einzelausstellung 'Bang & Olufsen – Design for Sound by Jacob Jensen'. Dabei prägt der 'Beogramm 4000' als ein Meilenstein in der Entwicklung des Designs im 20. Jahrhundert mit einer ästhetischen Draufsicht das rote Ausstellungsplakat und die Ausstellungspräsentation. 20)

 

'Beomaster 6000'

 

Ab 1970 entwirft Jacob Jensen die Prototypen des 'Topline Systems' (Abb. 14). 21) Für die innovativen Technologien dieses Systems wie tangentiale Tonabtastung, elektronische Bedienelemente, elektronischer Tuner und Fernbedienung findet Jacob Jensen die diesen Technologien entsprechende klare Gestaltung und Produktgrafik. Das 'Topline System' verkörpert zugleich den technologischen Umbruch von der mechanischen hin zur elektronischen Bedienung und damit vom mechanischen zum digitalen, virtuellen Zeitalter. Den grundsätzlichen Designansatz für die Gestaltung aufeinander bezogener, langgestreckter und flacher Hi-Fi Komponenten, bedienbar auf der Oberfläche mit eingelassenen Bedienelementen konzipiert Jacob Jensen schon 1962 in einer Designstudie für General Electric (Abb. 15). 22)

 

Aufbauend auf dem Prototyp des Recievers und Verstärkers des 'Topline Systems' gestaltet Jacob Jensen 1974 den 'Beomaster 6000' (Abb. 16). 23) Die große Anzeigeeinheit unter der glänzenden, dunklen Glasfläche zeigt bei Aktivierung des Systems den Status der jeweiligen Funktionen und Einstellungen an ( Abb. 17). 24) Die Bedienung erfolgt durch die federnden breiten Stahlzungen, die die darunter montierten Mikroschalter aktivieren. Mit der rechts im Bedienfeld befindlichen große runde Scheibe steuert der Nutzer den elektronischen Tuner. Die Fernbedienung – ein flacher minimalistischer Quader mit reduzierter Produktgrafik – gewährt durch die sinnvolle Anordnung der Metallzungen auf dem Bedienfeld die intuitive Bedienung des Systems (Abb. 18).

 

'Beomaster 1900'

 

"Das unbedingt Erforderliche und die Einfachheit sind die kennzeichnenden Elemente unserer Produktphilosophie" – diese Zielvorstellung zur Corporate Identity von Bang & Olufsen verwirklicht Jacob Jensen konsequent bei der Gestaltung des Stereo Recievers und Verstärkers 'Beomaster 1900' (Abb. 20) 24)

Er konzipiert mit dem 'Beomaster 1900' eine Alternative zu den Geräten japanischer Anbieter, die die professionelle Hi-Fi Qualität ihrer Geräte durch eine Vielzahl hervorgehobener, oft sinnloser Bedienungs- und Anzeigeelemente betonen. Diesen Gegensatz in der Gestaltungsauffasssung von Hi-Fi Geräten arbeitet auch das Marketing von Bang & Olufsen durch intelligente Werbekampagnen heraus (Abb. 20 ).

 

Basierend auf seinen Erfahrungen mit der Konzeption des 'Beogramm 4000' und 'Beomaster 6000' reduziert Jacob Jensen in enger Kooperation mit den Ingenieuren die Bedienung des 'Beomaster 1900' auf ein leicht zu begreifendes, absolutes Minimum. Dazu teilt er die Bedienung in primäre und sekundäre Funktionen auf. Die primären Bedienfunktionen (u.a. Gerätewahl, Lautstärke, Sendestationen) lassen sich durch berührungsempfindliche, elektronische Bedienungselemente auf der unteren Bedienleiste einstellen. Die bisher erforderlichen mechanischen Einstelloperationen weichen so der elektronischen Kommunikation zwischen Gerät und Nutzer. Den jeweiligen Bedienstatus zeigen die leicht erkennbare Leuchtdioden unter der schwarz glänzenden Kunststoffoberfläche an. Die sekundären Bedienfunktionen (u.a. Tiefen, Höhen, Balance, Einstellung fester Sendestationen) befinden sich unter der in das Gehäuse perfekt integrierten massiven Aluminiumklappe.

 

Der 'Beomaster 1900' wirkt durch die schwarzen Querrillen für die Belüftung, die silberfarbene Aluminiumklappe, den harmonisch eingefügten Aluminiumstreifen mit der zurückhaltenden Typografie sehr elegant. Diese Wirkung unterstreicht der Gegensatz zwischen den schwarz glänzenden Kunststoffflächen und dem Silber des Aluminiums.

 

In den ersten Entwurfsskizzen besitzt der 'Beomaster 1900' noch eine flache, rechteckige Form. Weitere Skizzen verdeutlichen, wie Jacob Jensen sich schrittweise der endgültigen pultförmigen, langgestreckten flachen Gestalt des 'Beomaster 1900' annähert (Abb. 21). Nach mehr als vierzig Sitzungen zwischen 1973 und 1976 mit der Entwicklungsabteilung, der eingehenden Diskussion vieler Prototypen produziert Bang & Olufsen den 'Beomaster 1900' ab 1976 (Abb. 22 und Abb. 23 ). 25) Das innovative Produktdesign des 'Beomaster 1900' verkörpert einen Gebrauchswertstandard, es bildet die Basis einer erfolgreichen Bang & Olufsen Produktfamilie für die nächsten achtzehn Jahre. Dieses signifikante Hi-Fi Gerät wird vielfach ausgestellt und prämiert, es entwickelt sich zu einem der größten und lang andauernsten Verkaufserfolge von Bang & Olufsen. 26)

 

Der Lautsprecher 'Beovox C 75'

 

Der Lautsprecher 'Beovox C 75' (1978) verkörpert kompromisslos Jacob Jensens Designauffassung (Abb. 24). Den Ausgangspunkt für das Gehäusedesign bilden Laufzeitunterschiede zwischen der Abstrahlung der jeweiligen Frequenzen bei dem Basslautsprecher und Hochtönern und ihr Erreichen am menschlichen Ohr. Jacob Jensen winkelt deshalb in Kooperation mit den Ingenieuren die obere und untere Abstrahlfläche zur Mitte hin an. 27) Das verringert die leichten Verzerrungen. Die dicken Wandstärken des Aluminiumgehäuses besitzen eine geringe Eigenresonanz. Der Lautsprecher 'Beovox C 75' unterstreicht mit seiner feinen Strichmattierung und eindrucksvollen Oberflächenbearbeitung die technologischen Qualitäten des Lautsprechers, den Bang & Olufsen über 22 Jahre lang produziert.

 

'Beocenter 9000'

 

Bei der Gestaltung des Recievers/ Verstärkers 'Beocenter 9000' mit Kassettenrecorder und CD-Spieler analysiert Jacob Jensen nochmals radikal die Kommunikation zwischen Gerät und Nutzer (Abb. 25). 28) 29) Grundsätzlich unterstützt die zweifach angewinkelte langgestreckte pultförmige Gestalt die Bedienbarkeit. Die Verwendung der 1986 innovativen Mikroprozessortechnologie ermöglicht Jacob Jensen trotz der vielfältigen Systemfunktionen und Statusanzeigen eine einfache Bedienung zu konzipieren. Nach sanfter Berührung erscheinen auf dem abgedunkelten Glas des unteren Bedienfeldes die primären Bedienfunktionen. Eine weiter Berührung aktiviert das Leuchtdisplay auf dem oberen Bedienfeld mit weiteren Kontroll- und Programmiermöglichkeiten. Links und rechts befinden sich unter Blenden Kassettenrecorder und CD-Player. Bei Berührung des Displays gleiten die Blenden geräuschlos zur Seite und geben den Zugang zu den Spielern frei (Abb. 26). Mit dieser Bedienung zeigt Jacob Jensen einen Designtrend auf, den David Lewis als ein zentrales Merkmal der Geräte von Bang & Olufsen in dem nächsten Jahrzehnt weiter perfektioniert.

 

Text: Hartmut Jatzke-Wigand
Fotos: Bang & Olufsen, Jacob Jensen

 

Anmerkungen

Der Verfasser dankt ausdrücklich Rikke Nielsen von Jacob Jensen APS und Bettina Link von der Segmenta PR für die Beschaffung des Informations- und Bildmaterials.

 

 

Quelle:
Jatzke-Wigand, H.: Jacob Jensens Design für Bang&Olufsen – zehn ausgewählte Produkte für eine Industriedesignsammlung.
In: Design+Design 75, Hamburg März-Mai 2006, 3-12

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