„I am not interested in buying many things. I don't have many belongings - mostly very clean, very simple things."
Naoto Fukasawa, 18.04.2004 1)
Naoto Fukasawa gilt mit seiner minimalistischen Formensprache weltweit als einer der herausragenden Designer (Abb. 1). Nach Tätigkeit bei Seiko-Epson (bis 1988), der Mitarbeit im internationalen Team von ID-two in San Francisco (1989-96) und dem Team von IDEO (Tokio bis 2002) gründet er 2003 sein Büro 'Naoto Fukasawa Design' und die Marke 'Plusminuszero' für Haushaltsobjekte in Tokio. 2) 3) 4)
Naoto Fukasawa arbeitet u.a. als Berater für das Unternehmen Muji, für die japanische Industrie der Unterhaltungselektronik und europäischen Designfirmen wie B&B Italia, Artemide oder Danese. Seine qualitativen Gestaltungen dokumentieren über fünfzig internationale Auszeichnungen. 5) Er unterrichtet weiterhin als Professor für die Musashino Art University und konzipiert beachtete Ausstellungen.
Dieser Beitrag stellt zwölf Objekte von Naoto Fukasawa vor. Sie verkörpern einen Gebrauchswertstandard und befinden sich als vorbildlich gestaltete Objekte in weltweit anerkannten Industriedesignsammlungen. 6)
Wandmontierter 'CD-Player'
Seit 1999 verkauft Muji – eine japanische Handelskette mit umfassendem Sortiment minimalistischen Designs – einen formal neuartig gestalteten 'CD-Player' (172x172x41mm) (Abb. 2). 7) Bis zum heutigen Zeitpunkt im Muji-Angebot verkörpert er Naoto Fukasawas internationalen Durchbruch als Designer. 8)
Das reduzierte viereckige Gehäuse des 'CD-Players' aus ABS integriert optimal den Lautsprecher. Die Kantenradien beziehen sich auf den Radius einer CD. Die CD ist mittig-gesetzt offen zugänglich und ihre Aussparung geschickt in die Vorderseite eingefügt. Als Entwurfsvorbild dient nach Fukasawa ein schlichter japanischer Küchenventilator. 9) Ein Zug an dem verdickten Ring der freihängenden Elektroleitung schaltet wie bei dem Ventilator den 'CD-Player' ein. 10) Die CD beginnt sich langsam wie Ventilatorenflügel zu drehen - dann erklingt bei stabilisierter Geschwindigkeit die Musik. Die Lautsprecherperforationen akzentuieren in ihrer Anordnung die Drehbewegung der CD. Das Museum of Modern Art in New York zeichnet den 'CD-Player' als Beispiel für eine formal alleinstehende, überzeugende Lösung aus und nimmt ihn in ihre ständige Designsammlung mit auf.
Das Fernsehgerät '22V LCD TV'
2003 beeindruckt Naoto Fukasawa die Fachwelt mit dem Fernsehgerät '22V LCD TV' für Nec-Mitsubishi (Abb. 4). 11) Der Einsatz flacher LCDs anstelle massiver Bildröhren ermöglicht zu diesem Zeitpunkt die Gestaltungen von Fernsehgeräten grundsätzlich zu überdenken.
Ein schmaler grauer Rand ummantelt die LCD. Er reduziert die Fläche der elegant wirkenden Vorderfront. 12) Naoto Fukasawa integriert den Lautsprecher in den rechteckigen Standkubus. Schwierigkeiten bei der Packung elektronischer Komponenten und deren notwendige Wärmeableitung begrenzen die weitere Reduzierung der Gestalt. Die Seitenansicht des Fernsehgerätes '22V LCD TV' zeigt die Konzentration auf das Wesentliche - eine kantige, einfache Form mit harmonisch aufeinander abgestimmten Proportionen (Abb. 5). Die Konstruktionsingnieure verringern nach aufwendigen Untersuchungen die Ausmaße der Standplatte. Sie garantiert trotz reduzierter Fläche die hohe Standfestigkeit des Gerätes.
Naoto Fukasawa formt die glänzend rote Fernbedienung wie eine Zahnpastatube (Abb. 6). Er teilt die Bedienelemente in intuitiv zu erfassende Bedienfelder ein. Die jeweiligen Tasten sind nach Bedienkriterien unterschiedlich ausgeformt. Die Fernbedienung lässt sich auf das untere verdickte Ende stellen und ist durch ihre Signalfarbe leicht auffindbar – ein typisches nutzerorientiertes Fukasawa Design.
Luftbefeuchter 'Version 3.0'
Ein Luftbefeuchter erzeugt in trockener Heizungsluft die für das Wohlbefinden des Körpers angenehme Luftfeuchtigkeit. Er ist ein Gerät einfacher Funktionen - Wasser wird erhitzt und der Dampf verteilt.
In Japan bieten verschiedene Hersteller formal unterschiedlich gestaltete Luftbefeuchter an. Basierend auf der Designphilosophie von 'Plusminuszero' versucht Naoto Fukasawa für Haushaltsgegenstände eine dem Nutzen entsprechende Form zu finden. Er gibt dem 'Luftbefeuchter' die Form eines Wassertropfens (Abb. 7). Aus dessen Mitte steigt der Wasserdampf in kleinen Wolken auf. Das Gehäuse soll weiterhin Reinheit und Glanz von Porzellan ausstrahlen. Der Designer entwickelt so formale Sinnbilder für Gebrauch und Nutzen. 13)
Den Körper des 'Luftbefeuchters' von 'Plusminuszero' (humidifier 3.0) bilden zwei zusammengefügte Schalen aus Polycarbonat (155,5x305x305mm). 14) Die störende mittige Trennungslinie widerspricht den Designvorgaben. Der Gesamtkörper wird deshalb mit Farbe gespritzt, die Trennungslinie handpoliert – ein zeitaufwendiger Fertigungsprozess. In den Oberteil der Gesamtgestalt integriert Naoto Fukasawa perfekt die Austrittsöffnung für den Wasserdampf. Dieser 'Luftbefeuchter' wirkt auch ohne Gebrauch wie ein Schmuckstück, wie eine Vase ohne Blumen. 15)
Das Telefon 'info.bar' für KDDI
"Ich möchte das Gleiche besitzen wie die anderen, aber es sollte etwas verschieden sein" – diese Haltung bestimmt den Entwurf des Handys 'info.bar' (Abb. 10). 16) Naoto Fukasawa gestaltet es 2001-2002 für das 'au Design Project' des japanischen Unternehmens KDDI. 17) 18)
Bei seinen Entwürfen achtet Naoto Fukasawa auf den Umgang der Menschen mit den Dingen. Seine puristisch und materialgerecht gestalteten Objekte sind im Alltag angenehm zu nutzen. So liegt der kompakte Körper des Handys 'info.bar' aus Magnesium-Legierung mit seiner elegant ausgeformten Gestalt gut in der Hand. Die Ecken sind haptisch angenehm gerundet. Benutzerfreundlich lassen sich die großen viereckigen leicht gewölbten Tasten des Bedienfeldes bedienen. Ihre Funktionen sind grafisch eindeutig gekennzeichnet. Nutzer können für die jeweiligen Tasten verschiedene Farben wählen - ein weiterer Nutzen für individuelle Bedienbarkeit und die Möglichkeit des Ausdrückens eigener Identität. 19) Dies wird nach Fukasawa sich als ein Standard bei der Entwicklung von Handys herausbilden. 20)
'DVD/MD Stereo Component Player'
Bei dem 'DVD/MD Stereo Component Player' reduziert Naoto Fukasawa 2003 das Volumen der einzelnen Komponenten (Abb. 9). Sie sollen nach Fukasawa mit ihren harmonisch proportionierten Ausmaßen zusammenpassen wie die Ziegelsteine einer Mauer (Abb. 10). 21) Er formt die Eckkanten mit einem Radius von 2,5 mm sorgfältig aus. Grauer Klavierlack erhöht die Wertigkeit der Lautsprechergehäuse aus MDF.
Wenige sorgfältig platzierte Bedienelemente und genau integrierte Öffnungen für CD/DVD und MD bestimmen die Tuner-Vorderfront. So vermittelt die gewünschte Einfachheit das Fehlen vielfältiger Bedien- und Anzeigeelemente. Die Steuerungsfunktionen des Systems erfolgen über die eckig ausgeformte blaue Fernbedienung. Sie besitzt die untere Tunerbreite und passt harmonisch zu dem System.
Das qualitative Design des 'DVD/MD Stereo Component Players' zeigt sich auf der viel beachteten Ausstellung 'Super Normal'. 22) Seine Schlichtheit und Qualität korrespondiert hier harmonisch zu Gegenständlichkeiten des täglichen Gebrauchs.
'Shelf X' für B&B
Schon Naoto Fukasawas erste Projektstudie von 'Shelf X' (1455x1310x370mm) zeigt 2004 die kennzeichnenden Designmerkmale: die skulptural anmutende Gestalt, dünnes Korpusmaterial und die X-förmige stabilisierende Strebe. Diese Strebe ermöglicht Standfestigkeit ohne Rückwand (Abb. 11). 23) Nach Naoto Fukasawa dient 'Shelf X' nicht als eng vollzustellendes Regal. Die Bücher oder Gegenständlichkeiten sollten locker gruppiert, bei Verwendung des Regals als Raumteiler ein Durchblick möglich sein. 24)
Die Verbindung der Einzelelemente des Regals aus Kunststoff (natural acrylic stone LG) ist durch sorgfältige Nachpolitur nicht erkennbar. 'Shelf X' wirkt mit seiner glänzenden Oberfläche wie aus einem Marmorblock herausgeschnitten und danach poliert. Hier zeigt sich die Fähigkeit Fukasawas innovative Materialien einzusetzen und bei formaler Durchbildung keine Kompromisse einzugehen. 25)
'Luftreiniger'
Bei einem 'Luftreiniger' ist die Funktion der Luftzirkulierung und Reinigung zentral. Der 'Luftreiniger' saugt die verunreinigte Luft möglichst kräftig an, reinigt sie und gibt sie wieder ab. Das erfordert eine Eintritts- und eine Austrittsöffnung.
Für diese Funktion entwickelt Naoto Fukasawa für 'Plusminuszero' auf der Basis von des 2003 für Muji entworfenen Gerätes und nach Verbesserung mehrerer Prototypen eine entsprechend klare Form (404x431x132) (Abb. 12) (Abb. 13). 26) Sie drückt durch Linienführung und Harmonie auch visuell Reinheit aus. Perfekte Kanten vermitteln die technologische Präzision des Gerätes. Das exakt gearbeitete perforierte Lochraster der Vorderfront mit genau ermitteltem Lochdurchmesser und Lochabstand ermöglicht ein kräftiges Einsaugen der verunreinigten Luft. Die Luftaustrittsöffnung auf der Oberseite formt Fukasawa wie die Austrittsöffnung einer Trompete – eine für einen Luftaustritt symbolische Form. In der Austrittsöffnung liegen bündig angeordnet die Funktionsschalter des 'Luftreinigers'. 27) Damit sich der 'Luftreiniger' möglichst unauffällig in jedes Ambiente einfügt verwendet er gezielt die Farben weiß, grau und schwarz.
Die Leuchte 'Itis' für Artemide
Die prägnante Produktgestalt der Leuchte 'Itis' überzeugt durch ihre puristische und symmetrische Form (40x30x12cm) (Abb. 14). 28) Mit LED-Technologie ausgestattet sorgt sie für eine energieeffiziente Lichtabgabe mit direkter und gestreuter Lichtverteilung bei geringem Stromverbrauch. Die Lichtstärke ist über einen sorgfältig in den Fuß eingefügten Touchdimmer stufenlos regelbar.
Naoto Fukasawa wählt für Fuß und Leuchtkopf den einer CD entsprechenden Durchmesser (12 cm) mit einer Dicke von einem Zentimeter. 29) Ein schlanker Schaft verbindet das schwere Unterteil aus lackiertem Zamak mit dem Leuchtkopf aus lackiertem Metall und satiniertem Polycarbonat. Die aufwendig konstruierten, mittig gesetzten Gelenke am Unterteil und Leuchtkopf ermöglichen die Drehung des Schaftes um bis zu 90 Grad und die Ausrichtung des Leuchtkopfes um 180 Grad.
Diese formal überzeugend gestaltete Leuchte zeichnet 2007 in Essen der 'red dot design award: best of the best' wegen ihrer Funktionalität, formalen Qualität, Ergonomie und ökologischer Vereinbarkeit aus. 30)
'Kaffee- oder Teemaschine'
Naoto Fukasawa untersucht 2007 systematisch den Bedienvorgang beim Kaffee- oder Teekochen. Nach Analyse der Gebrauchsanforderungen und möglichen Grundkonzeptionen einer Kaffeemaschine vereinfacht er dann in enger Zusammenarbeit mit Produkt- und Fertigungsingenieuren das Gerät.
Ein Filterwechsel erlaubt die Zubereitung von sechs Tassen Kaffee oder Tee (Abb. 15). 31) Der innerhalb der durchsichtigen Kanne angeordnete Filter – eine kluge Entwurfsidee – gestattet die gewünschte Reduzierung der Gesamthöhe (239x17x120mm). 32) Details wie die gleiche Breite der Abdeckung des Wassereinlasses und der des Filterdeckels gestaltet er exakt durch.
Die minimalistisch ausgeprägte Haltung Fukasawas zeigt sich bei der Integration der Kanne in den Gesamtkörper, der Ordnung einzelner Elemente, den gleichen Radien und Bezugslinien und dem bündigen Abschließen der Flächen. Dieses sehr zurückhaltende klare Design erhöht die Wertigkeit der 'Kaffee- oder Teemaschine'.
'Elektrischer Heizkörper'
Der 'elektrische Heizkörper' (300x290x115mm) im warmen rotem oder blauem Farbton arbeitet fast geräuschlos (Abb. 16). 33) Er ist mit zwei Schaltern an der Oberseite leicht zu bedienen. Die Sicherheitselektronik sorgt für automatisches Ausschalten bei Überhitzung oder dem Zeitinterwall von sechs Stunden.
Naoto Fukasawa wählt als signifikantes Gestaltungsmerkmal um den Korpus herumgezogene parallel verlaufende Stege und Rillen. Die Rillentiefe steht in harmonisch gewählter Proportion zur Stegbreite. Die elegant geschwungenen Stege verdecken das Viereck der Austrittsöffnung für Warmluft. Diese im unteren Teil gerippte Front akzentuiert mit klarer Linienführung das Gerät.
Die eckigen Kanten der flachen Oberseite stehen im Gegensatz zu den großen Seitenradien des Körpers. Nach Fukasawa korrespondiert dadurch Schärfe mit Weichheit – so wie der Gegensatz von kalter Winterluft und warmer Luft des elektrischen Heizkörpers. 34)
'Visitenkarten-Etui'
Das rechteckige 'Visitenkarten-Etui' (99x63x10,5 mm) für zwanzig Visitenkarten fühlt sich wie ein Handschmeichler an (Abb. 17). 35) Wie weitere Produkte von 'Plusminuszero' besitzen die Eckkanten Radien von 2,5 mm. 36) Sie sind nach Fukasawa aber nicht Erkennungsmerkmal seiner Gestaltung, sondern Radien sind von Funktion, Material und Wandstärke abhängig. 37)
Die Fertigungsingenieure passen in enger Zusammenarbeit mit dem Designer den Entwurf des 'Visitenkarten-Etuis' an die Produktionsmöglichkeiten für Kunststoffverabeitung an. Sie reduzieren die Wandstärke bei optimaler Steifheit und verringen die Trennlinienbreite zwischen Körper und klappbaren Deckel. Das 'Visitenkarten-Etui' strahlt schlichte Anmutung aus. Aber auch bei diesem Projekt gilt: je einfacher und klarer eine Gestaltung wirkt, desto schwieriger ist oft der Designprozess. 38)
'Elektrischer Wasserkessel'
Der 'elektrische Wasserkessel' (178x207x143mm) gehört 2008 zur fünften Kollektion von 'Plusminuszero' (Abb. 18). 39)
Der große, leicht fassbare Griff mit eingefügtem Ein-Ausschalter dient als zentrales Gestaltungsmerkmal. Naoto Fukasawa passt ihn perfekt in die runde Grundform des Kessels ein. Die Anzeige zwischen Griff und Körper zeigt den jeweiligen Wasserstand. Der präzise ausgeformte Deckel ist nach oben hin zu öffnen und somit leicht zu reinigen. Die untere Stromversorgungseinheit besitzt den Durchmesser des Wasserkessels. Durch genaue Passung wirken beide Teile wie ein geschlossener Körper.
Formalästhetisch verdeutlicht der elektrische Wasserkessel durch Ausgewogenheit und Schlichtheit die Gestaltungshaltung von Plusminuszero: denn es gilt "die essentielle Gestalt für Objekte zu finden". 40) 41) Sie sollen sich problemlos in den Alltag des Nutzers integrieren - dies verwirklicht gekonnt und überzeugend Naoto Fukasawa.
Text:Hartmut Jatzke-Wigand
Fotos: Plusminuszero, Naoto Fukasawa, Artemide, B&B, Jo Klatt
Quelle:
Jatzke-Wigand, H.: Naoto Fukasawa – zwölf Objekte für eine Industriedesignsammlung. In: Design+Design 93, Hamburg September-November 2010, 10-16