Hartmut Jatzke-Wigand
 
Hans Wichmann: Fast 30 Jahre, fast hundert Nummern. Zum Geleit und in memoriam 'Design+Design'.

Hans Wichmann

Fast 30 Jahre, fast hundert Nummern. Zum Geleit und in memoriam 'Design+Design'.


In einer schnelllebigen, mit raschen Veränderungen verbundenen Zeit wie der unsrigen, ist ein Vierteljahrhundert eine lange Phase. Mehr als fünfundzwanzig Jahre existiert nun bereits die Zeitschrift 'Design+Design', die 1984 bis 1986 – anfänglich herausgegeben von Klaus Rudolph – unter dem Titel 'Der Braun-Sammler' erschien, anschließend bis 1987 unter der Regie von Jo Klatt als 'Braun+Design' und schließlich ab 1987 als 'Design+Design' in Hamburg – zeitweise zweisprachig, unterstützt von Günter Staeffler – ediert wurde.

 

Jo Klatt (geb. 1937) und Günter Staeffler (geb. 1943), die auch das 1990 erschienene, grundlegende Buch 'Braun+Design Collection' (2. Aufl. 1995) verfassten, zählen zu den besten Kennern des Unternehmens Braun in Frankfurt/M. und Kronberg i.T., eines Unternehmens das zu einem Synonym für Designqualität in umfassendem Sinne wurde, durch welche die Physiognomie des 20. Jahrhunderts, vor allem der fünfziger und sechziger Jahre mitgeprägt worden ist. Aufbruch und Ausbau des Unternehmens wurden vor allem von den Söhnen Erwin (1921-1992) und Artur (geb. 1925) des Firmengründers Max Braun initiiert und getragen, im Verein mit einer Gruppe von herausragender Mitarbeiter, zu denen Fritz Eichler (1911-1991), Hans Gugelot (1920-1965), ab 1955 auch Dieter Rams (geb. 1932) gehörten. Hinter diesem 1951 begonnenen Reformprozess bei Braun stand eine wertende Grundeinstellung, die sich nicht nur auf Produktgestaltung richtete, sondern auch eine umfassende Qualität im Beziehungsgeflecht von Ding, Mensch und Umwelt anstrebte.

 

Eine 'Unabhängige Zeitschrift für Design- Sammler', wie der Untertitel von 'Design+ Design' lautet, musste zwangsläufig diesem Anspruch gerecht werden, denn im Zentrum der Berichterstattung stand und steht die Untersuchung einzelner Braun Produkte, an die sich Berichte über vergleichbare Objekte anderer Hersteller und über Design- Ereignisse und -Publikationen anschlossen.

 

Der Verfasser dieser Bemerkungen lernte diese Zeitschrift während seiner Tätigkeit als Leiter des heute in der Münchner 'Dritten Pinakothek' untergesunkenen 'Staatlichen Museums für angewandte Kunst' – dem Eingeweihten unter dem Namen 'Die Neue Sammlung' geläufig – kennen. Von Anbeginn erfreuten in dieser Zeitschrift das Bemühen um Funktion und ein gemäßes ästhetisches Niveau, die sich in der Papierqualität, einer gut lesbaren Schriftgröße, in Satzspiegel, Bildqualität und Layout ebenso abzeichneten wie in der Form der Berichterstattung selbst, denn die Zeitschrift ist angenehm sachlich und führt damit den Begriff 'Design' wieder auf seinen ursprünglichen Inhalt zurück, der heute von einer Vielzahl von trivialen Tätigkeitsfeldern, die vom Bekleidungswesen über Floristik bis zur Haarpflege reichen, okkupiert wurde. Der Schwerpunkt des Inhalts der Zeitschrift bewirkte zudem eine stetige Konzentration auf das zentrale Wesen der anfänglich in Deutschland 'Formgebung' genannten Disziplin, das wohl darin zu sehen ist, den auf Technik reagierenden Massenbedarf für den Menschen erträglich zu machen.

 

Weiterhin bewirkte das zentrale Thema Braun-Design, projiziert auf das heutige, uns umgebende Zeitkontinuum, erneute Erinnerung an inhaltliche Setzungen ehemaligen Designs, oder besser gesagt an Produktgestaltung, die mehr als bloße 'Hüllenmacherei' oder Produktdifferenzierung war. Mit den inzwischen fast einhundert Ausgaben stellt 'Design+Design' ein Periodikum dar, das die Mitte des 20. Jahrhunderts mit seinem Ende verbindet und richtungweisende Qualitätsmaßstäbe in das 21. Jahrhundert trägt.

 

Nur der Erfahrene vermag die sich hinter dem Konvolut der jeweiligen Hefte verbergende Anstrengung, Mühe, Geduld, ja vielleicht auch Freude zu ermessen, welche die Zeitschrift für Design-Sammler zur Instanz werden ließ. Und noch eine Bemerkung zum Schluss. Es gibt keine andere 'Unabhängige Zeitschrift für Design-Sammler', die während eines so langen Zeitraumes über die Design-Leistung fast nur eines Unternehmens, verkörpert vor allem durch den leitenden Designer Dieter Rams, konsequent berichtet hat. Es entstand dadurch eine Art Pyramide des Gedenkens, die als Orientierungspunkt in die Geschichte gepflanzt wurde: aere perennius.

 

Hans Wichmann

 

 

Quelle:
Wichmann, H.: Fast 30 Jahre und fast hundert Nummern
Zum Gleit und in memoriam 'Design+Design'. In: Index Design+Design 95/96, Hamburg Januar-April 2011, 6-7

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