Meine Damen und Herren,
ich freue mich, Sie im Namen der Braun AG und auch im Namen des Gestaltkreises im Bundesverband der deutschen Industrie begrüßen zu können und möchte für Ihr Erscheinen danken. Ich freue mich noch mehr, Ihnen heute das Ergebnis des Braun-Preises 1968 verkünden zu können.
Der Braun-Preis wird heute zum ersten Male verliehen. Es hat einige Zeit gedauert, bis es so weit war. Die Idee dazu liegt einige Jahre zurück. Die Braun AG hatte für ihr Bemühen um gutes technisches Design zahlreiche internationale Preise und Anerkennungen erhalten. Darunter war auch eine deutsche - eine Goldmedaille. Sie kam aus der DDR.
In der Bundesrepublik wurde zwar auch damals schon viel über Design gesprochen und geschrieben und das gestalterische Niveau war bestimmt nicht schlechter als in anderen Ländern, aber all diese Bemühungen fanden mehr in engerem Kreis und unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Sie fanden keinen breiteren öffentlichen Niederschlag, wie ihn ein gewichtiger offizieller Preis darstellen kann.
Damals kam Erwin Braun auf die Idee, einen bundesdeutschen Preis anzuregen, am besten einen neutralen, und wenn es nicht anders gehen sollte, einen BraunPreis zu stiften.
Inzwischen wurden von privaten Unternehmern (teilweise in Zusammenarbeit mit dem Gestaltkreis) Preise gestiftet. Wie zum Beispiel der Rosenthal-Preis und der Preis der Firma Holzäpfel, jeweils mit ganz bestimmten Aufgabenstellungen. Ein offizieller bundesrepublikanischer Preis steht noch aus. (Wie ich gehört habe, soll er demnächst Wirklichkeit werden.)
Natürlich kann man sich über die Notwendigkeit und den Sinn eines Design-Preises streiten oder ihn in Frage stellen. (Bei Literatur- und anderen Kunstpreisen wird das ja auch getan, und ich möchte sagen, oft mit einem gewissen Recht.) Design wird oft überbewertet, noch öfters unterbewertet, und am allermeisten missverstanden.
Was ist das überhaupt, Design?
Eine Umfrage, die das Zweite Deutsche Fernsehen für einen Film über dieses Thema veranstaltete, ergab, dass die meisten das Wort noch niemals gehört haben. Und selbst bei denen, die es wissen müssten, herrscht oft die Ansicht, dass Design prinzipiell eine gute und einheitlich zu beurteilende Sache ist. Eine Sache, auf der sich sogar weltanschaulich-philosophische Extrempositionen aufbauen lassen, die dann so anspruchsvoll fragwürdige Namen führe, wie »Funktionalismus« und »Emotionalismus«, und bei denen dann ein Ismus den anderen munter bekämpft.
Für mich ist Design ein viel natürlicherer Vorgang. Design ist innerhalb unserer Entwicklung eine notwendige Funktion. Es ist weder gut noch schlecht (obwohl der Anteil von schlechtem Design offensichtlich wesentlich höher ist als der von gutem). Eine einheitliche Beurteilung des Design ist nicht möglich. Design ist so unterschiedlich zu bewerten, wie unterschiedlich die Aufgabenstellungen und die Voraussetzungen sind, bei denen es praktiziert wird.
Design bei Porzellan oder bei Tapeten ist etwas anderes als Design bei Geräten mit hohem funktionellem und technischem Anteil, wie etwa bei einer Computeranlage oder einer komplizierten technischen Werkzeugmaschine. Deshalb kann man Design auch nicht allein von der äußeren ästhetischen Form her bewerten, sondern nur von der Aufgabenstellung her und von den Voraussetzungen, die die äußere Form bestimmen. Je komplexer und vielfältiger diese Voraussetzungen sind, um so höher wird es zu bewerten sein, wenn es dem Designer im Zusammenspiel mit den Technikern gelungen ist, zu einer ästhetisch gelungenen, harmonischen und selbstverständlich wirkenden äußeren formalen Gestaltung zu gelangen. Wer den schwierigen und langwierigen Prozess mancher technischen Entwicklung kennt, weiß, dass das nicht leicht ist.
Wir bei Braun haben uns eine Menge Gedanken über Design und einen DesignPreis gemacht, ehe wir diesen Wettbewerb ausschrieben. Wir wollten es uns nicht leicht machen und einem arrivierten Designer den so und so vielten Preis für dasselbe Produkt zukommen lassen.
Wir entschieden uns für einen Förderungspreis für junge Industrie Designer und Techniker, die noch in der Ausbildung sind oder ihren Beruf nicht länger als 2 Jahre ausüben. Der Preis war nicht an das Produktionsprogramm von Braun gebunden. Er sollte dem zukommen, der ein technisches Gestaltungsproblem, welcher Art auch immer, am besten gelöst hat. Unsere Erwartungen waren nicht gering.
Wir wussten, dass gerade an Designschulen oft hervorragende Arbeiten gemacht wurden. Anspruchsvolle Aufgaben, die sich systematisch und von Grund auf mit gestalterischen Entwicklungsproblemen befassten, und die gerade dadurch, dass sie frei waren von den oft allzu hektischen und engen Bindungen eines Industriebetriebs, zu Lösungen führten, die überraschend und originell waren und neue Möglichkeiten aufzeigten. Diese Arbeiten blieben oft unbekannt, weil sie in ihrem komplexen Anspruch und in ihrer zwangsläufigen technischen Unvollkommenheit für einen Industriebetrieb nicht kurzfristig realisierbar waren oder andere Schwierigkeiten versprachen.
Solche Arbeiten wollten wir mit dem BraunPreis fördern und der Öffentlichkeit bekannt machen. Unsere Erwartungen wurden nicht nur erfüllt, sie wurden bei weitem übertroffen. Die Ausschreibung war international. Es gingen 122 Bewerbungen aus insgesamt 15 Ländern ein. 30 Arbeiten wurden von der Jury für die engere Wahl bestimmt. Die Qualität dieser Arbeiten war so hoch, dass wir uns entschlossen, 28 davon in einer Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, denn wir glauben, dass gerade an diesen Arbeiten gezeigt werden kann, dass Design nicht nur äußere formale Gestaltung, sondern Bewältigung eines komplexeren Problems ist.
Sieben Arbeiten (das sind ein Viertel der in der Ausstellung gezeigten Arbeiten) stammen von Schülern der Hochschule für Gestaltung in Ulm.
Ich glaube, es gibt keinen besseren Beweis für die besondere Qualität der Schule und kaum ein realeres und überzeugenderes Argument in dem oft unsachlichen Disput, der um die Existenz der HfG geführt wird welches für das Weiterbestehen dieser Schule spricht.
Die Jury bestand aus drei Mitgliedern: Otl Aicher, Fritz Gotthelf und mir.
Dazu kamen als Berater: Dieter Rams, Dipl. Phys. Cobarg und Dipl. Ing. Mahlich. Die Jury hatte es bei dem sehr hohen Niveau der Arbeiten nicht leicht, Entscheidungen zu treffen. Und sie machte es sich auch nicht leicht. Sie kam oft in Versuchung, den Preis von insgesamt 25 000, DM breiter aufzufächern. Erst nach langer und sorgfältiger Analyse (einer Analyse, die nicht nur den formalen Aspekt bewertete) kam sie zu folgendem Ergebnis:
Der Preis von 25 000,- DM wird in 2 Preise aufgeteilt. Einen zu 15 000,-DM und den anderen zu 10 000,- DM. Den Preis zu 15 000,- DM erhielt Florian Seiffert für die Gestaltung einer Filmkamera.
Die Begründung der Jury lautet:
Die Filmkamera von Florian Seiffert wurde ausgezeichnet, weil sie von der Jury als eine optimale Lösung der hier gestellten Design-Aufgabe empfunden wurde. Der Entwerfer hat sich von den üblichen Entwicklungen frei gemacht und ein neues Konzept für eine 16-mm-Kamera gefunden. Die hervorstechenden Vorzüge sind: Im Gegensatz zu den herkömmlichen Kameras, die 30 m Film fassen und Zusatzkassetten benötigen, ist es hier möglich, die Kamera mit 120 m Filmmaterial zu bestücken. Die besondere Ausbildung des Griffes und die Lagerung der Kamera auf der Schulter ermöglichen eine sichere und ruhige Führung mit einer Hand. Die Bedienungselemente und Anzeigevorrichtungen sind übersichtlich in einem Feld angeordnet. Sie können während des Filmens mit der freien Hand manipuliert und ohne, dass die Kamera abgesetzt werden muss, kontrolliert werden. Die unauffällige, selbstverständliche und einfache Art, in der hier eine Aufgabe gelöst wurde, macht ihre gestalterische Qualität aus. Als besonders erfreulich wurde empfunden, dass die Aufgabe bis ins letzte Detail mit der gleichen Intensität durchgeführt wurde.
Den Preis zu 10 000,- DM erhielt Masanori Umeda für die Gestaltung eines mobilen Versorgungssystems 1968.
Die Begründung der Jury lautet:
Das mobile Versorgungssystem 1968 von Masanori Umeda wurde ausgezeichnet. weil es sich um eine zukunftsweisende Produktkonzeption handelt, die neue Möglichkeiten aufgreift und neue Wege beschreitet. Es ist eine Konzeption, die sich frei macht von heutigen Wohngewohnheiten, und die mit einer wohltuenden Unbekümmertheit Schlussfolgerungen aus heute erkennbaren technologischen und soziologischen Tendenzen zieht. Diese Arbeit stellt einen mutigen Ansatz dar, aus bestehenden Vorstellungen auszubrechen mit dem Ziel, durch möglichst große Mobilität der Wohnelemente eine freiere Verfügbarkeit über die technische Umwelt zu erreichen und den menschlichen Freiheitsraum zu vergrößern. Die Tatsache, dass der Mensch immer beweglicher wird und dass für junge Menschen der Anspruch auf den technischen Apparat der Zivilisation zur Selbstverständlichkeit geworden ist, gibt diesem Vorschlag besondere Bedeutung. Dinge dieser Art pflegen gerade dadurch, dass sie sich über das Bestehende hinwegsetzen, stimulierend auf die Entwicklung einzuwirken. Ein weiterer Vorzug liegt in der Anwendung moderner Fertigungsverfahren und moderner Materialien, so der Verwendung von Kunststoffen und der Ausnutzung ihrer Vorzüge, die auch im Formalen zu anregenden Vorstellungen führt. Dass Einzelheiten eines so groß angelegten Projektes noch eingehender Detailuntersuchungen bedürfen, wurde von der Jury als selbstverständlich vorausgesetzt.
Und jetzt bin ich in der glücklichen Lage, Ihnen zwei glückliche junge Leute vorzustellen, die, wie ich meine, ihr Glück wirklich verdient haben:
Florian Seiffert und Masanori Umeda.
Quelle:
Eichler, F.: Braun-Preis 1968 Rede zur Preisverleihung in Frankfurt am 11.11.1968. In: "Gesagt" von Dr. Fritz Eichler 1963…1972, Kronberg 1973, 23-26 und Eichler, F.: Braun-Preis 1968 Rede zur Preisverleihung in Frankfurt am 11.11.1968, Bewahrt im Archiv von Artur Braun, Königstein/Ts., Ordner: Braun Personen