Hartmut Jatzke-Wigand
 
Hans Gugelot: Wie kommt es zum entwurf?

Hans Gugelot

wie kommt es zum entwurf?


(Vortrag, gehalten am 7.11.1963 an der Volkshochschule, Ulm)

 

der beginn eines neuen studienjahres an der hochschule für gestaltung wurde bisher noch nie von so vielen veröffentlichungen begleitet wie in diesem jahre. so ist im kornhaus eine ausstellung mit arbeiten der studierenden der hfg und mit produkten gezeigt worden, die in den der schule angeschlossenen instituten entwickelt worden sind. ausserdem sind im rahmen der volkshochschule verschiedene referate über das thema design gehalten worden. diese referate haben sich mehr mit der geschichtlichen bedeutung und mit den gesellschaftlichen gesichtspunkten des design befasst und unternahmen es vor allem, die begriffe zu klären und die ziele zu erläutern.

 

mir fiel nun die aufgabe zu, ihnen darzulegen, wie es überhaupt zu einem entwurf kommt, und ich freue mich, dass es mir überlassen blieb, gerade über dieses thema zu sprechen. andererseits ist es natürlich recht schwer, die schöpferische tätigkeit, die mindestens in den augen des designers seine primäre beschäftigung darstellt, mit worten zu beschreiben.

 

hie und da hat jeder von uns mal eine vision, die ihm das bild einer gesuchten lösung vor augen führt. diese vision dann niederzulegen und nur noch im detail zu verfeinern, wäre die ideale form einer verwirklichung. bliebe nur noch die erfüllung eines wunschtraumes: nämlich den zeitpunkt einer solchen vision selbst zu bestimmen, also »geistesblitz mit zeitzündern«.

 

eine solche methode ist aber weder lehrbar - noch ist sie besonders zuverlässig. in der praxis sieht das verfahren meist anders aus.

 

es ist daher meines erachtens besonders günstig, dass wir dozenten durch die eigene arbeit für die industrie ständig mit der praxis konfrontiert werden, so dass wir den vorgang eines design-prozesses, wie er tagtäglich vor sich geht, analysieren können. die so gewonnenen erkenntnisse lassen sich in der zusammenarbeit mit den studenten verwerten. wir haben - genauso, wie das zum beispiel im maschinenbau der fall ist - unsere erfahrungswerte, die nicht immer wieder neu erarbeitet werden müssen. und wir wären selbstverständlich in der lage, diese in form von vorlesungen zusammenzufassen und darzubieten - wobei dann die gültigkeit solcher theoretisch vermittelten erkenntnisse noch zu beweisen wäre. hierzu lassen sich beispiele anführen wie etwa das tachometer, das rund sein muss, um die beste ablesung zu gewährleisten. jede änderung dieses konzepts würde eine verschlechterung des messinstrumentes bedeuten - auch dann, wenn eine firma wie mercedes eine solche änderung einführt. ähnlich feststehende regeln gibt es bei traggriffen, für die an sehr vielen instituten eingehende untersuchungen durchgeführt wurden. wir wissen zum beispiel auch, dass gewisse formen sich nur in einer bestimmten methode anwenden lassen und dass eine allzu grosse vermischung von formalen eigenarten zu ästhetisch unbefriedigenden lösungen führt.

 

das »learning by doing« ist noch immer die aktuellste methode auf unserem fachgebiet und hat den grossen vorteil, dass die studenten in ihrer arbeit alle diese erfahrungen selber machen können. sie lernen aus eigenen beobachtungen, wie bei einem bestimmten arbeitsvorgang die besten ergebnisse zu erzielen sind, und damit lernen sie es besser, als wenn wir ein designer-gesetzbuch hätten mit richtlinien und empfehlungen für erfolgreiches design.

 

selbstverständlich besteht auch bei unserer methode die gefahr, dass durch die praxis gewonnene erkenntnisse zu dogmen werden, dass erfahrungen zur routine führen, und dass die »handschrift des lehrers« vom schüler übernommen wird. bis zu einem gewissen grade lässt sich das auch nicht vermeiden.

 

es ist allgemein bekannt, dass die form eines produktes gewissermassen der ausdruck seiner funktion ist. aber auch innerhalb dieser funktion gibt es freiheitsgrade, die dem designer erlauben, nach seiner eigenen entscheidung zu handeln.

 

in unserer lehrtätigkeit möchten wir aber vor allem er reichen, dass die stadien im designprozess durch den schüler erkannt werden und dass er dann bis ins kleinste detail das werden seiner sogenannten schöpfung bewusst steuern lernt.

 

die ergebnisse der praktischen übungen wurden in unserer schulausstellung gezeigt. wenn diese ergebnisse zu negativer kritik veranlassung gegeben haben, so wollen wir dem kritiker zugute halten, dass er die doch schon beachtliche grösse unserer schule nicht berücksichtigt hat - ebenso wie die tatsache, dass nicht alle schüler, die in der schulbank sitzen, dem lehrer unbedingt über den kopf wachsen. auch die anderen müssen zu ergebnissen kommen, das ist nun mal die aufgabe einer jeden schule. in diesem zusammenhang von stil-schema und ästhetischem konformismus zu sprechen, scheint mir absurd.

 

jede durch irgendwelche zusammenhänge entstandene menschliche gesellschaft hat ihre eigenarten. so ist es natürlich auch mit einer zusammenarbeitenden gruppe von menschen innerhalb einer schule. es widerspricht jeglicher erkenntnis der modernen soziologie, hierin etwas besonderes zu sehen und diese tatsache a priori als negativum zu werten. mit solcher betrachtungsweise könnte man sonst auch der stijlbewegung zu leibe rücken, man könnte die bauhaus-gedanken angreifen, die heutzutage niemand mehr als für die zwanziger jahre nicht bedeutend abtun würde – ja, man würde jede reaktion auf jede stil-epoche bereits im status nascendi zerstören. es gäbe keine impressionisten, keinen jugendstil, keinen kubismus, keinen funktionalismus usw. usw. es gäbe aber auch keine theorie, wonach das produkt das zeichen für seine funktion ist. und das wäre doch schade.

 

dass jede gesellschaft ihre eigenarten hat, müssen gerade wir designer erkennen; denn dies zu berücksichtigen, macht einen wesentlichen teil unserer arbeit aus. nehmen wir zum beispiel die produzenten, die mindestens das eine gemeinsam haben: dass sie einen designer für die gestaltung ihrer produkte beauftragen. mir ist noch kein produzent begegnet, der sich hierzu unter primär kulturellen gesichtspunkten veranlasst sah. dies würde ja auch dem geist eines unternehmers völlig zuwiderlaufen. es stecken vielmehr sehr reale gründe hinter der beauftragung eines gestalters: nämlich der wunsch des unternehmers, die ökonomie seines unternehmens zu verbessern. und ich bin der meinung, dass es ein legitimes recht des unternehmers ist, diese verbesserung zu erwarten.

 

wir müssen uns nun in die lage des unternehmers versetzen, um festzustellen, wie in seinem speziellen falle diese erwartung gelagert ist. in den meisten fällen entschliesst sich ein solcher unternehmer dazu, ein ganz bestimmtes produkt überarbeiten zu lassen. er möchte sich selbstverständlich mit diesem produkt gegenüber der konkurrenz günstig hervorheben. vielleicht stellt er sich vor, dass das neue produkt brauchbarer sein wird oder preisgünstiger als die konkurrenzfabrikate, oder dass es durch seine formale eigenart mehr in den blickpunkt der öffentlichkeit gerät. ein solches resultat der bearbeitung kann dahin führen, dass die betreffende firma ihr ganzes erscheinungsbild zu korrigieren wünscht. immer aber wird sie zunächst mit einem produkt anfangen.

 

der designer sieht sich im augenblick der auftragserteilung einer völlig neuen, unbekannten situation gegenüber. das einzige, was er weiss, ist, welchen gegenstand er gestalten soll und welchen zweck der gegenstand für den benutzer zu erfüllen hat. er kennt auch die einzelnen phasen, die ein produkt durchmacht, vom moment des konzipierens an, das heisst von dem moment an, in dem die absieht besteht, ein bestimmtes produkt zu realisieren, bis zum zeitpunkt des ausgedienthabens und der vernichtung.

 

er weiss aber noch nicht, wie sein produkt produziert wird, wie es verteilt werden soll, wer es benützt und wie es benützt werden wird.

 

hierüber, das heisst über alle diese punkte, muss sich der designer in der ersten phase gründlich orientieren. am zweckmässigsten macht er dies in der umgekehrten reihenfolge er wird in der ersten untersuchung den zweck und die benützung des beabsichtigten produkts eingehend betrachten und dabei eine formale vorstellung für den zu realisierenden gegenstand bewusst unterdrücken. hierzu ist es notwendig, sich diejenigen gegenstände zu beschaffen oder anzusehen, die für gleiche oder ähnliche zweckerfüllung gedacht sind. wenn es sich um gegenstände des täglichen gebrauchs handelt, ist anzunehmen, dass der entwerfer seine erfahrungen mit ähnlichen, bereits vorhandenen produkten verwerten kann.

 

er wird sich ein bild davon machen müssen, welche menschengruppen für das neue produkt verwendung haben werden. er wird sich auch darüber klar werden müssen, wie gross die abweichung von bisher bekannten gegenständen ähnlicher art sein darf, damit der spätere benutzer das neue produkt für den gedachten zweck noch akzeptiert. hierbei spielen gewisse konventionen der gesellschaft eine grosse rolle.

 

letztes jahr wurde vom fachverband der braunkohlenbrikett-hersteller ein wettbewerb veranstaltet mit dem zweck, entwürfe für zimmeröfen zu erhalten. meines wissens gab es viele einsendungen, und einige prämiierte entwürfe werden jetzt dem publikum zur engeren wahl vorgelegt. - anfänglich schien es der zweck dieser veranstaltung, herauszufinden, wie ein ofen im jahre 1963 aussehen kann. bei näherer betrachtung der eingegangenen entwürfe musste man jedoch feststellen, dass nur wenige der zeitgenossen, die noch nicht mit der konvention des bisherigen ofens gebrochen haben, in den vorgelegten entwürfen einen ofen erkannten. diese tatsache mag die veranstalter des wettbewerbs dazu veranlasst haben, einen zweiten wettbewerb unter potentiellen ofenbenützern zu veranstalten mit dem zweck, herauszufinden, welcher von den entwürfen nun doch als ofen erkannt wird. einige in dem wettbewerb nicht preisgekrönte designer streiten sich ebenfalls herum, wie nun eigentlich der superofen aussieht.

 

sie sehen, meine damen und herren, dass der phase der information sehr grosse bedeutung zukommt, wenn sie als designer wert darauf legen - oder es zum mindesten nicht als eine schande betrachten -, dass ihr produkt später realisiert wird. ich setze voraus, dass zum beispiel der ofen-designer sich darüber im klaren sein muss, wie gross die einfüllöffnung zu bemessen ist, damit der ofen die vom wettbewerbsveranstalter produzierten briketts aufnehmen kann. oder wie wollen sie einen reservekanister für auto-öle entwerfen, wenn sie nicht wissen, wie der öl-einfüllstutzen bei den verschiedenen automobilen beschaffen ist? wie wollen sie eine küchenmaschine entwerfen, wenn sie nicht wissen, für welche nahrungsmittelzubereitung sie dient, wie hoch die arbeitsfläche in der küche ist und wo die maschine nach dem gebrauch abgestellt werden kann? denn es gibt bei unserer untersuchung nicht nur eine primäre beziehung zwischen dem menschen und dem produkt, sondern auch eine solche zwischen dem produkt und seiner gegenständlichen umgebung.

 

vielleicht mag es im ersten moment nicht einleuchtend sein, dass ich auch die art der verteilung, das heisst also den weg, den das fertige produkt von der herstellung bis zum konsumenten zurücklegt, in meine betrachtungen einbeziehen möchte. aber einige beispiele aus unserer bisherigen tätigkeit mögen zur näheren erläuterung dienen.

 

vor jahren machten wir den entwurf für einen automatischen kleinbild-projektor. das typische an diesem gerät war, dass es ohne magazin arbeitete. die dias wurden hinten am gerät flach aufeinandergestapelt und durch einen schieber in eine horizontale bildbühne gebracht. die lichtoptik war vertikal angeordnet und der strahlengang nach dem dia durch einen spiegel umgelenkt, so dass die projektions-optik in der bisher gewohnten anordnung verbleiben konnte. der dia-wechsel erfolgte dadurch, dass das neue dia das alte aus der bühne schob, welches dann in einem kleinen schacht zu liegen kam. eine solche anordnung ermöglicht eine extrem kleine bauweise und eine verblüffend einfache mechanik.

 

dieses gerät nun wurde dem grosshandel vorgestellt, und die ablehnung erfolgte mit der begründung, dass jeder, der sich bis heute einen magazin-projektor angeschafft hat, weiterhin als potentieller käufer für magazine betrachtet werden kann. unser projektor hingegen arbeitet ohne magazin, was vom vertrieb her als erheblicher nachteil angesehen wurde.

 

es gibt aber auch andere gründe, die es notwendig erscheinen lassen, die art der verteilung genauer zu untersuchen. so kann es zum beispiel der versand erfordern, ein produkt zerlegbar zu machen, um dadurch lagerraum zu sparen und die verpackung zu vereinfachen. andere produkte wieder werden durch warenautomaten verteilt, was ganz andere anforderungen an ein produkt stellt. und möbel wiederum müssen so beschaffen sein, dass sie z.b. durch zimmertüren gehen.

 

die spielmöbel, die ich für die firma grünzig vor vielen jahren entworfen habe, bestehen aus einer gruppe von einzelelementen wie einem kubus, einem kleinen u und einem flachen brett . diese elemente kann das kind stapeln und kann damit ein kleines theater bauen, einen verkaufsladen, einen arbeitstisch einrichten, und manches andere, was es sich wünscht. es ist klar, dass die einzelnen elemente eine sinnvolle grösse haben müssen, damit das kind darauf sitzen oder zum beispiel in den kuben seine bücher und sein spielzeug lagern kann. für den versand jedoch gelten andere gesichtspunkte. und so ergaben sich vom gebrauch und von der verteilung her diametral einander entgegenstehende bedingungen: für das kind mussten die kuben aufeinandergestellt werden können, während sie vom verteil-aspekt her hätten pyramidenstumpf-ähnliche gebilde sein sollen, die ineinanderpassen. ich habe in diesem falle das kind bevorzugt.

 

mir wurde sehr oft der vorwurf gemacht, dass ich das schrankproblem mithilfe eines baukastens zu lösen versuchte, da es doch den benutzer nicht interessiert, dass sich sein kleiderschrank in einzelne platten zerlegen lässt - dies umso weniger, wenn er bei einem späteren umzug den schrank nicht zerlegen möchte, um damit seine kleider besser transportieren zu können. andererseits ist es aber eben doch ein grosser vorteil, wenn sich die verschiedenen schrankmodelle, in ihre elemente zerlegt, beim händler besser, billiger und infolgedessen in grösserer auswahl lagern und verteilen lassen. (dass durch diese methode eine grössere variabilität der benutzung möglich ist und ein vereinfachtes produktionsverfahren, möchte ich in diesem zusammenhang noch nicht einmal erwähnen.)

 

es gab schon viele wertvolle gedanken und vorstellungen für gegenstände, deren verwirklichung nur daran gescheitert ist, dass sie sich nach dem heutigen stand der verfahrenstechnik nicht erzeugen liessen. bevor wir an die eigentliche entwurfsarbeit gehen, ist es daher unerlässlich, die produktionsmöglichkeiten unseres auftraggebers genau zu studieren.

 

gerade bei der wahl der werkstoffe scheint es mir fast unumgänglich, die empfehlungen der zu beratenden firma zu beachten. insbesondere die reiche erfahrung mit der verarbeitung bestimmter materialien, die die firma nun mal hat, kann uns bei der späteren fertigung manche enttäuschung ersparen. dabei gibt es ganz verschiedenartig gelagerte produktionsvoraussetzungen. so gibt es eine anzahl von firmen, die in der verarbeitung vom rohmaterial bis zum fertigen produkt eine art perfekter autarkie erreicht haben. andere firmen wieder beschränken sich mehr auf die montage und auf die dazugehörige bearbeitung der halbzeuge und der vorgefertigten teile.

 

ich weiss nun nicht, welche von den beiden voraussetzungen ich für die zusammenarbeit mit einem designer günstiger nennen soll. eins ist aber sicher: die firma, die über eine eigene halbzeug- und vorfertigung verfügt, wird ihre wünsche bei der werkstoffauswahl und bei der festlegung des zugehörigen produktionsverfahrens mit mehr nachdruck zur geltung bringen. auf jeden fall verfügt sie im allgemeinen über die betreffenden fachleute im eigenen hause, was für die koordination und für das gute gelingen des produktes in der fabrikation bestimmt von vorteil ist - vorausgesetzt, die geschäftsleitung ist befähigt und in der lage, die bei einer zusammenarbeit verschiedenartiger personengruppen fast immer auftretenden schwierigkeiten zu überbrücken. unter dieser voraussetzung wird die arbeit des designers - das heisst des frei schaffenden designers - erheblich vereinfacht. im allgemeinen haben jedoch solche firmen eine gewisse grösse, so dass es sich für sie unter umständen lohnt, einen werkseigenen designer einzustellen, der dann seinerseits die notwendige koordination - auch mit der kaufmännischen abteilung - mit zu übernehmen hätte.

 

die anders gelagerten betriebe, die primär montage ausführen, arbeiten hauptsächlich mit zulieferanten für halbzeuge und vorgefertigte teile. solche betriebe dürften heute gegenüber den vorher geschilderten unternehmungen schon in der mehrzahl sein, denn die schnelle weiterentwicklung vor allem der verfahrenstechnik lässt es oft ratsam erscheinen, einen grossen teil der vorfertigung nicht mehr im eigenen betrieb durchzuführen, sondern die teile von zulieferanten zu beziehen, um auf diese weise grössere dispositionsfreiheit zu erhalten. dabei sind mir sogar einige fälle bekannt, wo ausserdem auch noch kalkulatorisch nachgewiesen wurde, dass der zulieferant billiger arbeitet als die eigene vorfertigung. so hat etwa eine radiofabrik mit eigener röhrenfertigung bei der umstellung auf transistor-technik weitaus einschneidendere umdispositionen vorzunehmen als das montage-werk, das sofort vom augenblick der umstellung anstatt röhren von telefunken oder philips nun transistoren in japan einkaufen kann - das heisst da, wo es sie am billigsten bekommt. andererseits ist das montage-werk natürlich in einer gewissen abhängigkeit bezüglich neuentwicklungen auf dem zuliefer-sektor.

 

wie sehr eine eigene, grosszügig angelegte produktionsanlage die produktion eines neuen gegenstandes geradezu ungünstig bestimmen kann, mag folgendes beispiel erläutern.
eine grosse nähmaschinenfabrik hat vor einigen jahren ihre neueste maschine in grauguss geplant, weil sie über eine moderne, extrem grosse und mit allen raffinessen ausgestattete sandgussfertigung verfügte. solche in grauguss hergestellten maschinenständer müssen aber nachträglich geschliffen und verputzt werden und verlangen eine lackoberfläche, die mit ihrer struktur die ungenauigkeiten, die dieses gussverfahren mit sich bringt, buchstäblich vertuscht. dabei ist zu bedenken, dass jeder konstrukteur andererseits bestrebt sein muss, bei neuen produkten möglichst viele arbeitsgänge einzusparen und vor allem handarbeit auf ein minimum zu reduzieren.

 

durch das zuliefersystem sind dem entwerfer zwar mehr freiheiten gegeben, vor allem in bezug auf die materialwahl. es bedarf jedoch erheblich größeren organisatorischen aufwandes, ein neues produkt in seiner ganzen komplexität zu erfassen, und es kann vorkommen, dass es sich im allerletzten moment um eine kleine dichtung handelt, deren beschaffung alle termine über den haufen wirft.

 

dazu möchte ich noch von einer erfahrung berichten, die der entwerfer häufig machen wird und die dazu angetan ist, ihm viel kopfzerbrechen zu verursachen.

 

es ist bekannt, dass die meisten werkzeugbauer ihre höchstpersönliche ansieht vertreten bei der gestaltung der werkzeuge. natürlich können diese fachleute auf eine sehr grosse erfahrung zurückblicken. jedoch ist die besagte erfahrung kaum bei zwei fachleuten verschiedener firmen völlig gleich.

 

nun kann die gestaltung der werkzeuge unter umständen ein produkt formal sehr stark mitbestimmen. wenn also mehrere zulieferanten bei der kalkulation eines einzelnen teiles in konkurrenz stehen, kann es passieren, dass der entwerfer für jeden einzelnen dieser zulieferanten nach dessen empfehlungen das fragliche bauteil verändern und immer wieder neu entwerfen muss. abgesehen von einigen grundregeln, die dem entwerfer geläufig sein müssen - dass nämlich gewisse formen im werkzeugbau leichter zu erzeugen sind als andere - gibt es doch bei komplizierteren werkzeugen eine unzahl von variationsmöglichkeiten, die von fall zu fall verschieden gelöst werden.

 

man ist vielfach der meinung, dass die kunststoffe sich in jede form zwingen lassen wie etwa beim spritzguss. trotzdem darf man nicht ausser acht lassen, dass von der werkzeugseite her ein rotationskörper viel billiger und präziser herzustellen ist als jede andere form. das heisst, dass also auch im kunststoff jedes runde teil günstiger ist.

 

es ist also nicht damit getan festzustellen, dass der werkstoff die form der dinge stark bestimmt - so wie zum beispiel ein stahlfenster feingliedriger ist als ein holzfenster. ich würde sagen, dass es auf viel komplexere und feinere einzelheiten ankommt, deren vielzahl ich gar nicht nennen kann.

 

und schliesslich gibt es noch eine menge gesetzlicher bestimmungen, die zu kennen von vornherein manchen fehlschlag bei der entwicklung eines produktes vermeiden kann.

 

jedenfalls ist sicher, dass erst die informationen, die wir durch die untersuchung der drei produktstadien nutzung - verteilung - herstellung erhalten haben, nun erlauben, uns gedanken darüber zu machen, wie das produkt funktionieren und wie es aussehen soll.

 

meine damen und herren, erst jetzt kommen wir zum eigentlichen entwurf. das heisst, der designer ist von nun an auf sein vorstellungsvermögen angewiesen.

 

es ist der wunschtraum manchen designers, durch ein neues konzept die welt zu verblüffen und seinen namen und seine person mit dieser invention untrennbar verknüpft zu wissen. diese tendenz wird noch durch eine menge fachzeitschriften unterstützt, die, um ihre seiten zu füllen, auf jeden beitrag angewiesen sind - auch auf die veröffentlichung nicht prämiierter und nicht realisierter entwürfe. solche publikationen haben andererseits zur folge, dass viele entwerfer sich aus den heften inspirieren lassen es wird also einerseits durch solche kommunikationsmittel eine qualitätssteigerung erreicht, andererseits aber eine nivellierung. es gibt nur wenige designer, die sich aus einem trend befreien und etwas völlig neues machen. und dieses neue wird dann unweigerlich wieder zum massstab eines neuen trends.

 

es verhält sich hier also nicht viel anders als bei anderen kommunikationsmitteln. und ganz deutlich zeigt dies zum beispiel die schallplatten-industrie mit ihrer in dieser hinsieht besonders starken auswirkung. ob es sich um einen pat boone oder um den elvis presley-boom handelt: überall wird kopiert und überall wird nachgeahmt. dennoch wird kaum einer von uns auf die musik aus der konserve verzichten, weil sie eben auch die qualitätsansprüche auf darbietung erheblich gesteigert hat. mit ihrer hilfe kann sich jeder heute einen yehudi menuhin im wohnzimmer leisten, und der fünftklassige geiger muss sich nach einem anderen beruf umsehen - oder aber seine qualität entsprechend verbessern.

 

hugh panacier hat behauptet, dass die neue musik, das heisst die entwicklung der jazz-musik, nur möglich war durch die verbreitung der schallplatte. und da es sich beim design auch um eine neue form der äusserung handelt, wäre denkbar, dass sie ebenso einer verbreitung bedarf, und dass die design-zeitschriften das ihre dazu beitragen. in der architektur hat sich diese entwicklung schon weitgehend vollzogen.

 

bei oberflächlicher betrachtung handelt es sich bei uns immer um »the look of things«. unsere gegenständliche umwelt ändert sich unentwegt. denn ein gegenstand ist nur immer so lange gut genug, bis er durch einen besseren ersetzt wird. dieser ständige wechsel beeinflusst natürlich unsere betrachtungsweise und unser urteil.

 

oft verschwinden aus wirtschaftlichen überlegungen dinge aus unserer umwelt, die bis dahin durch ihr erscheinungsbild unsere vorstellungen geprägt haben. so hat die deutsche bundesbahn ausgerechnet, dass die elektrifizierung der schwarzwald-strecke teurer sein würde als der austausch aller noch existierenden dampflokomotiven gegen neue diesel-loks. es könnte also sein, dass die bundesbahn sich entschliesst, diesen austausch vorzuziehen. und das würde das ende der dampflok bedeuten, die noch heute - auch für unsere kinder - weitgehend die vorstellung einer lokomotive repräsentiert. die kommende generation jedoch wird dann wahrscheinlich nie mehr gelegenheit haben, eine dampflok zu sehen - ausser im museum, und bei ihr wird das wort »lokomotive« eine völlig andere vorstellung erzeugen.

 

wie stark neue entwicklungen durch bisherige vorstellungen beeinflusst und geprägt werden, ist am beispiel der ersten e-lok (1904 auf der versuchsstrecke seebach-wettingen) deutlich zu sehen: sie hat noch sehr stark das aussehen einer dampflokomotive.

 

so und ähnlich verändern und entwickeln sich alle gegenstände unserer umwelt. und unter diesem gesichtspunkt wird deutlich, wie zwar kaufmännisch verständlich, aber in der sache absurd der anfangs erwähnte zimmerofen-test ist. hierbei ist es, um das noch einmal zu wiederholen, für den designer ausserordentlich wichtig zu wissen, wie gross der sprung zum neuen und die abweichung vom bisher bekannten sein darf, damit ein entwurf noch realisierbar ist - auch wenn dieser sprung für den designer persönlich viel grösser sein könnte. es bleiben ihm also zwei möglichkeiten: entweder wird er, wenn er in der lage ist, die entwicklung auf weite sieht hin zu überblicken, wahrscheinlich - ähnlich wie jules verne - die realisierung seiner gedanken gar nicht mehr erleben. oder aber - und das ist die zweite möglichkeit - er beteiligt sich durch realisierbare entwürfe aktiv an einer wirklichen weiterentwicklung.

 

ich habe mich schon oft gefragt, ob und inwieweit unsere heutigen gebrauchsgüter die antiquitäten von morgen sein könnten. ich würde sagen, dass dies für manche unserer geräte zutreffen mag, für die meisten aber nicht. in diesem zusammenhang interessiert natürlich die frage, nach welchem gesichtspunkt ein gegenstand nach mehreren jahren eine art seltenheitswert bekommt. vielleicht geben uns beispiele aus der vergangenheit einige hinweise.

 

in amerika werden heutzutage höchstpreise für den ford model T bezahlt. auch der auburn aus den 30er jahren und der cord sind beliebt. in europa sind es die automarken bugatti, horch, maybach, bmw-dixie, bentley und wenige andere, die bei den sammlern begehrt sind. bei den möbeln sind es die modelle von corbusier, riedveld und thonet, die etwa aus der gleichen epoche stammen wie die genannten autos.

 

bei näherer betrachtung dieser beispiele wird man feststellen, dass sie in allen fällen das ergebnis einer pionierleistung, meist sogar eines einzelnen oder einer ganz kleinen gruppe von menschen sind, deren fortschrittliche und originelle ideen in ihren produkten realisiert wurden. keineswegs aber handelt es sich um resultate, die auf dem wege des kopierens und nachahmens entstanden sind.

 

vielleicht ist es daher verständlich, dass in manchen zeitgenössischen designhäuptern noch ein leonardo herumgeistert. die gesammelten werke seiner nachfolger können in münchen im patentamt eingesehen werden - übrigens gar keine schlechte methode, um sich über den stand der neuheiten zu orientieren. es wird aber in den seltensten fällen vom designer eine patentfähige idee erwartet, sondern der entwurf für ein produkt, dessen formale eigenart der funktion entspricht. ebenso erwartet man von ihm, dass er sich bewusst ist, welche verantwortung er trägt, indem er die gestalt eines gegenstandes bestimmt, der nachher in vielen zehntausenden von exemplaren produziert werden soll.

 

wie nun der designer zu einer bestimmten vorstellung, zu einer idee kommt, ist leider nicht genauer definierbar. die ganze kunst besteht vielleicht darin, sich so gut vorzubereiten, dass die wahrscheinlichkeit eines einfalls sehr gefördert wird. in den meisten fällen werden sich durch derartig gründliche vorbereitung sogar mehrere lösungsmöglichkeiten für eine aufgabe abzeichnen. und eine ernsthafte analyse der einzelnen möglichkeiten - wobei die jeweiligen vor- und nachteile abzuwägen sind - muss mehr oder weniger grosse übereinstimmung mit den aus der voruntersuchung erhaltenen bedingungen ergeben.

 

ich möchte nicht verschweigen, dass ich fast jeden entwurf als einen kompromiss betrachte. man wird kaum je in der lage sein, jeder der gestellten bedingungen in vollem umfang zu entsprechen, zumindest bei etwas komplexeren produkten. die berühmte nähnadel, die angeblich nicht zu verbessern ist, können wir für diese betrachtung ruhig mit einbeziehen. den faden durchs nadelöhr zu führen, ist nicht jedermanns sache, und die nähnadel könnte meiner meinung nach ruhig verbessert werden. auch sie ist nur ein kompromiss.

 

es gibt aber so etwas wie einen optimalen kompromiss - und der ist es, den wir mit unserem entwurf anstreben. auch der optimale kompromiss jedoch ist gekennzeichnet durch die subjektive wertung des designers. ebenso ist die beurteilung von »designten« produkten durch juroren, die heute fast auf jeder messe anzutreffen sind, wegen der auch unter juroren verbreiteten subjektivität höchst problematisch. (nebenbei bemerkt, gilt dies ganz gewiss auch für die beurteilung von studentenarbeiten durch dozenten.)

 

wenn hingegen eine design-situation durch eine grössere gruppe von menschen beurteilt wird, zeigt sich wieder die nivellierende wirkung der masse. das kann sich in der praxis sehr unangenehm auswirken, wenn zum beispiel ein entwurf in einem frühen stadium einem auftraggeber zur beurteilung vorgelegt wird, der die halbe fabrik zu rate zieht. das ergebnis einer solchen tagung ist grauer durchschnitt.

 

wie und in welcher form stellen wir nun unseren entwurf zum ersten mal dem auftraggeber vor? das ist von fall zu fall verschieden. ich würde sagen: je kompletter und je perfekter die idee vorgetragen wird mit zeichnungen, anschauungsmodellen und vorschlägen für die verpackung, womöglichst noch mit hinweisen für die werbung - umso grösser ist die chance, dass der entwurf akzeptiert wird. es kommt aber, wie gesagt, ganz auf die eigenart des beratenen unternehmens an, insbesondere auf die der geschäftleitung.

 

wird bei allen partnern übereinstimmung erreicht, so gibt es je nach komplexität des produktes noch eine menge arbeit zu tun. das produkt muss unter anderem den fertigungsnormen des werkes angepasst werden. gleichzeitig erfolgt eine genaue kalkulation, und es kann vorkommen, dass die kalkulation manches detail des entwurfs gefährdet. darum ist es sehr von vorteil, wenn ökonomische gesichtspunkte von vornherein bei der gestaltung berücksichtigt werden.

 

schliesslich werden noch funktionsmodelle gebaut. hierbei kann man nützliche erfahrungen sammeln für die spätere produktion.

 

meine damen und herren, ich bin mir darüber im klaren, dass das, was ich ihnen heute erzählt habe, nicht dazu angetan ist, ihnen ein zusammenhängendes bild von unserer arbeit zu geben.

 

vielleicht habe ich manches zu akademisch geschildert - oder vielleicht hätte ich auf den denkprozess des designers näher eingehen sollen. aber gerade diese phase unserer arbeit ist immer wieder verschieden. einmal entsteht ein entwurf tatsächlich durch einen plötzlich aufleuchtenden gedanken - ein andermal hat man ihn sich über sehr viele umwege und mit viel mühe erarbeiten müssen.

 

so verschieden aber die wege der gedanken auch sein mögen - eines ist sicher: man muss sich etwas einfallen lassen.

 

 

Quelle:
Bewahrt im Archiv Gugelot, Hamburg; Archiv von Artur Braun, Königstein/Ts., Ordner: Braun Personen Abteilung 5: Hans Gugelot und Gugelot, H.: wie kommt es zum entwurf? In: Wichmann, H. (Hrsg.): System-Design. Bahnbrecher: Hans Gugelot, München 1984, 53-60

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