Hartmut Jatzke-Wigand
 

Hartmut Jatzke-Wigand

Der Universalempfänger Station T 1000 und der Weltempfänger T 1000 CD


September 1965

 

Unglaublich, morgens um 8 Uhr empfangen wir die deutschsprachige Sendung von Radio Japan auf 17 870 KHz. Ehrfürchtig blicken wir drei Radio- und Fernsehtechnikerlehrlinge von Radio Dörr auf den Universalempfänger T 1000 der Braun AG. Ein mattglänzendes Aluminiumobjekt mit großer, beeindruckender Skala und extrem langen Teleskopantennen. Im Gegensatz zu diesem edlen Objekt wirkt der abgewetzte Reparaturtisch, ja die gesamte Werkstatt schäbig. Und dann der Preis: genau 68 mal soviel wie der Monatslohn im ersten Lehrjahr... .

 

Design

 

Zufrieden äußert sich der Designer Dieter Rams in seinem Buch Weniger, aber besser: „Der T 1000 gehört zu den besonders gelungenen Entwürfen dieser Jahre. Ein Gerät, dass ein ganz unverwechselbares Design hatte, ein Gesicht, das eine deutliche Faszination ausstrahlte, zugleich von der Grundform bis zum kleinsten Detail konsequent daraufhin gestaltet war, seinen Zweck optimal zu erfüllen." Anhand vieler Entwurfsskizzen näherte sich Dieter Rams der möglichen Gestalt des T 1000. Ein tragbares Fernsehgerät gleicher Höhe sollte den Universalempfänger ergänzen. 1962/63 eine innovative Idee, zugleich die konsequente Weiterentwicklung des Systemgedankens bei Braun. Aus Kostengründen ging dieser ungewöhnliche Fernsehportable nicht in Produktion. Somit entfiel die Entscheidungsbasis für die präferierte Übereinanderordnung von Bedienfeld und Lautsprecher.


Das tragende Gehäuse des T 1000 besteht aus einem in der Tradition der Koffergeräte der fünfziger Jahre gefertigten Holzkoffer. Schwarzes Kunstleder überzieht Rückwand, Ober- und Unterteil. Die matt eloxierten Aluminiumteile sind wie eine Verkleidung auf dem Holzkoffer angebracht. Die gelochte Lautsprecherabdeckung betont die edle Anmutung des Gerätes. Sie ist beispielgebend für Designer – wie zuletzt die Frontseite des 2003 vorgestellten Computers G 5 von apple zeigt. Auch das Schwarz-Silberne des Gerätes - als Farbgebung ein Teil der Coperate Identity von Braun – unterstreicht einen über Jahrzehnte wegweisenden Standard für die Radio- und Phonoindustrie oder für Kameragehäuse. Die präzise Konstruktion des abnehmbaren Schutzdeckels für das Bedienfeld und sein auf das Wesentliche reduzierte Design visualisieren das Professionelle des Gerätes. Zusätzlich nimmt das Innenfach des Deckels Sendetabellen oder die Bedienungsanleitung auf – ein Beispiel für eine am täglichen Gebrauch orientierte Gestaltung. Deshalb befinden sich auch sämtliche Anschlüsse für Zusatzlautsprecher, Kopfhörer, Antennen u.s.w. an der Frontplatte. Die extrem große und übersichtliche Skala mit klarer Produktgrafik betont den Allwellenempfänger, erleichtert die Sendereinstellung. Farbgebende Akzente wie die rote FM-Drucktaste, der rote Punkt am Drehknopf der Sendereinstellung und die rote Skala für FM verweisen auf die Einstellung für den UKW Empfang. Dieses Design ist an der Bedienung orientiert und besitzt – typisch für Dieter Rams – eine Selbsterklärungsfunktion.

 

Technologie

 

Gelöst sitzt mir am 2. Juli 1991 Joachim Fahrendholz gegenüber. Er betont seine idealen Arbeitsbedingungen in der Projektgruppe Burresch: „Wir konnten den T 1000 ohne finanzielle Begrenzungen nach dem Stand der Technik entwerfen. Unser Ziel war besser als die Anderen zu sein." Die technologischen Eckdaten definierte die Entwicklungsgruppe nach Analysen der weltweit führenden Geräte Hallicrafter SX-130 und Zenith Trans-Oceanic. Das technologisch Besondere des T 1000 ist der Zwölf-Bereichs-Trommeltuner mit Goldkontakten. Diese ermöglichen die hohe Wiederkehrgenauigkeit eines eingestellten Senders – ein wichtiger Maßstab für technologische Qualität. Der Nutzer muss den schwergängigen Trommeltuner rastend schalten. Das erfordert einen gut bedienbaren Schalter. Sein Design, seine konstruktive und fertigungstechnische Umsetzung diskutierten Dieter Rams und die Techniker sehr kooperativ. Das Ergebnis dieser herausragenden Teamarbeit beim Erarbeiten von Designlösungen ist die funktionale und elegante Gestaltung des Schalterknebels.

 

Erfolge

 

Am 30. August1963 beginnt in Berlin die Große Deutsche Funkausstellung. Sie ist die weltweit umfassenste Leistungsschau der Unterhaltungselektronik. Der Messestand der Braun AG mit seinem grazilen Austellungssystem von Otl Aicher und den Knoll International Möbeln unterscheidet sich signifikant von den anderen Messeständen. Die Mitarbeiter der Braun AG fiebern dem Messebeginn entgegen. Wie würde die Öffentlichkeit die neue Produktpalette, den hochpreisigen T 1000 aufnehmen? Besteht überhaupt ein Bedarf für ein semi-professionelles Gerät dieser Art? Schon zu Messebeginn war der Erfolg sensationell, die Kurzwellenbar mit dem T 1000 ständig umlagert. Funkamateure und bestätigten die ausgezeichneten Empfangsqualitäten. Die internationale Presse berichtete begeistert über den hochleistungsfähigen Empfänger mit dem unverwechselbaren Design. Am zweiten Messetag war die gesamte für den T 1000 geplante Produktionseinheit von 1000 Exemplaren verkauft.

Insgesamt produzierte die Braun AG von dem Universalempfänger Station T 1000 11300 Exemplare und von dem Nachfolger Weltempfänger T 1000 CD – mit Ledergriff und eingebautem Netzteil – 13981 Exemplare. Wobei sich die Bestellungen des Schweizer Bundesheeres und der Vietnam Krieg als verkaufsfördernd erwiesen. GI's kauften in Frankfurt den T 1000, mit denen sie in Vietnam nicht nur amerikanische, sondern auch schwedische Sender in englischer Sprache mit ihren genauen Nachrichten über den Krieg empfangen konnten. Der Bedarf war so groß, daß der T 1000, auch mit weißer statt schwarzer Skala, direkt von einem Frankfurter Großhändler in einem mit Latex getränkten Jutesack nach Saigon exportiert wurde.

 

Marketing

Der internationale Erfolg des Weltempfängers beruht nicht nur auf die Gebrauchs- und Funktionsbezogenheit des Designs oder der hochwertigen Technologie, sondern auch auf das kreative Marketing mit seinen ausgefeilten Verkaufsstrategien. Verkaufsfördernd wirkten u.a. typographisch sorgfältig erstellte Informationsmaterialien oder die variablen Schaufensterdekorationssysteme, die glaubwürdig, informativ und zurückhaltend den vielseitigen Nutzen des T 1000 (CD) vermittelten.

Der Weltempfänger nahm an zahlreichen Messen und Ausstellungen teil. Gezielt informierten z.B. auf Bootsausstellungen intensiv geschulte Firmenangehörige die zahlungskräftigen Besucher über dieses Gerät mit seinen Einsatzmöglichkeiten als Empfänger von Seewetterdiensten oder mit weiteren Zubehörteilen als Navigationsinstrument. Die gründlichen Informationen und ansprechenden Vorführungen lösten immer ein breites Medienecho aus. International schnitt der T 1000 bei Vergleichstesten hervorragend ab. Das Marketing griff geschickt Presseberichte auf, verstärkte sie in Interaktion mit weiteren Zeitschriften und Medien. Als sehr hilfreich erwiesen sich dabei Berichte über den Einsatz des Weltempfängers auf Expeditionen, in Presseagenturen oder diplomatischen Vertretungen. Das Professionelle und Exklusive des Gerätes ließ sich so hervorragend belegen, der Eindruck durch Werbekampagnen weiter intensivieren.

 

Prämierungen und Ehrenanerkennungen – u.a. auf der für Designer wichtigen Biennale in Ljubljana – erweiterten die internationale Reputation des T 1000. die Produkte der Braun AG avancierten zum kulturellen Botschafter Deutschlands, sie galten als Inbegriff guten Designs. Diesen Eindruck unterstrich die intensiv betriebene Musealisierung von Braun Produkten. Besucher konnten den T 1000 1964 auf einer Sonderschau im Museum of Modern Art in New York betrachten – er wurde danach in die permanenten Bestände der Designsammlung übernommen – oder in Tokio auf der Ausstellung "Braun - Das Gesicht einer Firma". Das wachsende Image des T 1000 (CD) strahlte auch auf diejenigen Produkte über, mit denen die Braun AG Gewinn erwirtschaftete: Rasierer, Haushalts- und Blitzgeräte. Zugleich motivierte es die Braunhändler und Vertreter, brachte Anerkennung und zusätzlichen Elan für die Belegschaft.

 

Das Marketing steigerte insgesamt das Image, den technologischen und ästhetischen Mehrwert des Gerätes. Es aktivierte die Begehrlichkeiten der fest umrissenen Zielgruppe, verstärkte die Identität des Nutzers mit dem T 1000 und förderte seinen Besitzerstolz: ein lehrbuchhaftes Beispiel einer zielgerichtet umgesetzte Marketingstrategie.

 

Mai 2004

Matt glänzend steht der T 1000 CD auf meinem Schreibtisch: noch immer Faszination ausstrahlend, ein wunderschönes, unverwechselbares Designobjekt. Allerdings nur noch für Hintergrundmusik genutzt. Gekauft 1980 für 700 DM auf der Braun+Design Sammlerbörse Süd. Nach Versicherung eines kenntnisreichen Braunsammlers in musealer Qualität. Natürlich mit Peiladapter PV 1000, Kopfhörer KH 100, Peilkreis PK 1000 und Bedienungsanleitung – manche Dinge muss der Mensch einfach besitzen ... .

 

 

Quelle:
Jatzke-Wigand, H.: Der Universalempfänger Station T 1000 und der Weltempfänger T 1000 CD. In: Buchholz, K.; Wolbert, K. (Hrsg.): Im Designerpark Leben in künstlichen Welten, Darmstadt 2004, 942-945

powered by webEdition CMS