Hartmut Jatzke-Wigand
 
Hartmut Jatzke-Wigand: Gebrauchswert und neuorientierte allgemeine technische Bildung

Hartmut Jatzke-Wigand

Gebrauchswert und neuorientierte allgemeine technische Bildung - Thesen zum Gebrauchswert als einer didaktischen Kategorie


"Eine Menschheit, die die Welt als Wegwerf-Welt behandelt, behandelt sich selbst als Wegwerf-Menschheit." Günter ANDERS (1987a, S. 42)

 

Die Konzeption einer neuorientierten allgemeinen Technischen Bildung als eine Reaktion auf den umfassenden technologischen Wandel

 

Das Tagungsthema "Arbeit und Beruf im Spannungsfeld technischer Entwicklung und Ökologie" verweist auf grundsätzliche Strukturveränderungen und Umbrüche in der Arbeitswelt und Lebenswelt infolge technologischer Umwälzungen. Die immer umfassendere Anwendung von Informations-und Kommunikationstechnologien beschleunigt den technologischen Wandel. Gleichzeitig wächst innerhalb der Gesellschaft das Bewusstsein über Zerstörungen der Umwelt, über die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen und über die Risiken von Großtechnologien und militärischen Komplexen, welche die Möglichkeit der physischen Selbstauslöschung der Menschheit in sich bergen (vgl. ANDERS 1987b, S. 11). Das Wissen über die Probleme wird erweitert, zugleich nimmt die Handlungsfähigkeit, Lösungen durchzusetzen oder auch nur die Ursachen zu verringern, ab (HANSMANN/MAROTZKI 1988, S. 9). Auf diesem Hintergrund sind die Diskussionen über die Möglichkeiten einer Rekonstruktion der Bildungstheorie zu begreifen. Als richtungsweisend werden die Ansätze derjenigen Bildungstheoretiker erachtet, die an dem emanzipatorischen Gehalt und an Traditionen der klassischen Bildungstheorie mit der Überzeugung anknüpfen, durch die Entfaltung der individuellen Vernunftfähigkeit sei eine fortschreitende Humanisierung und vernünftige Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu erreichen. Der Ausgangspunkt für den erziehungswissenschaftlichen Leitbegriff einer neuorientierten allgemeinen Bildung ist mit den beiden Forderungen bestimmt, allen Menschen in einer Gesellschaft umfassende Entwicklungschancen zu ermöglichen und das Insgesamt ihrer menschlichen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu entfalten (vgl. KLAFKI 1985, S. 17f.). Die Schlüsselprobleme unserer individuellen und gesellschaftlichen Existenz, die alle Mitglieder der Gesellschaft betreffen und deren Lösung die zukünftigen gesellschaftlichen Strukturen beeinflussen, müssen im Mittelpunkt der Überlegungen stehen. Erwünscht ist die Einsicht, Verantwortung und Motivation der Individuen zur Gestaltung an den verschiedenen gesellschaftlichen Gestaltungsorten (3). Fünf Markierungen akzentuieren eine neuorientierte allgemeine Technische Bildung als ein zentraler Bereich der neuorientierten allgemeinen Bildung, in der auch die Inhalte und Methoden des auf dieser Tagung intensiv diskutierten Fachs Arbeitslehre zu verorten sind (4):

 

1. Die Beurteilung technologischer Entwicklungen an humanen, sozialen und ökologischen Prämissen mit dem Ziel einer menschengerechten und ökologisch verträglichen Technikgestaltung.

 

2. Das Bildungsziel der Erweiterung einer reflektierten Selbstbestimmungs- und Gestaltungsfähigkeit des Individuums.

 

3. Ein geschichtlich vermitteltes Bewusstsein über das Prozesshafte technologischer Entwicklungen und deren grundsätzliche Gestaltbarkeit.

 

4. Die Kategorie Arbeit zur Analyse der Entwicklung, Herstellung und Verwendung von Technologien, den Prozessen der Automatisierung, der Veränderung der Organisation industrieller Arbeit, der Arbeit im Konsumptionsbereich und der Eigenarbeit.

 

5. Die Einführung einer umfassenden ästhetischen Perspektive mit dem Kern der Analyse der Produktgestaltung technischer Gegenständlichkeiten.

 

Diese Markierungen begrenzen ein Forschungsfeld mit zahlreichen Forschungsdefiziten. Besonders zu untersuchen ist der pädagogische Leit- und Zielbegriff Selbstbestimmungsfähigkeit (vgl. u.a. KLAFKI 1985, S. 17) (5), die geforderte gebrauchswertorientierte Konzeption der Technikentwicklung (vgl. RAUNER 19.87, S. 292) und der Einbezug einer ästhetischen Perspektive (vgl. u.a. HANSMANN/MAROTZKI 1988, S. 15).

 

Zur ersten Markierung:
Technologien 'entwickeln sich' nicht, sondern sie werden entwickelt. Die technologischen Entwicklungen sind nicht 'objektiv' beurteilbar und nicht grundsätzlich als menschlicher Fortschritt zu begreifen. Nur eine begründete Perspektive ermöglicht eine Analyse und reflektierte Einschätzung, wobei eine Perspektive immer implizit oder explizit eine Auffassung von der individuellen menschlichen Existenz (Menschenbild) und eine Vorstellung über die Aufgaben und Organisationsformen einer Gesellschaft (Gesellschaftsbild) enthält. Eine humane, soziale und ökologische Perspektive ist notwendig für die Beurteilung technologischer Entwicklungen und bedeutet die Verfügung über die eigenen Lebensverhältnisse und eine Mitverantwortung und Mitgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse (vgl. RAUNER 1985, S. 129).

 

Zur zweiten Markierung:
Ziel der neuorientierten allgemeinen Technischen Bildung ist die Entwicklung einer möglichst weitgehenden reflektierten Selbstbestimmungs- und Gestaltungsfähigkeit, eines reflektierten Gebrauchswertstandpunkts. RAUNER (1987, S. 292) fordert, "eine gebrauchswertorientierte Konzeption von Technikentwicklung zu realisieren, Technik also (wieder) primär ihres Gebrauchs wegen bewusst und kontrolliert auf gesellschaftliche Zwecke hin zu entwickeln". Diese Forderung gewinnt nur Gehalt, wenn die Kategorie Gebrauchswert aus ihrem theoriegeschichtlichen Kontext heraus expliziert und mit ihren Bestimmungen - das Gegenständliche (zweite These), das Gesellschaftliche (dritte These) und das Individuelle (vierte These) des Gebrauchswerts - akzentuiert wird. Denn dann ermöglicht sie als zentrale Prozesskategorie integrierend und strukturierend die Markierungen der neuorientierten allgemeinen Technischen Bildung zu bündeln und ihre Forschungsdefizite zu verringern.

 

Für eine möglichst selbsttätige, inhaltliche und methodische Aneignung und Erweiterung der Selbstbestimmungsfähigkeit des Individuums liefert der Gebrauchswert mit seinen Bestimmungen notwendige und wichtige Orientierungsmerkmale, denn kennzeichnend und substanziell für eine reflektierte Selbstbestimmungsfähigkeit des Individuums ist ein reflektierter Gebrauchswertstandpunkt (6). Die Selbstbestimmungsfähigkeit des Individuums, sowohl als soziales als auch dingliches Verhalten, dient als pädagogischer Leit- und Zielbegriff (7). Erwünscht ist eine Erweiterung der Fähigkeiten des Individuums. Den Hintergrund gibt die Vorstellung, dass durch die erweiterten Fähigkeiten die Möglichkeiten des 'Selbstbestimmens' unter der Voraussetzung eines objektiv gegebenen und möglichst zu erweiternden gesellschaftlichen Freiraums zunehmen. Das Ziel ist es, eine Vielzahl von individuellen Fähigkeiten zu einer Haltung - mit dem reflektierten Gebrauchswertstandpunkt als Kern - zu kristallisieren. Diese Haltung ermöglicht eine begründbare Beurteilung des individuellen Daseins und der gesellschaftlichen Entwicklung und ein bewusstes Gestalten an den verschiedenen Gestaltungsorten. Unter der Perspektive des gegenständlichen Verhaltens gilt als Ansatz- und Ausgangspunkt für die Erweiterung der Summe von Fähigkeiten 'sich-selbst-zu-bestimmen', die durch Tätigkeit gestiftete Beziehung zum Gegenstand. Den Ansatzpunkt für eine Selbstbestimmungsfähigkeit in der tätigen Auseinandersetzung mit den Gegenständen zu begreifen, sie somit über die Bestimmungen des Gebrauchswerts zu analysieren und zu erschließen, will einen Beitrag für eine Ausformung einer neuorientierten allgemeinen Technischen Bildung liefern.

 

Zur dritten Markierung:
Jeder Mensch wird in eine vorfindbare gestaltete Realität hineingeboren. Selbstbestimmt gestalten zu können setzt die Einsicht voraus, dass die vorgefundene Realität gestaltet worden ist, dass sie etwas prozesshaft Gewordenes repräsentiert. Das zu entdecken, ist ein Akt der Individualisierung. Den Prozesscharakter der technologischen Entwicklungen, die Interdependenz der dem Prozess zu Grunde liegenden unterschiedlichen Interessen gilt es im spezifisch historischen Kontext zu erschließen. Nur so wird der bisherige technologische Entwicklungsstand als eine Etappe begriffen, werden die Möglichkeiten - aber auch Begrenzungen - besser beurteilbar und die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die eigene Lebenssituation verstanden. So kann ein geschichtlich geprägtes Bewusstsein von den Vorteilen und Problemen einzelner technologischer Errungenschaften entstehen. Dieser Begründungszusammenhang ist von der Absicht geprägt, die Lernenden nicht bloß an die technologischen Entwicklungen anpassen zu wollen, sondern sie zu befähigen, diese reflektiert mitzugestalten.

 

Zur vierten Markierung:
Arbeit als zweckmäßige Tätigkeit ist die Herstellung von Gebrauchswerten. Die menschliche Arbeit als Aneignung der Natur durch das Individuum ist gesellschaftliche Tätigkeit, denn Arbeit wird innerhalb einer Gesellschaftsform geleistet. Im Arbeits- und Produktionsprozess treten die einzelnen Individuen in bestimmte gesellschaftliche Beziehungen zueinander. In diesem Rahmen gesellschaftlich organisierter Arbeit erfolgt die technologische Entwicklung, die Herstellung und Verwendung von Technik (vgl. OBERLIESEN 1991). Der Begriff der Arbeit ermöglicht so die notwendige Analyse technologischer Entwicklungen und des ständig veränderten Arbeitsprofils, hervorgerufen durch Automatisierungsprozesse.

 

Zur fünften Markierung:
HANSMANN und MAROTZKI (vgl. 1988, S. 15) fordern die Einführung einer umfassenden ästhetischen Perspektive in den bildungstheoretischen Diskurs. KLAFKI (1985, 25) betont die Bedeutungskomponente der vielseitigen bzw. allseitigen Bildung, er fordert "die Öffnung für die ganze Breite des Ästhetischen". Eine reflektierte Gestaltung der Lebenswelt, die Beurteilung technologischer Entwicklungen an humanen, sozialen und ökologischen Prämissen wäre ohne Analyse der formalen Gestaltung (dem Design) industrieller Produkte in Verbindung mit ihrem spezifischen individuellen und gesellschaftlichen Gebrauch nur amputiert durchführbar (8). Eine Gestaltung unter ökologischer Perspektive bedingt u.a. die Analyse warenästhetischer Inszenierungen industrieller Massenware, Produktdifferenzierungen, Modewechseln und gewolltem Verschleiß, die Gedanken an Verschwendungsprozesse und Rohstoffvergeudung mit ihren Auswirkungen aufkommen lassen (vgl. FRIEMERT 1983, S; 15). In einer bewussteren Beziehung zu den Gegenständen besteht ein Ansatzpunkt für ein reflektiertes Gebrauchsverhalten als Bestandteil der neuorientierten allgemeinen Technischen Bildung.

 

Thesen zum Gebrauchswert als zentraler Kategorie einer neuorientierten allgemeinen Technischen Bildung

 

ERSTE THESE:
Die Kategorie Gebrauchswert hat verschiedene Bedeutungen, die aus ihren theoriegeschichtlichen Kontexten heraus entwickelt werden müssen. Der Begriff Gebrauchswert besitzt in der Alltagssprache, der philosophischen, der gesellschaftspolitischen und designtheoretischen Literatur ein breites Bedeutungsspektrum mit widerspruchsvollen Interpretationen. Dieser Begriff soll aus seinem theoriegeschichtlichen Kontext heraus entwickelt und nicht definitorisch festgelegt werden. Aristoteles akzentuiert die Qualität eines Gebrauchswerts: Die Erwerbskunst beschränkt sich auf die Verschaffung der zum Leben notwendigen und für das Haus und den Staat nützlichen Güter (vgl. ARISTOTELES 1987, S. 17-21). Der Gebrauch eines Guts wird in seine normale Zweckbestimmung und in "seine Verwendung als Tauschobjekt" unterschieden (ARISTOTELES 1981, S. 18). MARX beginnt seine Analyse der kapitalistischen Produktionsweise mit dem vorgegebenen klassischen Problem der Wirtschaftswissenschaften, mit der Werttheorie. Er entwickelt die Werttheorie aus der Kritik an SMITH und RICARDO, die u.a. versuchen, die ökonomische Realität mit den Kategorien Gebrauchswert und Tauschwert zu erfassen. Grundsätzlich funktioniert der Gebrauchswert im 'Kapital' für zwei Bestimmungen: Zum einen dient er für die Bestimmung der Ware (durch Gebrauchswert und Tauschwert), zum anderen kann der Gebrauchswert Erscheinungsform von Wert sein (9).

 

Der Gebrauchswert wird Ende der sechziger Jahre als Weltverhältnis betont und als 'revolutionäre' Kategorie bestimmt (vgl. u.a. POHRT 1976 und KURNITZKY 1970). HAUG (vgl. 1972, 1975, 1980) entwickelt in seiner 'Kritik der Warenästhetik' die Kategorie Gebrauchswert mit einem begrifflichen Instrumentarium weiter. Dazu übernimmt er den von MARX formulierten ökonomischen Begründungszusammenhang. Seine Theorie erweitert HAUG mit psychoanalytischen Erkenntnissen, um "die Modellierung der Sinnlichkeit" (HAUG 1972, S. 11) des Einzelnen zu untersuchen. Von zentraler Bedeutung für HAUG und die Rezeption seiner Theorie (vgl. u.a. REXROTH 1974) wird die Diskussion über menschliche Bedürfnisse in Bezug auf den Gebrauchswert der Gegenständlichkeit. Es wird u.a. versucht, 'wahre' von 'falschen' Bedürfnissen zu unterscheiden, Grundbedürfnisse festzulegen (vgl. u.a. HAUG 1972, ISRAEL 1972, KOTIK 1974). GRONEMEYER (1988, S. 232) diskutiert den Nutzen der Gebrauchsgegenstände, fasst Forschungsergebnisse zum Begriff Bedürfnis überzeugend zusammen und plädiert für ein "Leben-mit-Fähigkeiten: Die Alternative der Nichtbedürftigkeit". In Verbindung mit dem Gebrauchswert fordert RAUNER (vgl. 1987, S. 292) eine gebrauchswertorientierte Technikentwicklung, u.a. als Grundlage für eine humane und soziale Gestaltung der Gesellschaft. HEUBACH (vgl. 1987, S. 42) kritisiert bei der Diskussion über den Gebrauchswert, dass das gegenständlich Menschliche auf die materielle Bedürftigkeit der Menschen reduziert wird. Er versucht, die Struktur des Zusammenhangs zwischen den Dingen und dem Psychischen, das was das Ding über seinen Gebrauchswert hinaus bedeutet, die Dinge in ihrer "psychologischen Gegenständlichkeit" (HEUBACH 1987, S. 17) zu erfassen. Auf eine für das Design als wichtig erachtete Theorie des Gebrauchs kann nicht zurückgegriffen werden. FRIEMERT (1979) weist auf dieses für die Explikation des Gebrauchswerts wichtige Defizit hin. Im Bereich des Designs wird der Gebrauchswert der Produkte oft definitorisch festgelegt (vgl. SEEGER 1983, S. 62-65, SCHÖNWANDT 1990, S. 9-19). SELLE (1985, S. 49-53) versucht den Gebrauchswert zur "Aneignung und Beziehungsarbeit" (SELLE 1985, S. 49) in Verbindung zu setzen.

 

Diese knapp umrissenen Hauptpositionen zum Begriff Gebrauchswert bilden die theoretischen Grundlagen für die Entwicklung der Begriffe des Gegenständlichen, des Gesellschaftlichen und des Individuellen des Gebrauchswerts, des reflektierten Gebrauchswertstandpunkts und des Gebrauchswertstandards.

 

ZWEITE THESE:
Das Gegenständliche des Gebrauchswerts wird durch konkrete Arbeit geschaffen und durch Gebrauchseigenschaften - technische und gestalterische - bestimmt. Eine Verbindung zwischen der neuorientierten allgemeinen Technischen Bildung und dem Gebrauchswert als zentrale Kategorie dieser Bildung wird durch den Arbeitsbegriff gewährleistet. Nützliche oder konkrete Arbeit schafft den Gebrauchswert - sie ist in verschiedenen Arbeitsweisen zu unterscheiden (vgl. MARX 1962, S. 61) (10). In dem Gegenständlichen des Gebrauchswerts eines Produkts sind durch nützliche Arbeit ein Bündel von Gebrauchseigenschaften und Gebrauchsweisen vergegenständlicht. Ein Teil dieser Gebrauchseigenschaften und Gebrauchsweisen sind analysier- und dadurch vergleichbar. Nur die Möglichkeiten des Gebrauchs sind in dem Gegenständlichen des Gebrauchswerts präsent. Sie werden individuell (vgl. vierte These), situativ, historisch und durch unterschiedliche kulturelle Parameter bedingt, genutzt. Die Gebrauchseigenschaften und Gebrauchsweisen definieren die Formen des Gebrauchs. Ein Teil von ihnen ist normativ bestimmt, im konkreten Gebrauch herausgebildet. Konventionen und einzuhaltende Reihenfolgen des Gebrauchs entstehen. Sie können von den Formen und Eigenschaften des Gegenstandes definiert, als vergegenständlichte Normen vorgeschrieben und zum Teil gesetzlichen Regelungen unterworfen sein. Diese Normen sind in der geschichtlichen Entwicklung der Gegenständlichkeiten entstandene fixierte Bedürfnisse. Technische und gestalterische Eigenschaften unterscheiden die Gebrauchseigenschaften des Produkts. Die Analyse dieser Eigenschaften mit ihren Auswirkungen bestimmt den Kern der ästhetischen Perspektive als eine Markierung der neuorientierten allgemeinen Technischen Bildung. Zu unterscheiden ist bei dem Gegenständlichen des Gebrauchswerts zwischen dem Erwerb und dem anschließenden Gebrauch des Produkts. Entscheidend für den Erwerb ist das Gebrauchswertversprechen - das, was sich das Individuum von dem Produkt für die Erfüllung seiner Bedürfnisse verspricht. So führt HAUG das Gebrauchswertversprechen als Grundbegriff seiner 'Warenästhetik' (HAUG 1971) ein, reduziert diesen Begriff aber auf das Ästhetische der Waren (vgl. HAUG 1980, S. 171) Dazu gehört auch die Analyse der Funktion des einen hohen Gebrauchswert versprechenden Warenzeichens und Markenartikels. Dagegen sollen bei dem Gegenständlichen des Gebrauchswerts sämtliche Gebrauchseigenschaften und Gebrauchsweisen auf ihr Gebrauchswertversprechen hin untersucht werden.

 

DRITTE THESE:
Die Bestimmung des Gesellschaftlichen des Gebrauchswerts ermöglicht, die Produktion und den gesellschaftlichen Gebrauch der Gegenständlichkeiten zu analysieren und zu bewerten. In dem Gegenständlichen ist das Gesellschaftliche des Gebrauchswerts mit aufgehoben. Gebrauchsgegenstände bilden Momente einer gesamtgesellschaftlichen Synthesis und können nur aus dieser heraus begriffen werden (vgl. PAZZINI 1983, S. 116). "Um Waren zu produzieren, muss er (der Mensch, H. J.-W.) nicht nur Gebrauchswert produzieren, sondern Gebrauchswert für andere, gesellschaftlichen Gebrauchswert" (MARX 1962, S. 55) (11). Diese abstrakte Fassung des gesellschaftlichen Gebrauchswerts soll konkretisiert werden. Den Ausgangspunkt dafür ergibt die Forderung, technologische Entwicklungen an humanen, sozialen und ökologischen Prämissen zu bewerten, Technologien menschengerecht und ökologisch verträglich zu gestalten. Das bedeutet für das Gesellschaftliche des Gebrauchswerts den gesellschaftlichen Gebrauch der Gegenständlichkeiten von der Entwicklung über die Produktion, den Vertrieb, der Konsumption bis hin zur Beseitigung zu analysieren und zu beurteilen (Die Fragen lauten u.a.: wie wird was wofür und mit welchen gesellschaftlichen Folgen produziert, vertrieben und konsumiert). Die Reflexion des Gesellschaftlichen des Gebrauchswerts thematisiert bei dieser Analyse auch die Beziehung zwischen Individuum und Umwelt, z.B. der Verbrauch nicht regenerierbarer Energiequellen, der gesamte Umgang mit den natürlichen Ressourcen, den Umweltmerkmalen wie Lärm oder Luftverschmutzung bis hin zu den Beziehungen der Individuen zur gebauten Umwelt. Die Analyse von Normen, die die gesellschaftliche Verwendung von Gegenständen festlegen sowie die Untersuchung der Regeln des Gebrauchs mit ihren Auswirkungen auf die Beziehungen der Individuen untereinander ergeben einen weiteren Bereich des Gesellschaftlichen des Gebrauchswerts. Problematisch erscheint die Analyse und Beurteilung des Gesellschaftlichen des Gebrauchswerts anhand von Begriffen wie Lebensqualität (GRONEMEYER 1988, S. 25) oder Produktqualität (vgl. u.a. die Untersuchungen der Stiftung Warentest), denn kennzeichnend für den Qualitätsbegriff ist sein definitorisch instrumenteller Gebrauch. Je nach Position wird er in dem Bereich des Individuellen angesiedelt - der Grad der Eignung eines Produkts für einen individuellen Verwendungszweck - oder es werden nur einzelne Faktoren der Produktion zusätzlich mit einbezogen. Im Gegensatz zu diesem Qualitätsbegriff ermöglicht das Konzept der Produktlinienanalyse (vgl. u.a. BAUMGARTNER 1987), ökonomische, ökologische und soziale Auswirkungen zu erfassen (vgl. RUBIK/HARMSEN 1989, S. 119) und so mit dem Kern des Gesellschaftlichen des Gebrauchswerts einzelner Produkte zu bestimmen (12). Leitidee einer Produktlinienanalyse ist eine Vertikalbetrachtung, eine Horizontalbetrachtung und ein Variantenvergleich eines spezifischen Produkts. Das Ergebnis eines Variantenvergleichs kann auch darin bestehen, dass ein Produkt nicht produziert oder dass ein Produkt nicht gebraucht werden sollte (vgl. RUBIK u. HARMSEN 1989, S. 120).

 

VIERTE THESE:
Das Individuelle des Gebrauchswerts eines Gegenstandes wird durch menschliche Bedürfnisse bestimmt, in einem relationalen Feld zwischen dem Gegenständlichen und Gesellschaftlichen des Gebrauchswerts verwirklicht und ist von seinem Nutzwert zu unterscheiden. Das menschliche Bedürfnis ist Ausgangs- und Bezugspunkt für die Bestimmung des Individuellen des Gebrauchswerts, wobei der im wissenschaftlichen Gebrauch vieldeutige Begriff des Bedürfnisses diskutiert werden muss. MARX belässt die Gebrauchswerte in einer Heterogenität möglicher Zwecke, ihre Einheit liegt im menschlichen Trieb zur Befriedigung von Bedürfnissen (vgl. MARX 1962, S. 49-50). Diese abstrakt gehaltene Bestimmung des menschlichen Bedürfnisses versuchen u.a. HAUG und ISRAEL mit Theorieankopplungen weiter zu entwickeln. ISRAEL (1972) trennt direkte von indirekten menschlichen Bedürfnissen, um danach einen direkten - an Grundbedürfnisse gekoppelten - und indirekten Gebrauchswert zu formulieren. HAUG (1972, S. 126) geht "von einer ständigen Bedürfnisstimulation und Bedürfnissteuerung" der Individuen aus. Er unterscheidet 'wahre' von 'falschen' Bedürfnissen, wobei die falschen Bedürfnisse als fremde, von außen aufgeprägte aufgefasst werden. Für die Bestimmung des Individuellen des Gebrauchswerts sollen die menschlichen Bedürfnisse weder in Grundbedürfnisse unterschieden noch in wahre oder falsche Bedürfnisse aufgetrennt werden, denn die dazu erforderliche verallgemeinernde Feststellung und Eingrenzung dessen, was der Mensch zum Leben brauche, ist von Gesichtspunkten der Knappheit, der Verteilung und immer von überfremdeten Standpunkten bestimmt (vgl. GRONEMEYER 1988, S. 47 u. S. 112). Dagegen ist das Individuelle des Gebrauchswerts ein relationaler Begriff. Das Gegenständliche, das Gesellschaftliche und das Individuelle des Gebrauchswerts begrenzen das Feld (bilden eine Trinität dreier Pole) mit gegenseitigen Bedingungen und Wirkungen. In der spezifischen Situation realisiert das Individuum bewusst oder unbewusst zwischen dem Gegenständlichen und Gesellschaftlichen des Gebrauchswerts und seinen Bedürfnissen das Individuelle des Gebrauchswerts des Gegenstandes. Dieses Individuelle des Gebrauchswerts kann als ein Pol des Feldes näher dem Gegenständlichen oder dem Gesellschaftlichen angesiedelt sein. Der Begriff des Individuellen des Gebrauchswerts ermöglicht dem Individuum, den Gebrauch eines Gegenstandes zu analysieren, sich seine Bedürfnisse zu verdeutlichen. Er erscheint konkret genug, um situativ anwendbar zu sein, um die Reflexion über die tätige Auseinandersetzung und den dabei gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen zu gewährleisten. Der Begriff des Individuellen des Gebrauchswerts konkretisiert und erweitert bei seiner Anwendung die in diesen Thesen geforderte reflektierte Selbstbestimmungsfähigkeit des Individuums. Die Markierungen der neuorientierten allgemeinen Technischen Bildung sind auf die Prämissen einer humanen, sozialen und ökologischen Gestaltung der Gesellschaft bezogen. Diese Prämissen sind im reflektierten Gebrauchswertstandpunkt mit aufgehoben (vgl. These fünf). Bei der Analyse der Beziehungen zwischen Individuum und Gegenstand ist zwischen Kauf und Gebrauch zu unterscheiden. Der an den Kauf anschließende Gebrauch bedingt Voraussetzungen sowohl beim betreffenden Gegenstand als auch beim Benutzer. Welche Gebrauchseigenschaften und Gebrauchsweisen des Gegenstandes vom Individuum genutzt werden, hängt von den konkreten individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten ab. "Das an sich Nützliche trifft auf keine Menschen, die damit umgehen. Sie haben die dazu passenden Einfälle nicht. Insofern setzt jeder Gebrauch einen spezifischen Zusammenhang an Zeit, Vorgeschichte, Bedeutung und Beziehungsgehalt voraus" (NEGT/KLUGE 1981, S. 1045 f.). Je ausgeprägter die individuellen Fähigkeiten sind, desto mehr der in dem Gegenstand gebündelten Gebrauchseigenschaften können erkannt und genutzt werden. Der subjektiv empfundene individuelle Gebrauchswert wird so vertieft und intensiviert. Das Individuelle des Gebrauchswerts ist somit nicht statisch festzulegen, es weist immer situationsspezifische und kulturell bedingte Besonderheiten auf. Es bedeutet auch nicht, "dass das in den Dingen gegenständlich menschliche normativ auf die im striktesten Sinne des Wortes materielle Bedürftigkeit des Menschen reduziert wird und dieser damit auf ein Gebrauchswert produzierendes und konsumierendes Wesen" (HEUBACH 1987, S. 42). Die Beziehungen zwischen den Individuen und Gegenständen ist eine gegenseitige und nicht einseitig vom bedürftigen Individuum festgelegt. "Phänomene wie die identitäts- bzw. statusbildenden Funktionen oder die personale Qualität" (HEUBACH 1987, S. 42) von Gegenständen werden begrifflich mit dem Individuellen des Gebrauchswerts eingebunden. Das Individuelle des Gebrauchswerts eines Gegenstandes ist von seinem Nutzwert zu unterscheiden. Alltagssprachlich wird der Bedeutungsgehalt von 'nutzen' und 'gebrauchen' und daraus, abgeleitet von 'Nutzwert' und 'Gebrauchswert' synonym verwendet (13). Die Vertreter (u. a. WALRAS und MARSHALL) der neoklassischen ökonomischen Wertlehre ersetzen den Begriff Gebrauchswert durch den des Nutzens. Sie betrachten den Nutzen einer Gegenständlichkeit unter der Perspektive, inwieweit diese Gegenständlichkeit menschliche Bedürfnisse zu befriedigen vermag. Diese Auffassung besitzt einen wichtigen Einfluss auf Theoriebildungen in den Wirtschaftswissenschaften und in der Aufgabenformulierung für ein Industriedesign. So definiert u.a. SEEGER (1983, S. 3): "Unter dem Gebrauchswert wird das Verhältnis des Nutzwertes zu den Kosten verstanden. Im einfachsten Fall, d.h. bei gleicher Gewichtung, der Quotient aus Nutzwert zu den Kosten" (SEEGER 1983, S. 63). SEEGER ersetzt nicht den Gebrauchswert durch den Nutzwert, sondern führt als weitere Größe die Kosten für ein Produkt mit ein. "Das allgemeine Optimierungsziel eines Produktes ( ...) ist dessen optimaler Gebrauchswert aus maximalem Nutzwert bei minimalen Kosten" (SEEGER 1983, S. 63). Im Gegensatz zu den Ausführungen SEEGERs sollte der Gehalt des Individuellen des Gebrauchswerts in der Berücksichtigung des gesellschaftlichen Gebrauchs, in seiner kritischen Position gegenüber ökonomischen Wachstumsprozessen einer Risikogesellschaft bestehen, die sich nach quantitativen Fortschrittsmaßen beurteilt. Das Individuum sollte sich - gerade nach dem Ziel der neuorientierten allgemeinen Technischen Bildung eine möglichst weitgehende selbstbestimmte und reflektierte Haltung zu den Gegenständlichkeiten - einen reflektierten Gebrauchswertstandpunkt erarbeiten und in seine Handlungen bewusst einbeziehen. Unter dem Nutzen wird die Vermittlungsform zwischen Individuum und Gegenstand verstanden. Beim Gebrauch eines Gegenstandes ist der Nutzen als Vermittlungsform zwischen Individuum und Gegenstand aktiv und passiv. Der aktive Nutzen besteht in der Tätigkeit mit dem Gegenstand, bei der Aneignung seiner Gebrauchseigenschaften und Gebrauchsweisen. Der passive Nutzen ist das Verhältnis des Gegenstandes zu seiner Umgebung, seine Existenz als Teil der Gestaltung der sozialen Lebenswelt, der das Verhältnis der Menschen zueinander verdeutlichen kann. Die Bestimmung des Individuellen des Gebrauchswerts schließt diese beiden Momente des Nutzens mit ein.

 

FÜNFTE THESE:
Der Gebrauchswertstandard muss eine wichtige didaktische Kategorie der neuorientierten allgemeinen Technischen Bildung sein, der reflektierte Gebrauchswertstandpunkt ihr Ziel. Bei den Markierungen einer neuorientierten allgemeinen Technischen Bildung und den Thesen zum Gebrauchswert als zentrale Kategorie dieser Bildung ist der Begriff reflektierter Gebrauchswertstandpunkt und die durch ihn zu kennzeichnende Haltung des Individuums in verschiedenen Erklärungszusammenhängen benannt. Dieser Begriff erweitert und konkretisiert die Auffassung dessen, was MARX (1962) und HAUG (1972, S. 15) unter dem Gebrauchswertstandpunkt verstehen. Unter der Perspektive der erwünschten reflektierten Selbstbestimmungsfähigkeit sollte sich das Individuum bei der Analyse des Individuellen des Gebrauchswerts der Dinge bewusst von Normen und Werten leiten lassen, die den Kern einer zweckrational geprägten Instanz des Individuums bilden sollten. Diese Instanz ist durch die tätige Erfahrung mit den Gegenständlichkeiten geprägt, im Diskurs herausgebildet und nicht statisch zu begreifen, sondern dynamisch aufzufassen. In dem reflektierten Gebrauchswerstandpunkt ist das Gegenständliche, das Individuelle und das Gesellschaftliche des Gebrauchswerts vereint. Kern eines Gebrauchswertstandards technischer Produkte bilden Innovationen. Der Gebrauchswertstandard ist nur dann real, wenn er nicht als technische Dimension begriffen, sondern aus dem sozialen Bedarf heraus entstehend aufgefasst wird. Seine Anwendung ermöglicht die historische Entwicklung technischer Gegenständlichkeiten auf Entwicklungssprünge hin zu untersuchen und zu strukturieren (14). Mit dem Begriff Gebrauchswertstandard sind konkret jeweils diejenigen Produkte zu erfassen, die signifikant einen historischen Entwicklungsstand repräsentieren. Grundsätzliche Kriterien für die Ermittlung eines oder mehrerer Gebrauchswertstandards eines technischen Produkts sind große Unterschiede zwischen einem 'Davor' und 'Danach' bei der technologischen Entwicklung, bei der 'formalen' Gestaltung, bei der Produktion und Konsumption und innerhalb der ökonomischen Gesamtentwicklung. Spezielle Kriterien für die Ermittlung eines Gebrauchswertstandards werden aus der Logik der Entwicklung einzelner Technologien gewonnen (15). Die einen Gebrauchswertstandard repräsentierenden technischen Produkte besitzen eine für die Lehr- und Lerntätigkeit wichtige didaktische Potenz. Die vernetzten Zusammenhänge zwischen den Voraussetzungen technologischer Entwicklungen, den Konkurrenzkämpfen der Unternehmen und einzelner Personen mit ihren Ideen und Handlungen, den Veränderungen in der Produktion und Konsumption und den kulturellen Wertvorstellungen können genauer analysiert und offensichtlicher erkannt werden, auch werden die Möglichkeiten alternativer technologischer Entwicklungen in der spezifisch historischen Situation ersichtlich. Die Lernenden können sich im Lernprozess ein geschichtliches Bewusstsein über die Gewordenheit der Technologien erarbeiten. Das ist ein Lernprozess, der nicht abschließbar ist und der zugleich wichtige Grundlagen für eine reflektierte Selbstbestimmungs- und Gestaltungsfähigkeit schafft.

 

Perspektiven für eine curriculare Anbindung der zentralen Kategorie Gebrauchswert

 

Mit einer stringenten Umsetzung der Kategorie Gebrauchswert für die curriculare Praxis einer neuorientierten allgemeinen Technischen Bildung ergeben sich folgende Fragekreise:

 

Erstens:

Welche Bestimmungsmomente gelten für die Auswahl von Lerninhalten, die den Heranwachsenden die Ausbildung eines reflektierten Gebrauchswertstandpunkts ermöglichen?

 

Zweitens:

Welche curricularen Bedingungen gelten für die Entwicklung und Erweiterung
- des reflektierten Gebrauchswertstandpunkts und einer reflektierten Selbstbestimmungsfähigkeit?
- von Fähigkeiten zur Gestaltung von Arbeit und Technik in Produktion und Reproduktion?
- von Fähigkeiten zur Analyse gegenwärtiger technologischer Entwicklungen anhand der Bestimmungen der zentralen Kategorie Gebrauchswert?
- von Fähigkeiten zur gebrauchswertorientierten Handhabung von Technik?

 

Drittens:

Inwieweit ermöglicht der Begriff Gebrauchswertstandard diejenigen Produkte zu erfassen, die signifikant einen historischen Entwicklungsstand repräsentieren und sie so historisch-genetischen Lernprozessen erschließen?

 

Viertens:

Welche curricularen Bedingungen gelten für die Einführung einer umfassenden ästhetischen Perspektive mit dem Kern der Analyse der Produktgestaltung technischer Gegenständlichkeiten?

 

Anmerkungen

(1) Die Akzentuierung eigener Positionen und Begriffe bilden den Schwerpunkt dieses Aufsatzes. Sie verallgemeinern, fassen zusammen und zeichnen so die Grundlinien der Argumentation. Eine systematische Ableitung und Darstellung des komplexen Diskussionszusammenhangs zum Begriff des Gebrauchswerts kann im Rahmen dieser Thesen nicht erfolgen.

 

(2) Vgl. u.a. HEYDORN 1979, KLAFKI 1985, HANSMANN u.a.

 

(3) (4) (5) (6.) (7) (8) KLAFKI 1988 u. 1989 und die Beiträge in der Zeitschrift für Pädagogik im 14. und im 21. Beiheft. Eine Gestaltung (individuell als Gestaltung, mit anderen zusammen als Mitgestaltung gekennzeichnet) findet an verschiedenen gesellschaftlichen Gestaltungsorten statt: u.a. am Arbeitsplatz, an den jeweiligen Bildungsorten, dem privaten Lebens- und Konsumbereich, den Parteien, Vereinen, Verbänden, Selbsthilfegruppen und Bürgerbewegungen. Der Begriff Markierung ist in Anlehnung an HANSMANN u. MAROTZKI (1988, S. 12) explizit gewählt, weil "das Aktive, das Position beziehende betont werden soll". Eine Abgrenzung, Übereinstimmung oder Unterscheidung zu den Leitbegriffen Mündigkeit, Emanzipation, Identität, Autonomie u.a. wäre für die Reformulierung der Bildungstheorie notwendig (vgl. HANSMANN 1988, S. 24). Das Attribut 'reflektiert' soll auf den Beurteilungsmaßstab - human, sozial und ökologisch - verweisen und bewusst die Vernunftfähigkeit des Individuums betonen. "Im Akt der Selbstbestimmung fassen wir die Vorgaben, mit denen wir z.B. in Lehr- und Lernprozessen bekannt werden, als von Menschen in historisch sich wandelnden, interessenbedingt interpretierten Situationen erarbeitete Vorgaben auf, mit denen wir uns auseinandergesetzt haben, um überprüfend, gegebenenfalls revidierend, unsere Position selbst zu bestimmen" (SCHULZ 1990, S. 35). Bei dieser Perspektive wird Ästhetisches als Kategorie für die Bestimmung des Gebrauchswerts und für die Beurteilung der formalen Gestaltung technischer Produkte nicht kunstästhetisch aufgefasst, sondern an den komplexen Gebrauch in der spezifisch historischen Situation gebunden.

 

(9) Der Stellenwert der Kategorie Gebrauchswert als Gegenstand der politischen Ökonomie wird kontrovers diskutiert (vgl. GOLDSCHMIDT 1990, S. 772). Die Kategorie Gebrauchswert besitzt im 'Kapital' und in der 'Kritik der politischen Ökonomie' verschiedene Bedeutungen, die nicht explizit dargestellt, wohl aber in ihren verschiedenen Bedeutungsgehalten verwendet werden. Zu den Widersprüchen des MARXschen Begriffs des Gebrauchswerts vgl. MARKUS (1980, S.124-125).

 

(10) MARX untersucht nur die dingproduzierende Tätigkeit, nicht das für die menschliche Existenz wichtige Herstellen von z.B. Nahrungsmitteln (vgl. AHRENDT 1985, S. 80-81, S. 325). Der Arbeitsbegriff müsste um das Herstellen (die Eigenarbeit) erweitert werden.

 

(11) MARX bestimmt sowohl die durch menschliche Arbeit vermittelten Naturstoffe als Gebrauchswerte als auch die ohne Zutun des Menschen vorkommende gesamte Natur, wie u.a. Luft und Wasser (vgl. MARX 1962, S. 55).

 

(12) Die Produktlinienanalyse ist bei dem Gesellschaftlichen des Gebrauchswerts angesiedelt. Die Bedürfnisorientierung (vgl. RUBIK/ HARMSEN 1989) als eine Leitlinie der Produktlinienanalyse wäre dem Individuellen des Gebrauchswerts zuzuordnen. Die dazu erforderliche Diskussion kann im Rahmen dieser Thesen nicht erfolgen.

 

(13) Stichwort 'gebrauchen': "(...) verstärkend für brauchen in der Bed. "verwenden" 1. verwenden, benutzen (...) (ugs. bes. nordd.) brauchen, benötigen (...)" (DUDEN 1977, S. 955).
Stichwort 'Nutzwert': "(...): vgl. Gebrauchswert (...)" (DUDEN 1978; S. 1904) Stichwort 'Gebrauchswert': "der: 1. wirtschaftlicher od. geldlicher Wert, den eine Sache hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit od. ihres Gebrauches hat, Nutzwert. 2. praktischer Wert, Brauchbarkeit (...)" (DUDEN 1977, S. 955).

 

(14) Auf die Vorzüge des Begriffs Gebrauchswertstandard zum Erkennen und Analysieren von Sprüngen bei technologischen Entwicklungen gegenüber den von Historikern oft unklar verwendeten Begriff der Umschlagsphasen (zur Diskussion der Umschlagsphasen vgl. BECHER 1985, S. 83 ff.) oder den von SCHÜTTE (1981, S. 41) ausformulierten Begriff der Knotenpunkte kann im Rahmen dieser Thesen nicht eingegangen werden.

 

(15) Zu den Kriterien für die Ermittlung des Gebrauchswertstandards bei der Kommunikationstechnologie Rundfunk vgl. JATZKE-WIGAND 1988, S. 321-352 u. 1990, S. 29.

 

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