Hartmut Jatzke-Wigand
 

Jo Klatt

Die Braun Plattenspieler Teil 1


Historische Betrachtung

 

Wenn man die Produktpalette der Firma Max Braun in den ersten Jahren betrachtet, erkennt man sehr deutlich, daß Max Braun wohl der Unternehmer, doch in erster Linie mehr der Ingenieur war. Dies wird erkennbar an den damaligen Produkten und deren Besonderheiten. Ein gutes Beispiel ist der in Radiogeräten viel eingebaute Röhrensockel. Da jegliche Erschütterung die Röhren gefährdete, konstruierte Max Braun einen Sockel mit Federn.

 

Max Braun verfolgte die beginnende technische Entwicklung der Radio- und Phonogeräte- Produktion mit starkem Interesse. Wie aus der Chronik 1930 zu entnehmen ist, erweiterte er sein Produktionsprogramm mit selbstentwickelten und produzierten Phonogeräte- Bauteilen und auch komplette Phonogeräte mit elektrischem Antrieb.

 

Ein Braun Prospekt aus den 30er Jahren 'Unsere neue Linie', zeigt unter anderem deutlich die Phonoerzeugnisse der damaligen Zeit.

 

Die Phono-Geräteproduktion wurde während des 2. Weltkrieges zwangsläufig unterbrochen und mit den alten Modellen 1947 wieder fortgesetzt. Der Krieg verhinderte auch bei Braun die begonnene phonotechnische Weiterentwicklung

 

Braun Plattenspieler von 1955 bis 1971

 

G 12, 1955

 

Die Phono-Kombination, bestehend aus dem Plattenspieler G 12 und Radio G 11, wurde zum ersten Mal auf der Funkausstellung 1955 in Düsseldorf der Öffentlichkeit vorgestellt. Braun verwendete für das Phonogerät das flache Chassis von Valvo, da im Hause Braun kein geeignetes Gerät zur Verfügung stand. Der Plattenspieler konnte alle damals handelsüblichen Schallplatten abspielen, auch die 78er Schellackplatten. Mit dem guten Kristallsystem und dem dafür ausreichenden Auflagegewicht, war es wohl für die 78er das Richtige, jedoch für die hochwertigen 45er und 33er LP's eine Tortur. Das Holzgehäuse des Plattenspielers, sowie das des Radios, hatte Hans Gugelot entworfen. Das helle Ahornholz, welches in frisch verarbeitetem Zustand fast weiß aussah, war im Vergleich zu den damaligen Radiogeräten vollkommen ungewöhnlich, sowie auch die rechtwinklige, kantige Form. Die übliche Phono-Schatullenform der 50er Jahre war rundlichbarock, mit Nußbaumfurnier und einem hochglänzenden Lack überzogen. Der Plattenspieler hatte die gleichen Grundflächenmaße wie das Radio G 11, konnte auf dem Radio oder auch daneben stehen. Die beiden Geräte bildeten somit optisch eine Einheit.

 

Als 1956 das neue Plattenspieler-Chassis PC 3 fertiggestellt wurde, konnte jetzt auch das von Braun gestaltete und gefertigte Chassis in den G 12 eingebaut werden.

 

PC 3, 1956

 

An der Entwicklung des Chassis hatten Wilhelm Wagenfeld und seine Mitarbeiter entscheidenden Anteil. Er bekam von Braun den Auftrag, für die gerade in der Entwicklung befindliche Radio- und Phonokombination SK 4 einen Plattenspieler zu entwickeln. Des weiteren waren auch Dieter Rams und Gerd A. Müller am Entwurf beteiligt.

 

Der zunächst konstruierte Plattenteller mit der 3-Punktauflage wurde kurze Zeit später in eine 5-Punktauflage umgeändert. Die Platte bekam dadurch beim Abspielen eine stabilere Lage. Der konisch geformte Tonarm war eine modifizierte Form die des Koffergerätes 'combi'.

 

Der Plattenteller wurde über ein Reibrad angetrieben und lief mit vier Geschwindigkeiten. Der Plattenteller hatte eine Besonderheit. In der Mitte befand sich das Zentrierstück für die Aufnahme der Singles. Beim Auflegen der LP's wurde das Teil versenkt. Der Tonarm war serienmäßig mit einem Kristallsystem bestückt, hatte 2 Saphire, einen für die LP's und den anderen für die Schellackplatten. Eingebaut wurde das Chassis in den SK 4 und alle Radio-Phonogeräte, die damals bei Braun gebaut wurden.

 

Der nachfolgende kurze Textausschnitt stammt aus einem Braun Prospekt des Jahres 1959 und läßt uns auf die damalige Zeit mit ihrem einfachen technischen Standard zurückblicken: 'Das Auflagegewicht betrug nur 5 Gramm, dadurch wurden die Platten geschont. Die Stereo-Kristallkapsel ist robust und stoßsicher, die Saphire sind federnd gelagert'.

 

P 1 (Batterie), 1959

 

Der kleinste Plattenspieler von Braun, der 1959 entwickelt und gebaut wurde, und speziell für die 45er Singles mit einem Taschenempfänger und Batterien betrieben werden konnte, war der P 1. Seine Besonderheit lag darin, daß das Kristallsystem die Singles von unten abtastete. Beim manuellen Einschalten öffnete sich gleichzeitig ein kleines Fenster, das System plazierte sich genau an der äußeren Einlaufrille der kleinen Platte und begann zu spielen.

 

Da das recht kleine Metall-Mittelteil als Plattenteller diente, war die Laufgenauigkeit nicht sehr optimal. Allerdings, überall dort, wo der kleine P 1, in der Kombination mit einem Taschenempfänger - TP 1 - in Erscheinung trat und seine Musik hörbar wurde, erregte er Aufsehen.

 

PCS 4, 1961

 

Dieter Rams veränderte die Form des Tonarmes seines Vorgängers PCS 3. Die weiche Form wurde abgelöst durch eine rechtwinklige Gestaltung. Der Plattenteller erhielt einen Gummiring als Schallplattenauflage. Der Antrieb wurde mit kleinen mechanischen Änderungen beibehalten.

 

Das Plattenspielerchassis wurde in die zur damaligen Zeit gefertigten Geräte eingebaut. Es sind z.B. der SK 6/61, die Atelier Anlagen der 60er Jahre.

 

PCS 45, 1962

 

Mit dem Plattenspieler PCS 45 wurde zum erstenmal bei Braun ein Tonarm aus einem gekrümmten Metallrohr hergestellt. Der Tonkopf war abnehmbar und konnte ganz unterschiedliche Systeme aufnehmen. Der PCS 45 wurde entweder mit einem Kristall- oder Magnetsystem z.B. Shure M 77 angeboten. Der Tonarm erhielt bei der Verwendung des Magnetsystems einen Gewichtsausgleich mit Feineinstellung.

 

Der etwas verbesserte Reibradantrieb lieferte dem Druckguß-Plattenteller 4 Geschwindigkeiten beim Abspielen aller Schallplattenvarianten. Das Chassis wurde erstmals in das flache, mit Transistoren betriebene Kompaktgerät audio 1 eingebaut.

 

PS2,1963

 

Das letzte Plattenspielerchassis, das mit Reibrad den Plattenteller antrieb, war das des PS 2 mit dem charakteristisch teilrunden Aluminium- Rohrtonarm. Der Tonkopf war fest mit dem Rohr verbunden und konnte nur mit dem eingebauten Kristallsystem betrieben werden. Der Tonarm hatte ein rundes feinregulierbares Ausgleichsgewicht. Die runde Form des Tonarms sollte die Form des Plattentellers 'aufnehmen'. Der Plattenteller lief mit drei Geschwindigkeiten, jedoch ohne 78er Umdrehung. Der PS 2 wurde in den letzten 'Schneewittchensarg' den SK 55 eingebaut.

 

PCS 5, 1962

 

Mit diesem Plattenspieler-Chassis begann Braun den Einstieg in die High Fidelity. In einem Braun Prospekt verwendete man für die Leistung des PCS 5 gern den Begriff 'Studio Qualität'. Damit war die Rundfunk-Studio Oualität gemeint.

 

Um das Motorgeräusch, das 'Rumpeln', auf dem Plattenteller zu reduzieren, wurde die Motordrehzahl über ein Gummireibrad und weiter über einen elastischen langen Gummiriemen auf einen Teller übertragen, der unter dem eigendichen Plattenteller lief.

 

Der Motor und alle weiteren Baute ile des Gerätes wurden sorgfältig für die Konstruktion ausgewählt, um einen relativ 'rumpelarmen' und gleichlaufstabilen Antrieb zu erreichen. Der hohe 2,5 cm und fast 30 cm große, aus Zinkdruckguß dynamisch ausgewuchtete Plattenteller, wog etwa 3 kg und sollte dadurch Gleichlaufschwankungen ausgleichen, was ihm auch exzellent gelang.

 

Eine Endabschaltung war nicht vorgesehen. Man argumentierte vor Kunden mit folgendem Vergleich: Die Rundfunkstudios arbeiteten auch mit Plattenspielern, die ebenfalls keine Endabschaltung besaßen und wechselten die Platten bei laufendem Motor. Außerdem sollte das hochwertige System und die Nadel durch den Lauf in die Auslaufrille der Platte geschont werden.

 

Der seriemäßige Rohrtonarm besaß eine professionelle optische Wirkung, obwohl er aus recht großen Teilen hergestellt wurde. Die auf einem Kugellager leicht bewegliche Konstruktion, konnte mechanisch für fast alle Tonabnehmergewichte zwischen 0,8 und 8 Pond eingestellt werden. Der abschraubare Tonkopf war montageseitig für fast alle Systeme geeignet und das Aufsetzen des Tonarmes konnte durch eine mechanische Absenkvorrichtung plattenschonend ausgeführt werden. Die U-förmige Plexiglashaube schützte das Gerät vor Staub und Schmutz.

 

Das jetzt schon über 35 Jahre alte PCS 5- Laufwerk kann auch noch heute mit einem guten System eine akzeptable Wiedergabequalität erzielen.

 

PCS51, 1962

 

Der Plattenspieler PCS 51 hatte das Laufwerk des PCS 5, nur mit einem anderen Tonarm, dem Stereo Dynetic Tonarm M 222/226 von Shure. Ein in der Form gerader, auf Edelsteinen gelagerter Arm, der an der Spitze das fest installierte System M 226 trug.

 

PCS 52-E, 1965

 

Das Laufwerk des Plattenspielers stammte ebenfalls vom PCS 5, nur mit dem hochwertigen, legendären Shure-SME 3009 Tonarm ausgestattet, der noch heute gefertigt wird. Der Tonarm war schon damals eine technische Besonderheit, ein Tonarm mit hoher Genauigkeit in der Plattenabtastung. In Design+Design 31 'Eine heimliche High-End-Anlage' ist der PCS 52-E ausgiebig behandelt worden.

 

Zusammen mit diesem Tonarm stellte Braun einen hochwertigen High Fidelity Plattenspieler her, der nur von den Abspielgeräten der Funkhäuser übertroffen werden konnte. Schon damals ein wahres High-End-Gerät.

 

PS 1000, 1965

 

Mit der Entwicklung des Plattenspielers PS 1000 hielt bei Braun eine neue Plattenspielergeneration Einzug. Der PS 1000, ein Baustein der legendären studio 1000 Anlage, sollte in den 60er Jahren das Braun Plattenspieler Flagschiff werden.

 

Der Antrieb zum Plattenteller erfolgte über Reibrad, Zwischenrolle und Gummiriemen. Alle vier Geschindigkeiten konnten zusätzlich stufenlos über eine optische Anzeige feinreguliert werden.

 

Das, an der Oberfläche optisch gut 'aufgeräumte' Gerät, verbarg umsomehr Technik im Inneren. Zum Beispiel, die mit dem PS 1000 eingeführte Relaissteuerung. Über leichtgängige Drucktasten konnte man das hochwertige Gerät fast 'sanft' bedienen. Die neu eingeführte fotoelektrische und kräftearme Endabschaltung brachte ohne sonderliche Belastungen für Nadel und System, vor Plattenende das Gerät zum Stehen. Der Tonarm konnte schon für Nadel und System bis zur unteren Grenze von 0,4 Pond fein eingestellt und damit auch plattenschonend gespielt werden.

 

PS 500, 1968

 

Der PS 1000 gilt in seiner technischen Konstruktion und Qualität als Vorgänger des PS 500. Der PS 500 besaß durchaus ähnliche Ausstattungs- und Leistungswerte, aber einen günstigeren Preis.

 

Das Gerät war im Betrieb recht robust und zuverlässig, so daß es sehr häufig in Diskotheken zum Einsatz kam und den Dauerbetrieb mühelos überstand. Für diese Verwendung hatte Braun eine Palette weiterer Geräte und Komponenten entwickelt.

 

Mit fast 44.000 produzierten Geräten war der PS 500 für Braun auch wirtschaftlich ein erfolgreiches Gerät.

 

PS 600, 1969

 

Der PS 600 mit Wechselautomatik, war auch als Spieler, automatischer Spieler, Dauerspieler oder Wechsler zu betreiben. Das Antriebssystem wurde bis auf die Wechselautomatik, überwiegend vom PS 500 übernommen. Er bekam zusätzlich ein federndes ölhydraulisch schwingungsgedämpftes

Zwischenchassis. Der Tonarm eines Plattenwechlers unterliegt vielen Kompromissen, da sich die Abspielhöhe durch das Aufstapeln der Platten ständig verändert und die Nadel des Systems nicht ihren besten Abspielwinkel findet.

 

Der PS 600 hatte, obwohl es diese Beeinträchtigungen gab, noch eine recht passable Abspielqualität. Optisch war er allen damals handelsüblichen Wechslern weit überlegen und für den Ästheten, der auch Musikliebhaber war, akzeptabel.

 

PS 400, 1965

 

Der PS 400 sollte ein Plattenspieler der mittleren Preisklasse werden. Optisch war er dem Gestaltungsraster der HiFi-Bauteile TS 45 und TG 60 angeglichen. Er galt als ein guter und hochwertiger Plattenspieler mit Reibrad, Gummiriemen und einem großen ausgewuchteten Plattenteller. Er hatte eine halbautomatische Aufsetzhilfe, eine Endabschaltung, sowie eine Drehzahlfeinregulierung, die dann in fast allen weiteren Geräten eingebaut wurde. Der sehr gut gestaltete Rundrohrtonarm mit Gegengewicht erhielt einen abschraubbaren Tonkopfhalter für das System. Das Chassis wurde überwiegend in die audio Anlagen eingebaut.

 

PS 402, 1967 / PS 410, 1968

PS 420, 1969 / PS 430, 1971

 

Der Plattenspieler PS 400 wurde fast jährlich in kleinen Schritten weiterentwickelt und erhielt dementsprechend auch neue Typenbezeichungen. Die jeweiligen Chassis fanden dann ihren Einsatz in audio Anlagen.

 

Hinweise für Sammler

 

Die Braun Plattenspieler haben, bis auf einige wenige, bei Sammlern noch nicht den ihnen gebührenden Stellenwert gefunden. Dies liegt scheinbar daran, daß von den Spielern eine relativ hohe Stückzahl gefertigt wurde und inzwischen die LPs durch die CDs vom Markt verdrängt wurden.

 

Der zur Zeit gesuchte Braun Plattenspieler ist der G 12, der Batterieplattenspieler P 1 (noch gefragter in der Kombination TP 1 / 2), der seltene und technisch gute Plattenspieler P 701, und der letzte aus der Atelier Serie P 4.

 

Der 2. Teil 'Die Braun Plattenspieler' folgt in der nächsten Ausgabe von Design+ Design. Es werden die Plattenspieler von 1973 bis 1984 vorgestellt. Des weiteren werden Sie über die Original Tonabnehmersysteme und deren Nadeln informiert, sowie über die noch lieferbaren Typen. Ein weiterer Artikel gibt Auskunft über die Reparaturmöglichkeit, sowie die notwendigen Ersatzteile.

 

Text: Jo Klatt

Fotos: Braun AG und Jo Klatt

 

 

 

 

 

 

Quelle:
Klatt, J.: Die Braun Plattenspieler Teil 1. In: Design+Design 38, Hamburg Dezember 1996, 3-12

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